Feststellungsinteresse
Gesetze: § 256 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 3 Ca 14/11 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 953/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten, ob sich das monatliche Entgelt des Klägers ab dem nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Bereich der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) in seiner jeweils gültigen Fassung und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) richtet.
2Der Kläger und der - nicht tarifgebundene - Rechtsvorgänger der Beklagten, der Verein „P“, schlossen am einen Arbeitsvertrag, der unter anderem folgende Regelungen enthält:
3Am traten der TVöD-VKA und der TVÜ-VKA in Kraft.
4Für die Jahre 2005 bis einschließlich 2007 schloss der Kläger mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten jeweils Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag, die - zB für das Jahr 2007 - auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
5Anders als andere Arbeitnehmer des Rechtsvorgängers des Beklagten lehnte der Kläger eine entsprechende Vereinbarung für das Jahr 2008 gegenüber dem Rechtsvorgänger der Beklagten ab. Im Februar 2008 bot dessen Vorstand den Arbeitnehmern in einer Mitarbeiterversammlung die Einführung des TVöD-VKA mit der Maßgabe an, dass eine halbe Stunde Mehrarbeit zu leisten sei, eine Altersstufensteigerung nicht stattfinde und alle Sonderzahlungen freiwillig seien.
6Mit einer im August 2009 eingereichten Klage begehrte der Kläger gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beklagten beim Arbeitsgericht K die Feststellung, dass sich seine Vergütung nach dem TVöD-VKA richtet. Am ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf den ebenfalls nicht tarifgebundenen Beklagten über. Am schlossen der Kläger und der Rechtsvorgänger des Beklagten in dem zwischen ihnen geführten Rechtsstreit einen gerichtlichen Vergleich. Danach verpflichtete sich der Rechtsvorgänger des Beklagten ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Frage der Geltung des TVöD-VKA an den Kläger eine Einmalzahlung zu leisten.
7Mit Schreiben vom lehnte der Beklagte eine vom Kläger aufgrund einer Überleitung in den TVöD-VKA begehrte Eingruppierung und die Zahlung eines entsprechenden Entgelts ab.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Parteien des Arbeitsvertrags hätten bei dessen Abschluss den Wegfall der Dynamik des Bundes-Angestelltentarifvertrags nicht bedacht. Diese Regelungslücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung durch Anwendung des TVöD-VKA in seiner jeweils gültigen Fassung einschließlich des TVÜ-VKA zu schließen. Dementsprechend sei er in das Entgeltsystem des TVöD-VKA überzuleiten.
9Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt beantragt
10Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags darauf verwiesen, der Arbeitsvertrag enthalte keine planwidrige Regelungslücke. Im Übrigen sei ein etwaiger Überleitungsanspruch des Klägers nach Nr. 11 des Arbeitsvertrags verfallen, jedenfalls verwirkt.
11Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Der Beklagte verfolgt mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
12Die Revision des Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage unzulässig. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Antrag auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO richtet. Ihm fehlt jedenfalls das erforderliche besondere Feststellungsinteresse.
13I. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165).
14Eine Feststellungsklage setzt nach § 256 Abs. 1 ZPO weiterhin ein rechtliches Interesse des Klägers voraus, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Dieses besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., etwa - Rn. 14, BAGE 124, 240).
15Ein solches Feststellungsinteresse ist nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (st. Rspr., etwa - Rn. 12; - 4 AZR 757/00 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 100, 43). Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen (st. Rspr., etwa - aaO). Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten. Anderenfalls müssen auch die weiteren Berechnungskriterien zum Gegenstand des Feststellungsantrags gemacht werden, damit nicht lediglich eine Vorfrage geklärt wird (vgl. dazu - Rn. 21; für die Eingruppierungsfeststellungsklage - Rn. 15, BAGE 124, 240; weiterhin - aaO). Allerdings sind die Gerichte gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird ( - Rn. 12, BAGE 131, 316).
16II. Hiervon ausgehend ist der Klageantrag unzulässig. Ihm fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse.
171. Nach dem Wortlaut des Antrags begehrt der Kläger eine Feststellung über die Rechtsgrundlage für die Errechnung seiner Vergütung. In der Berufungsverhandlung hat er insofern klargestellt, dass sich der Begriff der Vergütung im Antrag allein auf die in Nr. 3.1. des Arbeitsvertrags genannte „Vergütung“ bezieht, insbesondere also die Einschränkungen und Präzisierungen der folgenden Vereinbarungen in Nr. 3.2. bis 3.4. des Arbeitsvertrags außer Betracht bleiben sollen. Im Ergebnis will der Kläger damit festgestellt wissen, dass der Wortlaut von Nr. 3.1. Satz 1 des Arbeitsvertrags - „Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem BAT/Gemeinden in der jeweils gültigen Fassung“ - für die Zeit ab dem wie folgt zu lesen ist: „Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem TVöD-VKA und dem TVÜ-VKA in der jeweils gültigen Fassung“.
