Betriebliche Altersversorgung - Berechnung einer vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente - Auslegung einer Versorgungsordnung
Gesetze: § 2 Abs 1 BetrAVG, § 6 BetrAVG
Instanzenzug: Az: 6 Ca 11586/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 9 Sa 1459/10 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 797/16
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der dem vormaligen Kläger zustehenden Betriebsrente. Der vormalige Kläger (im Folgenden: Erblasser) ist am verstorben. Alleinerbin war seine Ehefrau, die am verstarb und durch die jetzige Klägerin - eine Erbengemeinschaft - beerbt wurde.
2Der am geborene Erblasser war vom bis zum bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Die Beklagte hatte dem Erblasser Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Richtlinien für die Betriebliche Altersversorgung (Fassung vom ) für Arbeiter und Angestellte (im Folgenden: Richtlinien 68) zugesagt. Die Richtlinien 68 bestimmen ua.:
3Zudem sehen die Richtlinien 68 für die Witwenrente vor, dass diese in Abhängigkeit von der Altersrente des Arbeitnehmers zu berechnen ist.
4In einem von der Beklagten und dem Betriebsrat unterschriebenen Aushang vom wurde Folgendes bekannt gegeben:
5Mit Schreiben vom übersandte die Beklagte dem Erblasser eine Übersicht über die Berechnung seiner Altersrente. Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte die Altersrente iHv. 1.196,66 DM ausgehend von einem pensionsfähigen Entgelt iHv. 4.334,00 DM unter Zugrundelegung einer Dienstzeit bis zum Ausscheiden des Erblassers aus dem Arbeitsverhältnis und unter Anrechnung der vom Erblasser tatsächlich bezogenen, nach VIII B Nr. 2 Buchst. a Richtlinien 68 anrechenbaren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. 1.978,00 DM ermittelt hatte.
6Seit dem bezog der Erblasser eine gesetzliche Altersrente und von der Beklagten eine Altersrente. Diese belief sich zunächst auf 1.197,00 DM brutto monatlich. Zum wurde die Altersrente auf 1.255,00 DM (= 641,67 Euro) erhöht. Seit dem zahlte die Beklagte dem Erblasser nur noch eine monatliche Altersrente von 535,00 Euro. Die Reduzierung des Auszahlungsbetrags beruht darauf, dass die Beklagte nunmehr eine mögliche anrechnungsfähige Beschäftigungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde legte, die anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung fiktiv auf die bei einer Inanspruchnahme ab der Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Rente hochrechnete und den sich ergebenden Betrag im Verhältnis der tatsächlichen zu der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr kürzte; den sich danach ergebenden Betrag von (aufgerundet) 510,00 Euro erhöhte die Beklagte um 4,85 % auf (aufgerundet) 535,00 Euro.
7Mit seiner der Beklagten am zugestellten Klage hat der Erblasser eine monatliche Altersrente iHv. 641,67 Euro sowie die Zahlung rückständiger Altersrente für den Zeitraum vom bis zum iHv. monatlich 106,67 Euro verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Rentenberechnung sei zutreffend gewesen. Die Beklagte sei weder berechtigt, eine zeitanteilige Kürzung der Rente im Verhältnis der tatsächlichen Dienstzeit zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Dienstzeit vorzunehmen, noch eine auf das 65. Lebensjahr hochgerechnete fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen. Es dürfe nur die von ihm tatsächlich bezogene anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Ansatz gebracht werden.
8Der Erblasser hat beantragt
9Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
10Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Erblassers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die bisherigen Klageanträge des Erblassers weiter. Nachdem die Beklagte im Termin vor dem Bundesarbeitsgericht am keinen Antrag gestellt hat, hat der Senat Versäumnisurteil erlassen, mit dem der Revision der Klägerin stattgegeben und festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem vormaligen Kläger ab dem eine über den gezahlten Betrag von 535,00 Euro hinausgehenden Betrag iHv. weiteren 106,67 Euro monatlich zu zahlen; zudem wurde die Beklagte zur Zahlung rückständiger Betriebsrente für die Zeit vom bis zum iHv. 320,01 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem verurteilt. Die Beklagte hat gegen das ihr am zugestellte Versäumnisurteil vom am Einspruch eingelegt.
