BGH Beschluss v. - IX ZB 27/14

Verbraucherinsolvenzverfahren: Überleitung in Regelinsolvenzverfahren; Wirksamkeit der Entlassung des Treuhänders bei Unwirksamkeit des Verweisungsbeschlusses

Gesetze: § 59 Abs 1 InsO, § 292 Abs 3 S 2 InsO

Instanzenzug: Az: 51 T 57/14vorgehend AG Spandau Az: 38 IK 70/09

Gründe

I.

1Auf Eigenantrag eröffnete das Amtsgericht Spandau am ein Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte die weitere Beteiligte zu 1 zur Treuhänderin. Eine Gläubigerin des Schuldners beantragte, das Verfahren in ein Regelinsolvenzverfahren überzuleiten und es an das für Regelinsolvenzverfahren zuständige Amtsgericht Charlottenburg zu verweisen. Das Amtsgericht Spandau wies diesen Antrag zurück. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin gab das Landgericht dem Antrag statt. Gegen diese Entscheidung erhob der Schuldner Rechtsbeschwerde. Während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens wurde das Insolvenzverfahren als Regelverfahren beim Amtsgericht Charlottenburg geführt. Dieses Gericht entließ mit Beschluss vom die weitere Beteiligte aus dem Amt, weil die Bestellung einer Treuhänderin im Regelinsolvenzverfahren nicht statthaft sei. Am selben Tag bestellte es den weiteren Beteiligten zu 2 zum Insolvenzverwalter, der anschließend tätig wurde. Mit Beschluss vom (IX ZB 179/10, WM 2013, 1036) hob der Senat die Beschwerdeentscheidung auf und verwarf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin als unzulässig.

2Am hat die Rechtspflegerin des nunmehr erneut mit dem Verfahren befassten Amtsgerichts Spandau "klarstellend" beschlossen, der weitere Beteiligte sei "auch Treuhänder dieses Verfahrens". Dagegen hat die weitere Beteiligte sofortige Beschwerde erhoben und die Ansicht vertreten, nach wie vor sei sie die wirksam bestellte Treuhänderin. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die weitere Beteiligte ihr Begehren weiter.

II.

3Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg; sie ist nicht statthaft.

41. Die Rechtsbeschwerde ist nur eröffnet, wenn zuvor die sofortige Beschwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. War die sofortige Beschwerde unstatthaft, weil die angefochtene Entscheidung unanfechtbar war, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (, WM 2009, 1582 Rn. 5 ff mwN).

52. Die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten war nicht statthaft.

6a) Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InsO). Vorgesehen ist in § 59 Abs. 2 Satz 1 InsO die sofortige Beschwerde des Verwalters gegen seine Entlassung. Nach § 313 Abs. 1 Satz 3 InsO aF gilt die Vorschrift für den Treuhänder im vereinfachten Insolvenzverfahren entsprechend. Die Entlassung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Da nicht zwei Verwalter oder Treuhänder mit denselben Aufgaben betraut sein können, liegt in der Bestellung eines neuen Verwalters oder Treuhänders zugleich die Entlassung des alten. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bestellung des vormaligen Verwalters fortbesteht (, nv Rn. 2; vom - IX ZB 237/06, WM 2008, 35 Rn. 5; vgl. auch , WM 2010, 2089 Rn. 2).

7b) Mit dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Spandau vom ist die weitere Beteiligte nicht ausdrücklich aus dem Amt als Treuhänderin entlassen worden. Es ist auch kein neuer Treuhänder bestellt worden. Nach dem Regelungsgehalt des Beschlusses ist lediglich klargestellt worden, dass der weitere Beteiligte weiterhin (nur) Treuhänder ist. Sollte dieser zuvor nicht wirksam als solcher bestellt worden sein, ginge der angefochtene Beschluss ins Leere. Deshalb stellt er für die weitere Beteiligte keine beschwerdefähige Entscheidung dar.

83. Überdies ist die weitere Beteiligte schon mit aus dem Amt entlassen worden. Dieser Beschluss ist wirksam.

9a) Aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit ist es geboten, einen im Insolvenzverfahren ergangenen Beschluss nur ganz ausnahmsweise als unwirksam zu behandeln (vgl. , BGHZ 138, 40, 44). Das entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach ein Hoheitsakt nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren beseitigt werden kann und wirksam ist, solange dies nicht geschehen ist (, BGHZ 113, 216, 218). Unwirksamkeit kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn ein Mangel vorliegt, der dem Akt schon äußerlich den Charakter einer richterlichen Entscheidung nimmt (vgl. , BGHZ 137, 49, 51 f).

10b) An einem solchen Mangel leidet der Beschluss über die Entlassung der weiteren Beteiligten vom nicht.

11aa) Selbst wenn unterstellt wird, die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts über die Fortführung des Verfahrens als Regelinsolvenzverfahren sei unwirksam gewesen und die Verweisung habe keine Bindungswirkung entfaltet, wäre das Amtsgericht Charlottenburg innerhalb des richtigen Rechtswegs lediglich unzuständig gewesen (§ 2 InsO iVm § 8 der Verordnung über die Zuweisung amtsgerichtlicher Zuständigkeiten vom ; GVBl. 2008 S. 116).