182. Für das dahingehend präzisierte Rechtsschutzbegehren des Klägers besteht kein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Mit der Rechtskraft der begehrten Entscheidung wäre nur einer von mehreren Berechnungsfaktoren für das dem Kläger zustehende Entgelt geklärt. Weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über zwischen den Parteien streitige Fragen über die zutreffende Berechnung des Entgelts sind dann nicht auszuschließen, wie das weitere Vorbringen der Parteien im Rechtsstreit zeigt.
19a) Mit der Feststellung der Rechtsgrundlage für die Berechnung des Entgelts des Klägers wäre die Anwendung des TVöD-VKA und damit auch der entsprechenden Entgelttabellen eindeutig bestimmt.
20b) Zugunsten des Klägers kann weiterhin unterstellt werden, dass sich bei der Zuordnung zu einer Entgeltgruppe des TVöD-VKA nach Anlage 1 zum TVÜ-VKA keine Unklarheiten ergeben würden. Danach entspricht die von den Parteien mitgeteilte bisherige VergGr. IVb der Anlage 1a zum BAT - wobei hier aus Gründen der Eindeutigkeit zugunsten des Klägers die Zuordnung zum Tätigkeitsmerkmal der dortigen Fallgruppe 16 unterstellt wird, aus der kein Bewährungsaufstieg möglich ist - der Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA (Anl. 1 zum TVÜ-VKA: „bisher. VergGr. IVb ohne Aufstieg nach IVa“). Für eine in den Jahren 2005 bis 2008 erfolgte Änderung in der Eingruppierung des Klägers ergibt sich auch kein Anhaltspunkt, so dass für den Fall der begehrten Feststellung der Annahme einer entsprechend klaren Zuordnung zu der Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA nichts entgegensteht.
21c) Diese Feststellung allein klärt das zwischen den Parteien im Streit stehende zutreffende Entgelt des Klägers nicht.
22aa) Allein aus der Feststellung der zutreffenden Entgeltgruppe ergibt sich die für das Entgelt erforderliche konkrete Zuordnung des Klägers zu der für ihn maßgebenden Stufe in einer Entgeltgruppe nicht.
23(1) Die genaue Höhe des Entgelts nach einer Überleitung in den TVöD-VKA bemisst sich - insbesondere in den ersten beiden Jahren - nicht allein nach der Entgelttabelle zum TVöD-VKA. Sie beruht auf der Bildung eines Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-VKA, welches für die ersten zwei Jahre nach der Überleitung festgeschrieben bleibt (Grundkonstellation in § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA). Damit einher geht eine Erhöhung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit um 0,5 Stunden. Erfolgt die Überleitung in den TVöD-VKA jedoch erst zu einem nach dem Inkrafttreten des Tarifvertrags am liegenden Zeitpunkt, bemisst sich diese Zwei-Jahres-Frist ab dem individuellen Überleitungsdatum. Das ergibt sich aus der Niederschriftserklärung zu § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA, die im Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom mit Wirkung zum vereinbart wurde und folgenden Wortlaut hat:
24Gegen die normative Wirkung dieser Niederschriftserklärung bestehen - entgegen der Ansicht des Klägers - keine Bedenken. Es handelt sich um eine Inhaltsnorm, die in einem Tarifvertrag zwischen Tarifvertragsparteien vereinbart worden ist. Ihre Bezeichnung als Niederschriftserklärung oder Protokollnotiz ändert daran nichts (vgl. dazu ausf. - Rn. 27 mwN).
25(2) Über den für die Überleitung entscheidenden Zeitpunkt - und damit über einen maßgebenden Faktor für die Berechnung des Entgelts - besteht zwischen den Parteien Streit, der durch die begehrte Feststellung nicht geklärt wird.
26(a) Der Beklagte beruft sich darauf, dass die Überleitung des Klägers nicht bereits zum erfolgt ist, sondern erst später. Als ein solches abweichendes Überleitungsdatum kommt insbesondere der in Betracht, weil bis zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die jährlich geschlossenen Zusatzvereinbarungen gekennzeichnet war. Nach diesen sollten insbesondere die Eingruppierungen nach dem BAT weiter „beibehalten“ und - abweichend vom TVöD-VKA und TVÜ-VKA - auch Bewährungsaufstiege noch vollzogen werden.
