BSG Beschluss v. - B 13 R 47/14 B

Instanzenzug: S 8 R 524/10

Gründe:

I

1Der 1950 geborene Kläger begehrt die Bewilligung einer Umschulung zum Informatiker als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er hat zwischen 1970 und 2004 verschiedene Fächer studiert, ohne einen berufsqualifizierenden Abschluss zu erlangen. Eigenen Angaben zufolge hat er seit 1977 daneben als Taxifahrer gearbeitet; Versicherungsbeiträge für eine geringfügige Beschäftigung als solcher bzw für eine Beschäftigung in der Gleitzone sind jedoch nur für die Zeit vom bis April 2006 nachweisbar. Nach einer nicht abgeschlossenen beruflichen Qualifizierungsmaßnahme zum Zahntechniker von September bis Dezember 2006 sind Pflegebeiträge für die Pflege seiner Ehefrau vom bis abgeführt worden. Nach dem Tod der Ehefrau bezieht der Kläger Witwerrente vom beklagten Rentenversicherungsträger (Bescheid vom ).

2Vom 26.2. bis und vom 25.2. bis absolvierte der Kläger zwei stationäre Rehabilitationsmaßnahmen. Er wurde abschließend für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere bzw leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten. Seinen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vom lehnte die Beklagte ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht erheblich gefährdet oder gemindert sei (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat die Klage nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ). Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist ebenfalls erfolglos geblieben (; ). Die Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen, weil der Kläger im bisherigen zeitlichen Umfang noch Arbeiten als Taxifahrer verrichten könne (Urteil vom ).

3Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Er rügt Verfahrensfehler, weil das LSG dem von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vom gestellten, jedoch nicht protokollierten Antrag, "zum Beweis der Tatsache seiner eingeschränkten Leistungsfähigkeit für den Beruf des Taxifahrers sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein fachärztliches Gutachten orthopädischer Fachrichtung einzuholen", unbeachtet gelassen habe. Das LSG sei verpflichtet gewesen, dem Beweisantrag nachzugehen, weil es im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes selbst bezweifelt habe, dass der Kläger den Beruf des Taxifahrers noch "im normalen Umfang" ausüben könne, da der Rehabilitations-Entlassungsbericht vom hierfür ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich ausweise. Das LSG-Urteil beruhe ferner auf einem "Verstoß gegen das rechtliche Gehör", weil es ausgeführt habe, es spreche viel dafür, dass der Kläger sogar in der Lage sei, vollschichtig als Taxifahrer zu arbeiten. Das LSG habe jedoch nicht mitgeteilt, worauf es diese Sachkunde stütze, sodass es ihm, dem Kläger, verwehrt gewesen sei, sich auf diese überraschende Entscheidungsbegründung zuvor einzulassen. Ein weiterer Zulassungsgrund sei die Abweichung des LSG im angefochtenen Urteil vom eigenen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom . Schließlich sei die Klärung der Frage grundsätzlich bedeutsam, ob unter dem jeweiligen Bezugsberuf im Recht der Leistungen auf Teilhabe lediglich eine berufliche Einordnung oder die konkrete Ausübung des Bezugsberufs in quantitativer Hinsicht unter Berücksichtigung des Umfangs der Ausübung der Beschäftigung in einem bestimmten Zeitraum zu verstehen sei. Diese Frage sei höchstrichterlich nicht geklärt, entscheidungserheblich und -bedürftig.

II

4Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des Vorliegens von Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sind nicht in der nach § 160a Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden.

51. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

6Soweit - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung vom nicht gerecht.