12Nach dem Wortlaut des § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO (iVm § 4 InsO) begründete die Unzuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg nicht einmal die Anfechtbarkeit der Entscheidung (vgl. , NZI 2005, 184) und hinderte erst Recht nicht ihre Wirksamkeit. Die Regelung soll vermeiden, dass die vom Ausgangsgericht geleistete Sacharbeit wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig wird (BT-Drucks. 14/4722 S. 113). Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, wenn von der Unwirksamkeit der Entscheidung auszugehen wäre. Ob die Unzuständigkeit ausnahmsweise geltend gemacht werden kann, wenn der Erstrichter seine Zuständigkeit unter Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl. MünchKomm-InsO/Ganter/Lohmann, 3. Aufl., § 3 Rn. 32) oder willkürlich (MünchKomm-ZPO/Lipp, 4. Aufl., § 571 Rn. 10; aA Hk-ZPO/Wöstmann, 5. Aufl., § 513 Rn. 3; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 513 Rn. 10) angenommen hat, kann offenbleiben. Die Wirksamkeit der Entscheidung wird dadurch ebenfalls nicht in Frage gestellt.

13bb) Unabhängig von der Wirksamkeit der Beschwerdeentscheidung war der Beschluss über die Entlassung der weiteren Beteiligten deshalb rechtswidrig, weil die zuvor erfolgte Überleitung in das Regelinsolvenzverfahren ausgeschlossen war (vgl. , WM 2013, 1036 Rn. 12). Unwirksam ist er auch aus diesem Grund nicht. Der weiteren Beteiligten hätte insoweit das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gemäß § 313 Abs. 1 Satz 3, § 59 Abs. 2 Satz 1 InsO zugestanden. In der Aufhebung der Entlassungsentscheidung auf die sofortige Beschwerde der weiteren Beteiligten wäre zugleich die Aufhebung der Bestellung und damit die Entlassung des weiteren Beteiligten zu sehen gewesen (, WM 2010, 2089 Rn. 2). Diesen Weg hat die weitere Beteiligte nicht beschritten.

14c) Ob ein im Insolvenzverfahren ergangener Beschluss, wie die Rechtsbeschwerde meint, unwirksam sein kann, wenn er auf einer vorangegangenen, ihrerseits wirkungslosen Entscheidung beruht, ist noch nicht abschließend geklärt. Offengelassen hat der Senat die Frage, ob schon die Aufhebung eines Verweisungsbeschlusses dem nach Verweisung ergangenen Eröffnungsbeschluss die rechtliche Grundlage entzieht (, BGHZ 138, 40, 46). Im Schrifttum wird vertreten, dass mit rechtskräftiger Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses das Verwalteramt erlischt (Uhlenbruck/Pape, InsO, 13. Aufl., § 34 Rn. 33; MünchKomm-InsO/Graeber, 3. Aufl., § 34 Rn. 90).

15aa) Auszugehen ist auch hier von dem Grundsatz, dass ein Hoheitsakt wirksam ist, bis er in dem dafür vorgesehenen Verfahren beseitigt ist. Das erfordern Rechtssicherheit und -klarheit sogar in besonderem Maße, weil die Unwirksamkeit nicht dem Hoheitsakt selbst zu entnehmen ist, sondern vorangegangene Entscheidungen in die Würdigung einzubeziehen sind. Eine Unwirksamkeit des Hoheitsakts aufgrund der Wirkungslosigkeit vorangegangener Entscheidungen ist demzufolge nur unter engen Voraussetzungen anzunehmen. Sie kann vorliegen, wenn die spätere Entscheidung die Wirksamkeit der früheren in zulässiger Weise zur Bedingung macht, oder sie kann aus der Natur der Sache folgen. Letzteres ist regelmäßig nicht schon dann der Fall, wenn die spätere Entscheidung auf der früheren beruht. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Wirkungslosigkeit der früheren Entscheidung der späteren jeglichen Regelungszweck nimmt. Dies wird etwa für spätere Entscheidungen des Insolvenzgerichts anzunehmen sein, wenn der Eröffnungsbeschluss wirkungslos ist.

16bb) Danach führt die - hier unterstellte - Wirkungslosigkeit der Entscheidung des Landgerichts über die Fortführung des Verfahrens als Regelinsolvenzverfahren und die Verweisung an das Amtsgericht Charlottenburg nicht zur Unwirksamkeit der Entlassungsentscheidung vom . Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat die Insolvenzrichterin des Amtsgerichts Charlottenburg die Wirksamkeit der vorangegangenen Beschwerdeentscheidung nicht zur Bedingung für die Wirksamkeit der Entlassungsentscheidung erhoben, sondern in dem aus ihrer Sicht vorliegenden Regelinsolvenzverfahren entschieden. Die Unwirksamkeit folgt auch nicht aus der Natur der Sache. Das (Verbraucher-)Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners dauerte fort. Es bedurfte daher weiterhin einer Verwaltung der Insolvenzmasse und einer rechtssicheren Entscheidung darüber, wer diese vorzunehmen hat. In diesem Zusammenhang erfolgte die Entlassung der weiteren Beteiligten.

Kayser                              Gehrlein                            Vill

                  Lohmann                             Fischer

Fundstelle(n):
WM 2015 S. 728 Nr. 15
UAAAE-87527