11Die Beklagte beantragt sinngemäß,
12Die Klägerin beantragt, das Versäumnisurteil vom aufrechtzuerhalten.
Gründe
13Der Einspruch ist statthaft (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 555 Abs. 1 Satz 1, § 338 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, nämlich in der gesetzlichen Form (§ 340 ZPO) und Frist (§ 339 Abs. 1 ZPO) eingelegt. Das Versäumnisurteil vom ist aufrechtzuerhalten (§ 343 Satz 1 ZPO). Die Revision der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die zulässige Klage begründet.
14I. Der Rechtsstreit ist nicht nach § 239 ZPO unterbrochen, weil sowohl der vormalige Kläger als auch seine Alleinerbin während des Revisionsverfahrens verstorben sind. Da der frühere Kläger anwaltlich vertreten war, trat nach § 246 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO weder aufgrund seines Todes noch aufgrund des Todes seiner Alleinerbin eine Unterbrechung des Verfahrens ein; die Aussetzung des Verfahrens nach § 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO wurde nicht beantragt.
15II. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 1. Die Voraussetzungen des § 256 ZPO sind erfüllt.
161. Der Antrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Bestimmung nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie - wie vorliegend - auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken ( - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 259).
172. Soweit der Feststellungsantrag sich auf die Zeit vom bis zum bezieht, handelt es sich um eine Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO, für die ein besonderes Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist. Im Übrigen hat die Klägerin ein Interesse an der begehrten Feststellung, da die Beklagte ihre Verpflichtung zur Zahlung einer Betriebsrente an den Erblasser iHv. 641,67 Euro brutto bestreitet.
18Das Feststellungsinteresse iSd. § 256 Abs. 1 ZPO ist nicht aufgrund des Todes des früheren Klägers entfallen. Die begehrte Feststellung ist auch für Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung nach den Richtlinien 68 von Bedeutung. Der Aushang vom ändert daran nichts. Auch das Ableben der Alleinerbin des Erblassers lässt das Feststellungsinteresse nicht entfallen. Der Antragt dient der effizienten Abwicklung des Erbfalls nach dem Tode der Alleinerbin.
19III. Die Klage ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem vormaligen Kläger und Erblasser über den hinaus eine monatliche Altersrente iHv. 641,67 Euro zu zahlen. Daher schuldet sie der Klägerin für die Monate September 2009 bis November 2009 rückständige Betriebsrente iHv. 320,01 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem . Die Neuberechnung der Altersrente des Erblassers entspricht nicht den Vorgaben der Richtlinien 68 in der Fassung des Aushangs vom (im Folgenden: Richtlinien 86). Die Beklagte ist nicht berechtigt, bei der Berechnung der Altersrente des Erblassers nach IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 86 iVm. § 6 BetrAVG die fiktiv auf die Vollendung des 65. Lebensjahres hochgerechnete Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen und eine Quotierung entsprechend § 2 Abs. 1 BetrAVG durchzuführen. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
201. Die Altersrente des Erblassers berechnet sich nach den in IV Nr. 2 Satz 2 iVm. VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b der Richtlinien 86 getroffenen Regelungen und entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts unter entsprechender Anwendung von § 2 BetrAVG.
