Instanzenzug: S 24 R 77/10
Gründe:
1Mit Urteil vom 4.9.2014 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit verneint.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wurde Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung werden Verfahrensmängel geltend gemacht.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
6Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
7Rügt der Beschwerdeführer, das LSG habe die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, so muss er in der Beschwerdebegründung (1) einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, den das Revisionsgericht ohne Weiteres auffinden kann, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die Tatumstände darlegen, die den Beweisantrag betreffen und weitere Sachaufklärung erfordert hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (Senatsbeschluss vom 14.4.2009 - B 5 R 206/08 B - NJW 2010, 1229; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN und Nr 21 RdNr 5). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
8Der Kläger behauptet, er habe erfolglos "mit Schriftsatz vom 04.02.2014 eine Ergänzung der Begutachtung beantragt, mit der Maßgabe gutachterlich zu klären, dass eine Kausalität zwischen den aus dem Unfall vom 01.08.1978 verursachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen besteht und dadurch eine Erwerbs- und Berufsunfähigkeit beim Kläger vorliegt."
9Hiermit hat er jedoch keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag (iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 414 ZPO) bezeichnet. Merkmal eines solchen Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Der abstrakte Hinweis auf "gesundheitliche Beeinträchtigungen", die "aus dem Unfall vom 01.08.1978" resultieren, verdeutlicht aber nicht ansatzweise, welche gesundheitlichen Defizite (es fehlen zB Angaben zur Art, Häufigkeit, Dauer und Intensität der Beschwerden in bestimmten Körperregionen) welchen Einfluss auf das zeitliche und/oder qualitative Leistungsvermögen haben. Deshalb hätte der im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Kläger - was keine besondere Sachkunde erforderte - von sich aus Art, Intensität und Ausmaß der Leistungsstörungen konkret, detailliert und substantiiert beschreiben und diese Tatsachenbehauptungen unter Sachverständigenbeweis stellen müssen. Soweit er die Rechtsansicht vertritt, er sei aufgrund der Unfallfolgen erwerbs- und berufsunfähig, liegt darin gerade keine Behauptung beweisbarer Tatumstände. Denn die Rechtsbegriffe der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit sind dem Tatsachenbeweis von vornherein unzugänglich.
10Darüber hinaus legt der Kläger auch nicht schlüssig dar, dass die angefochtene Entscheidung - ausgehend von der materiellen Rechtsansicht des LSG - auf dem angeblichen Verfahrensmangel beruhen kann. Denn die Beschwerdebegründung gibt selbst an, die Vorinstanz habe entschieden, "dass der Kläger nicht erwerbsgemindert sei", und deshalb gerade offen gelassen, "ob die kausale Verursachung einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit durch [wehrdienstbedingte] Körperschäden den Kläger von der 3/5-Belegung für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung befreien würde". In dieser Situation hätte er vertieft darauf eingehen müssen, warum es im Rahmen der mehrgliedrigen Tatbestände der §§ 43, 240 SGB VI für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die vorzeitige Wartezeiterfüllung (§ 43 Abs 1 S 1 Nr 2, Abs 2 Nr 2 und Abs 5 SGB VI) und die damit verbundenen Kausalitätsfragen ("wegen" iS von § 53 Abs 1 Nr 2 SGB VI) ankommen könnte, obwohl das LSG bereits das Vorliegen einer Erwerbsminderung (§ 43 Abs 1 S 1 Nr 1 und Abs 2 Nr 1 SGB VI) verneint hat.
11Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe "mit Schriftsatz vom 04.02.2014 eine Ergänzung der Begutachtung beantragt", behauptet er im Übrigen auch nicht, dieses Beweisgesuch aufrechterhalten zu haben, als er sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärte (stRspr BSG, vgl SozR 3-1500 § 160 Nr 31 mwN). Denn im vorbehaltslosen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung ist grundsätzlich der Verzicht auf eine zuvor beantragte Beweiserhebung zu sehen (Senatsbeschluss vom 7.1.2013 - B 5 R 348/12 B - BeckRS 2013, 66085 RdNr 8; ; BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4; vgl auch -BFH/NV 2010, 1847). Warum hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, erläutert die Beschwerdebegründung nicht.
12Die dargestellten Erwägungen gelten entsprechend, soweit der Kläger eine weitere Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend macht und dabei sinngemäß rügt, das LSG habe es ermessensfehlerhaft unterlassen, das Erscheinen des Sachverständigen Dr. Z. von Amts wegen anzuordnen, damit er sein schriftliches Gutachten erläutere (§ 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 3 ZPO).
13Wenn sich die Beschwerdebegründung schließlich darauf beruft, das LSG habe "das Recht des Klägers auf Stellung sachdienlicher Fragen gegenüber dem Sachverständigen verletzt", beruft er sich auf einen Verstoß gegen § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO. Danach steht den Beteiligten - zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) - das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten (BVerfG Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - NJW 1998, 2273 = Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 und Nr 2 RdNr 5 sowie Beschlüsse vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - Juris RdNr 13, vom 28.12.2010 - B 13 R 320/10 B - Juris RdNr 10, vom 19.11.2009 - B 13 R 247/09 B - Juris RdNr 10, vom 27.8.2009 - B 13 R 185/09 B - Juris RdNr 15 und vom 12.12.2006 - B 13 R 427/06 B - Juris RdNr 7; - NJW 1998, 162, 163 = Juris RdNr 10 - alle mwN). Sachdienliche Fragen in diesem Sinne liegen vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10). Hierbei müssen keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1). Hingegen fehlt es an der Sachdienlichkeit, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG [Kammer] vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - NJW-RR 1996, 183 = Juris RdNr 29, mwN zur Rspr des BGH). Vor diesem Hintergrund hat der Kläger es jedoch versäumt darzulegen, warum seine "Frage ... zum Zusammenhang zwischen den Folgen der Wehrdienstbeschädigung und der damit verursachten Erwerbsminderung" beweiserheblich und damit sachdienlich gewesen sein könnte, obwohl das LSG bereits das Vorliegen einer rentenrelevanten Erwerbsminderung verneint hat.
14Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
15Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstelle(n):
FAAAE-85134