7Der bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger hat bereits keinen ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG bezeichnet. Denn seinem eigenen Vortrag zufolge ist ein solcher Antrag in der mündlichen Verhandlung vom nicht protokolliert worden. Wäre das Protokoll - wie der Kläger behauptet - insoweit unvollständig, hätte er gemäß § 122 SGG iVm § 164 ZPO die Berichtigung des Protokolls beantragen können. Da dies nicht geschehen ist, ist der behauptete Beweisantrag nicht auffindbar. Aber selbst dann, wenn der Antrag auffindbar wäre, hätte der Kläger nicht hinreichend dargetan, dass das LSG gehalten war, dem Antrag zu folgen. Denn das Gericht ist von der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Klägers als Taxifahrer, die dieser durch ein orthopädisches Fachgutachten unter Beweis stellen wollte, gerade ausgegangen; denn es hat eine drei- bis sechsstündige Leistungsfähigkeit des Klägers in diesem Beruf ausreichen lassen, um die Berufung zurückzuweisen, weil der Kläger damit im bisherigen zeitlichen Umfang seine geringfügige Beschäftigung bzw Beschäftigung in der Gleitzone weiter ausüben könne.

82. Der Kläger hat auch den Verfahrensfehler eines Verstoßes des LSG gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht hinreichend bezeichnet. Soweit er rügt, ihm sei eine Einlassung zu der ohne Nachweis der Sachkunde vertretenen Auffassung des LSG verwehrt worden, es spreche viel dafür, dass er, der Kläger, sogar in der Lage sei, vollschichtig als Taxifahrer zu arbeiten, ist jedenfalls nicht dargetan, dass die Entscheidung des LSG auf dem - vermeintlichen - Verfahrensfehler beruht. Eine solche Darlegung könnte auch nicht gelingen, weil die kritisierte Äußerung des LSG nicht tragend ist. Denn das LSG hat - wie der Kläger in der Beschwerdebegründung selbst ausführt - entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass er in seinem bisherigen zeitlichen Umfang einer geringfügigen Beschäftigung bzw einer Beschäftigung in der Gleitzone weiter nachgehen könne.

93. Das Vorliegen einer Divergenz ist ebenfalls nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Denn gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kann nur eine Abweichung des LSG-Urteils von einer Entscheidung des BSG bzw des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG zur Revisionszulassung führen. Die vom Kläger behauptete Abweichung des LSG im Berufungsurteil von einer Beschlussentscheidung desselben Senats im einstweiligen Rechtsschutzverfahren genügt diesen Anforderungen von vornherein nicht.

104. Schließlich hat der Kläger auch die Voraussetzungen der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

11Der Senat lässt dahinstehen, ob der Kläger mit der Frage, ob unter dem jeweiligen Bezugsberuf im Recht der Leistungen auf Teilhabe lediglich eine berufliche Einordnung oder die konkrete Ausübung des Bezugsberufs in quantitativer Hinsicht unter Berücksichtigung des Umfangs der Ausübung der Beschäftigung in einem bestimmten Zeitraum zu verstehen sei, eine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen hat. Denn jedenfalls hat er weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage hinreichend aufgezeigt. Der Kläger behauptet lediglich, die aufgeworfene Frage sei höchstrichterlich nicht geklärt; mit höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt er sich nicht auseinander. Hierzu hätte aber schon deshalb Veranlassung bestanden, weil das LSG im angefochtenen Urteil zur Frage des maßgeblichen Bezugsberufs mit dem - SozR 4-2600 § 10 Nr 2) zumindest eine höchstrichterliche Entscheidung genannt und hinsichtlich weiterer Rechtsprechung auf Nachweise bei Gürtner (in: Kasseler Komm, SGB VI, § 43 RdNr 6) verwiesen hat. In dem genannten Urteil des BSG ist zudem auf eine Entscheidung des erkennenden Senats vom (B 13 RJ 37/05 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 1) Bezug genommen worden. Mit dieser Rechtsprechung hätte sich der Kläger auseinandersetzen müssen um aufzuzeigen, dass sich die von ihm aufgeworfene Frage anhand dieser Rechtsprechung nicht klären lässt.

12Überdies genügt die einfache Behauptung, die Rechtsfrage sei klärungsfähig und entscheidungserheblich, den Anforderungen an eine Darlegung insoweit nicht.

135. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

146. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

15Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Fundstelle(n):
CAAAE-84458