21Zwar wird bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente nach § 6 BetrAVG in das Äquivalenzverhältnis zwischen der zugesagten Versorgungsleistung und der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Gegenleistung stets zweifach eingegriffen, und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer vorzeitig ausgeschieden ist oder das Arbeitsverhältnis bis zur vorgezogenen Inanspruchnahme der Betriebsrente bestanden hat. Zum einen wird in das Gegenseitigkeitsverhältnis, das der Berechnung der Vollrente zugrunde liegt, dadurch eingegriffen, dass der Arbeitnehmer die Betriebszugehörigkeit bis zur festen Altersgrenze nicht vollständig erbracht hat. Zum anderen erfolgt eine Verschiebung des in der Versorgungszusage festgelegten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dadurch, dass er die Betriebsrente mit höherer Wahrscheinlichkeit, früher und länger als mit der Versorgungszusage versprochen in Anspruch nimmt (vgl. etwa - Rn. 24 mwN). Dies führt jedoch vorliegend nicht zur Berechnung der Altersrente des Erblassers nach allgemeinen Grundsätzen des Betriebsrentenrechts entsprechend § 2 BetrAVG.
22a) Die vom - 3 AZR 164/00 -) entwickelten allgemeinen Grundsätze des Betriebsrentenrechts, nach denen der Arbeitgeber berechtigt ist, eine Quotierung entsprechend § 2 BetrAVG wegen der fehlenden Betriebszugehörigkeit und ggf. eine weitere Kürzung wegen der vorgezogenen Inanspruchnahme vorzunehmen, finden bereits deshalb keine Anwendung, weil sie nur für die Berechnung der Höhe der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei vorgezogener Inanspruchnahme der Betriebsrente nach vorzeitigem Ausscheiden gelten. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Der Erblasser ist nicht vorzeitig, sondern erst mit Eintritt des in IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 86 geregelten Versorgungsfalls mit Ablauf des aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden und hat ab dem im Alter von 60 Jahren die gesetzliche Altersrente als Vollrente und die Altersrente nach den Richtlinien 86 vorgezogen in Anspruch genommen.
23b) Eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG ist auch nicht aus anderen Gründen veranlasst. Die Berechnung der nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente eines bis dahin betriebstreuen Arbeitnehmers entsprechend § 2 BetrAVG kommt nur dann in Betracht, wenn die Versorgungsordnung selbst keine Regelung zur Berechnung der Betriebsrente bei deren vorgezogener Inanspruchnahme enthält. Regelt die Versorgungsordnung die Höhe der nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente hingegen selbst, ist für eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG kein Raum (st. Rspr. vgl. etwa - Rn. 16). Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Höhe der Altersrente bei vorgezogener Inanspruchnahme der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist in IV Nr. 2 Satz 3 und VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b Richtlinien 86 eigenständig und abschließend geregelt. Dies ergibt die Auslegung der Richtlinien 86.
24aa) Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Richtlinien 86 um eine Betriebsvereinbarung oder um eine Gesamtzusage handelt. Zwar hängt es vom Rechtscharakter der Richtlinien 86 ab, welche Auslegungsgrundsätze anzuwenden sind. Beide Auslegungsmethoden führen jedoch zu demselben Ergebnis.
25(1) Betriebsvereinbarungen sind nach den für Gesetze und Tarifverträge geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (vgl. etwa - Rn. 21; - 3 AZR 939/08 - Rn. 18 mwN).
26(2) Eine Gesamtzusage ist als an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtete Erklärung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragspartnern verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (vgl. etwa - Rn. 51, BAGE 141, 222).
27bb) Die Auslegung der Richtlinien 86 führt nach beiden Grundsätzen zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen in IV Nr. 2 Satz 2, VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Buchst. b Richtlinien 86 die Berechnung der Altersrente auch für den Fall ihrer vorgezogenen Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG abschließend regeln.
28(1) Hierfür spricht bereits die sprachliche Fassung von IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 86. Danach wird die Altersrente („Sie“) auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vor Vollendung des 65. Lebensjahres ausscheidet und gesetzliche Rente in Anspruch nimmt. Diese Formulierung verdeutlicht, dass es sich auch bei der vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente um „die Altersrente“ iSd. I Nr. 2 Richtlinien 86 handelt, deren Höhe sich - trotz Inanspruchnahme vor Vollendung des 65. Lebensjahres - nach den Bestimmungen in VIII Richtlinien 86 richtet.
