BFH Urteil v. - VI R 82/13 BStBl 2015 II S. 359

Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG: Eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen auf der Einkommensteuererklärung

Leitsatz

Eine Einkommensteuererklärung kann auch wirksam per Fax an das FA übermittelt werden. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige den Inhalt der Einkommensteuererklärung tatsächlich in vollem Umfang zur Kenntnis genommen hat.

Gesetze: AO § 150 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3BGB § 126EStG §§ 25 Abs. 3, 46 Abs. 2 Nr. 8 Sätze 1 und 2, 52 Abs. 55j Satz 2

Instanzenzug: (EFG 2013, 2017) (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

1 Streitig ist, ob ein wirksamer Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegt, wenn die Unterschrift des Steuerpflichtigen als Telefax eingereicht wird.

2 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2007 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

3 Die Steuerberaterin der Klägerin übermittelte dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) für das Streitjahr über das ELSTER-Portal ohne Zertifizierung eine Einkommensteuererklärung für die Klägerin. Am ging beim FA die hierzu gehörende komprimierte Einkommensteuererklärung ein. Die erste Seite (Deckblatt) dieser Erklärung war eine Telekopie (Fax) mit telekopierter Unterschrift der Klägerin.

4 Vor Einreichung der Steuererklärung hatte sich die Klägerin, die urlaubsbedingt ortsabwesend war, in einem Telefonat mit ihrer Steuerberaterin über den Inhalt der Erklärung und die darin angesetzten Beträge ausgetauscht. Ohne die Erklärung in körperlicher Form gesehen zu haben, hatte sie sich im Anschluss an dieses Telefonat mit der Einreichung der Erklärung beim FA einverstanden erklärt und zu diesem Zweck das ihr daraufhin zugefaxte Deckblatt der Erklärung unterschrieben.

5 Am unterschrieb die Klägerin erneut ein Deckblatt der Erklärung an Amtsstelle. Das FA lehnte den Antrag der Klägerin auf Veranlagung zur Einkommensteuer wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist ab.

6 Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage beantragte die Klägerin, das FA zur Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr zu verpflichten.

7 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 2017 veröffentlichten Gründen statt.

8 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

9 Es beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10 Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

11 Die Revision des FA ist unbegründet und war daher zurückzuweisen gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet, für 2007 eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen.

12 1. Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, so wird eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom (BGBl I 2007, 3150) nur durchgeführt, wenn die Veranlagung beantragt wird, insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Der Antrag ist durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG).

13 2. Das Einkommensteuergesetz enthält keine Definition des Begriffs der Einkommensteuererklärung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verknüpft § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG aber die Wirksamkeit des Antrags auf Veranlagung mit den Anforderungen an eine formal wirksame Einkommensteuererklärung. Liegt eine ordnungsgemäße Einkommensteuererklärung vor, ist die Finanzbehörde deshalb verpflichtet, die Einkommensteuerveranlagung durchzuführen. Fehlt es daran, so ist der Antrag nicht wirksam gestellt (Senatsbeschluss vom VI R 49/04, BFHE 213, 508, BStBl II 2006, 808, m.w.N.).

14 Nach § 25 Abs. 3 EStG muss die Einkommensteuererklärung eigenhändig unterschrieben sein. Eigenhändigkeit der Unterschrift bedeutet, dass sie „von der Hand” des Antragstellers bzw. des Steuerpflichtigen stammen muss (Senatsurteil vom VI R 45/97, BFHE 184, 381, BStBl II 1998, 54). Eine Blankounterschrift genügt diesen Anforderungen nicht. Denn die im bürgerlichen Recht zu § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entwickelten Grundsätze, nach denen Blankounterschriften zur Wahrung der Schriftform ausreichen, lassen sich weder unmittelbar noch analog auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung von Steuererklärungen übertragen. Dies folgt aus § 150 Abs. 2 und 3 der Abgabenordnung (AO), wonach abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage nicht nur eine Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung durch den Bevollmächtigten grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern der Steuerpflichtige auch persönlich schriftlich versichern muss, dass er die Angaben in der Einkommensteuererklärung nach bestemWissen und Gewissen gemacht hat. Dementsprechend soll der Steuerpflichtige grundsätzlich erkennbar, d.h. durch seine eigenhändige Unterschrift, die Verantwortung für die tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung übernehmen. Darüber hinaus soll durch die unmittelbar auf dem Erklärungsvordruck geleistete Unterschrift sichergestellt werden, dass sich der Steuerpflichtige über die Lückenlosigkeit und Richtigkeit der ggf. von einer dritten Person, insbesondere seinem steuerlichen Berater, vorgenommenen Eintragungen und den Umfang der im Vordruck vorgesehenen Angaben vergewissern kann (, BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13; vom VI R 16/82, BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436, und VI R 15/82, juris; vom VI R 208/83, BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77). Unter Heranziehung dieser Erwägungen hat der Senat bereits entschieden, dass eine eigenhändige Unterschrift dann nicht vorliegt, wenn der Steuerpflichtige auf einem Unterschriftsstreifen unterschreibt, der vom steuerlichen Berater nach Erstellung der Erklärung auf die für die Unterschriftsleistung vorgesehene Stelle des amtlichen Vordrucks für den Lohnsteuer-Jahresausgleich oder die Einkommensteuererklärung geklebt wird (Senatsurteil in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13). Der erkennende Senat hat des Weiteren klargestellt, dass es an einer eigenhändigen Unterschrift auch dann fehlt, wenn bei Verwendung von unterschriebenen Unterschriftszetteln dem Steuerpflichtigen vor Absendung der Steuererklärung an das FA eine „Vorausberechnung” seines Steuerberaters, aus der die Besteuerungsgrundlagen ersichtlich sind, zugegangen ist, mit der Aufforderung, dem Steuerberater etwaige Änderungen unverzüglich mitzuteilen (Senatsurteil in BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436).