27(b) Der Kläger hat dem entgegengehalten, damit habe keinesfalls eine Regelung über das auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifwerk getroffen werden sollen. Allerdings hat er auch eingeräumt, die Zusatzvereinbarung habe dazu führen sollen, dass die Vergütung „vorübergehend auf einem geringeren Niveau eingefroren“ werde.
28(c) Damit bleibt zwischen den Parteien - selbst für den Fall einer positiven Entscheidung über den Feststellungsantrag - unklar, zu welchem Stichtag die Überleitung in den TVöD-VKA und damit der Beginn der Zwei-Jahres-Frist für das „Einfrieren“ des Entgelts bei gleichzeitiger Erhöhung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit nach Maßgabe der Niederschriftserklärung erfolgt ist.
29bb) Die Beklagte hat sich überdies darauf berufen, dass sich mit dem TVöD-VKA nicht nur das Entgelt, sondern auch die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit geändert habe. Die Zuordnung einer bestimmten Entgelthöhe zu der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit ermöglicht zwar grundsätzlich auch die Bestimmung eines tariflichen Stundenlohns, der dann im Wege einer einfachen Multiplikation auf die geschuldete Arbeitszeit anzuwenden ist. Es erscheint jedoch fraglich, ob mit der konkreten Bestimmung einer vertraglichen Arbeitszeit von „wöchentlich 28,88 Stunden“ und der Bezugnahme auf den BAT der Arbeitsvertrag der Parteien nicht dahingehend auszulegen ist, dass die Vereinbarung der wöchentlichen Arbeitszeit exakt einer „Drei-Viertel-Stelle“ - bezogen auf die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit - entspricht. Wäre dies - wie die Beklagte annimmt - der Fall, hätte sich durch die Anwendung des TVöD-VKA auch die vom Kläger individuell geschuldete Arbeitszeit verändert, nämlich auf drei Viertel von nunmehr 39 Wochenstunden (§ 6 Abs. 1 TVöD). Damit bliebe eine weitere Rechengröße für die Bestimmung des vom Kläger zu beanspruchenden Entgelts ungeklärt.
30d) Es kommt hinzu, dass durch den Urteilsausspruch nicht geklärt würde, welchen Entgeltanspruch der Kläger hinsichtlich des vom Feststellungsantrag ebenfalls umfassten Zeitraums vor dem Betriebsübergang am noch geltend machen kann. Für den Fall, dass insoweit ein Vergütungsdifferenzanspruch des Klägers bestünde, haftet der Beklagte gesamtschuldnerisch mit seinem Rechtsvorgänger (§ 613a Abs. 2 BGB). Dass der Kläger die aus der begehrten Feststellung erwachsenden Entgeltdifferenzansprüche auch für den Zeitraum vor dem Betriebsübergang geltend machen will, ergibt sich aus der entsprechenden Klage gegen den Beklagten. Der Kläger hat in einem Vorprozess gegenüber dem Rechtsvorgänger des Beklagten jedoch ebenfalls geltend gemacht, seine Vergütung bestimme sich nach dem TVöD-VKA und dem TVÜ-VKA. Dieser Prozess vor dem Arbeitsgericht K ist wenige Wochen nach dem Betriebsübergang mit einem Vergleich beendet worden, in dem sich der Rechtsvorgänger des Beklagten zur Leistung einer „Einmalzahlung“ in einer dem Senat nicht bekannten Höhe verpflichtet hat. Daraus ergibt sich, dass in der vereinbarten „Einmalzahlung“ Entgeltdifferenzbestandteile enthalten sind, die bei einem Erfolg der Klage aus der beantragten Feststellung hätten folgen können. Dabei hätte der Rechtsvorgänger des Beklagten insoweit zumindest anteilig auf eine Schuld geleistet, die - in der Sache - nach dem Betriebsübergang gegenüber dem Betriebserwerber und nunmehrigen Beklagten geltend gemacht wird. Eine solche Leistung wäre entsprechend auf eine eventuelle Vergütungsverpflichtung des Beklagten für die Zeit vor dem Betriebsübergang anzurechnen und ließe jedenfalls im geleisteten Umfang und der entsprechenden Zuordnung zu Entgeltdifferenzzeiträumen überdies das Feststellungsinteresse des Klägers entfallen.
31III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
GAAAE-85005