29(2) Der systematische Zusammenhang der Richtlinien 86 bestätigt dieses Verständnis.
30In I Richtlinien 86 sind die vier Arten von Versorgungsleistungen aufgeführt, die nach den Richtlinien 86 gewährt werden. Hierbei handelt es sich um die Erwerbsunfähigkeitsrente, die Altersrente, die Witwenrente und die Waisenrente. Die Voraussetzungen für die Gewährung der verschiedenen Versorgungsleistungen sind in IV Richtlinien 86 benannt. Die in I Nr. 2 Richtlinien 86 enthaltene Altersrente wird demnach nicht nur bei Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vorher ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Die Höhe der Versorgungsleistungen ist in VIII Richtlinien 86 bestimmt. Danach berechnet sich die „Altersrente“ bei Angestellten nach VIII B Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 Richtlinien 86. Die Regelungen erfassen damit sowohl die Berechnung der mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommenen Altersrente iSv. IV Nr. 2 Satz 1 Richtlinien 86 als auch die nach § 6 BetrAVG vorgezogene Altersrente iSv. IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 86.
31(3) Der mit dem Aushang vom erkennbar verfolgte Regelungszweck unterstützt diese Auslegung.
32Die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes vom (BGBl. I S. 3610) stammenden Richtlinien 68 waren durch die Einführung von § 6 BetrAVG zum lückenhaft geworden. IV Nr. 2 Richtlinien 68 bestimmte lediglich, dass der Arbeitnehmer eine Altersrente erhält, wenn er nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Unternehmen ausscheidet. Nach VIII B Nr. 1 Richtlinien 68 hing die Höhe dieser Altersrente von der Anzahl der anrechnungsfähigen Dienstjahre ab. Danach betrug die mit Vollendung des 65. Lebensjahres zu zahlende Altersrente nach Ablauf der Wartezeit 15 % des letzten Grundgehalts und stieg für jedes weitere anrechnungsfähige Dienstjahr um 1 %. Demgegenüber regelten die Richtlinien 68 nicht, wie sich die nach § 6 BetrAVG vorgezogen in Anspruch genommene Altersrente des gleichzeitig aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausscheidenden Arbeitnehmers berechnete (vgl. zur Lückenhaftigkeit von Versorgungsordnungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes ausführlich - zu I 2 der Gründe, BAGE 30, 333; - 3 AZR 236/83 - zu II der Gründe). Die Beklagte war daher - unter Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats - befugt, die wegen des vorzeitigen und möglicherweise längeren Rentenbezugs in der Versorgungsordnung entstandene Lücke an die geänderte Rechtslage anzupassen (vgl. zur Anpassungsbefugnis des Arbeitgebers infolge der Lückenhaftigkeit der Versorgungsordnung - zu I 2 und zu II 3 c der Gründe; - 3 AZR 216/77 - zu I 2 der Gründe, aaO). Dies ist durch den Aushang vom geschehen. Wie sich aus dem Aushang ergibt, sollte durch die Ergänzung der Richtlinien 68 der in § 6 BetrAVG geregelte Versorgungsfall ausdrücklich in IV Nr. 2 der Richtlinien 68 aufgenommen werden. Gleichzeitig wurde dadurch die Berechnung der vorgezogen in Anspruch genommenen Altersrente nach § 6 BetrAVG - einschließlich des Verzichts auf versicherungsmathematische Abschläge in diesen Fällen - in den Richtlinien 68 geregelt und damit die bis dahin vorhandene Lücke in den Richtlinien 68 geschlossen. Dem Umstand der verkürzten Betriebszugehörigkeit sowie dem längeren Bezug der Altersrente bei deren vorgezogener Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG wurde damit nicht durch eine entsprechende Anwendung von § 2 BetrAVG und Einführung versicherungsmathematischer Abschläge, sondern dadurch abschließend Rechnung getragen, dass die Jahre zwischen dem Ausscheiden des Arbeitnehmers und dem 65. Lebensjahr als anrechnungsfähige Dienstjahre unberücksichtigt bleiben.
33c) Da die Altersrente auch bei deren vorgezogener Inanspruchnahme nach VIII B Richtlinien 86 zu berechnen ist, kann im Rahmen der vorgesehenen Gesamtversorgung lediglich die vom Kläger tatsächlich bezogene, nach den Richtlinien 86 anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Eine Anrechnung der fiktiven Rente, die der Kläger erhielte, wenn er die Rente erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen hätte, scheidet aus. Die Berücksichtigung der fiktiven, auf die feste Altersgrenze hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung kommt nur dann in Betracht, wenn die Versorgungsordnung dies vorsieht oder wenn im Rahmen der Quotierung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG die fiktive Vollrente zu ermitteln ist. Enthält die Versorgungsordnung eine abschließende eigenständige Regelung, die die Anrechnung einer fiktiven, auf die feste Altersgrenze hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorsieht und die einer entsprechenden Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG entgegensteht, scheidet eine Hochrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die fiktive, bei Inanspruchnahme ab der festen Altersgrenze zustehende Rente aus ( - Rn. 23).
34So verhält es sich hier. Weder ist die vorgezogene Altersrente in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 1 BetrAVG zu ermitteln noch sehen die Richtlinien 86 die Anrechnung einer fiktiven, auf das 65. Lebensjahr hochgerechneten Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor.
352. Danach hat die Beklagte dem Erblasser bis zum zu Recht eine monatliche Altersrente iHv. 641,67 Euro gezahlt. Dieser Betrag stand ihm auch über den hinaus zu. Die Beklagte hat die dem Erblasser zustehende Altersrente mit Schreiben vom zutreffend berechnet. Der Erblasser hatte bei Eintritt des Versorgungsfalls am gemäß IV Nr. 2 Satz 2 Richtlinien 86 einen Anspruch auf eine Altersrente iHv. (aufgerundet) 1.197,00 DM.
36Der Erblasser hat vom bis zum insgesamt 36 anrechnungsfähige Dienstjahre iSd. III Satz 1 und Satz 2 Richtlinien 86 bei der Beklagten zurückgelegt. Damit belief sich seine Altersrente nach VIII B Nr. 1 Buchst. a Richtlinien 86 bei Zugrundelegung eines pensionsfähigen Gehalts iHv. 4.334,00 DM auf 41 % dieses Betrags, mithin auf 1.776,94 DM (15 % für die ersten zehn Jahre, je 1 % für jedes weitere Jahr). Ausgehend von 36 Dienstjahren ergab sich nach VIII B Nr. 2 Buchst. a Richtlinien 86 eine Gesamtversorgungsobergrenze iHv. 73,25 % (65 % für die ersten 25 Dienstjahre und 0,75 % für jedes weitere Dienstjahr), mithin ein Betrag von 3.174,66 DM (73,25 % von 4.334,00 DM). Bei Eintritt in den Ruhestand am hat der Erblasser aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente iHv. 1.978,00 DM bezogen. Auf die maximale Gesamtversorgung von 3.174,66 DM ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 1.978,00 DM anzurechnen. Daraus ergibt sich bei Eintritt des Versorgungsfalls am eine Altersrente iHv. 1.196,66 DM (aufgerundet 1.197,00 DM).
37Diese Altersrente wurde von der Beklagten zum auf 1.255,00 DM angepasst. Der sich danach ergebende Betrag iHv. 641,67 Euro stand dem Erblasser auch über den hinaus weiterhin zu. Da die Beklagte dem Erblasser für die Zeit vom bis zum nur noch einen Betrag iHv. 535,00 Euro monatlich gezahlt hat, kann die Klägerin für diese Zeit eine Nachzahlung iHv. insgesamt 320,01 Euro beanspruchen.
383. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 BGB.
39IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WAAAE-82276