15 3. Die innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist eingegangene Einkommensteuererklärung der Klägerin ist wirksam. Sie stimmt mit der im ELSTER-Verfahren erzeugten komprimierten Einkommensteuererklärung überein und ist damit, wie § 150 Abs. 1 Satz 1 AO fordert, nach amtlichem Vordruck abgegeben worden. Sie enthält auch —was zwischen den Beteiligten nicht in Streit ist— die für die Durchführung der Veranlagung erforderlichen Mindestangaben (Auskunft über den Besteuerungstatbestand und seine Bemessungsgrundlagen, vgl. Senatsbeschluss in BFHE 213, 508, BStBl II 2006, 808; , BFHE 150, 543, BStBl II 1987, 827; vom VI R 108/71, BFHE 112, 345, BStBl II 1974, 590). Die Erklärung ist ferner eigenhändig unterschrieben. Denn es liegt eine Unterschrift „von der Hand” der Klägerin vor. Dem steht nicht entgegen, dass das unterschriebene Deckblatt der Erklärung beim FA als Faxkopie eingereicht wurde. Denn sowohl die Steuererklärung als auch die Unterschrift des Steuerpflichtigen können per Fax an das FA übermittelt oder in Faxkopie beim FA vorgelegt werden. Das Formerfordernis des § 25 Abs. 3 EStG wird hierdurch gewahrt.

16 a) Es ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig ist (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 1/98, BGHZ 144, 160, m.w.N.). Dies gilt für Klagen und Rechtsmittel (vgl. , BFHE 163, 510, BStBl II 1991, 463, m.w.N.) sowie im finanzgerichtlichen Verfahren für die Einreichung der Prozessvollmacht, wenn hierfür eine Ausschlussfrist gesetzt wurde (, BFHE 156, 350, BStBl II 1989, 567, m.w.N.).

17 Für die Abgabe der Einkommensteuererklärung mit der hierfür erforderlichen Unterschrift kann nichts anderes gelten. Denn zum einen gehört zum Erfordernis der Schriftform auch die eigenhändige Unterschrift unter dem Schriftstück (, BFHE 136, 38, BStBl II 1982, 573). Zum anderen treffen die Gründe für das Erfordernis der Schriftlichkeit fristgebundener Erklärungen auch auf die Einkommensteuererklärung zu. Nach ständiger Rechtsprechung soll das Schriftlichkeitserfordernis, soweit es durch prozessrechtliche Vorschriften zwingend gefordert ist, gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung und die erklärende Person hinreichend zuverlässig festgestellt werden können. Des Weiteren soll das aus dem Schriftformerfordernis abgeleitete Gebot einer Unterschrift des Erklärenden sicherstellen, dass das Schriftstück keinen Entwurf betrifft, sondern mit Wissen und Wollen des Erklärenden an das Gericht gesandt wurde (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 1/78, BGHZ 75, 340, BVerwGE 58, 359; , BFHE 230, 115, BStBl II 2010, 1017, m.w.N.). Dieselben Zwecke verfolgen die Formerfordernisse der Steuererklärung nach § 25 Abs. 3 EStG. Auch hier soll sichergestellt werden, dass Person und Inhalt der Erklärung eindeutig festgestellt werden können und dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt. So soll vermieden werden, dass Einkommensteuererstattungen von Nichtberechtigten beansprucht und falsche Erklärungen ohne Wissen und Wollen des Steuerpflichtigen abgegeben werden können. Ferner soll —wie bereits unter 2. ausgeführt— durch die eigenhändige Unterschrift sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige die Verantwortung für die Angaben in der Steuererklärung übernimmt und sich über deren Lückenlosigkeit und Richtigkeit vergewissern kann (Senatsurteile in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13; in BFHE 140, 149, BStBl II 1984, 436; in BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77). Diese Zwecke werden aber auch dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige die Einkommensteuererklärung unterschreibt und sie per Telefax an das FA schickt. So sind hierbei etwa Inhalt und Urheberschaft gleichermaßen anhand der gemachten Angaben eindeutig erkennbar (vgl. , juris; , EFG 2003, 777; im Ergebnis auch Schmidt/Seeger, EStG, 33. Aufl., § 25 Rz 6; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 25 Rz 10; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 150 AO Rz 6; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 150 AO Rz 34). An die Abgabe einer Einkommensteuererklärung höhere Formanforderungen zu stellen als an bestimmende Schriftsätze, wäre nicht gerechtfertigt.

18 b) Unerheblich ist, ob die Klägerin tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Steuererklärung genommen oder ob ihr die Erklärung auch tatsächlich vorgelegen hat. Denn auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, hat sie sich gleichwohl mit ihrer Unterschrift auf der Erklärung deren Inhalt zu eigen gemacht und die Verantwortung dafür übernommen. Diese Ungewissheit über den Umfang der Kenntnis des Steuerpflichtigen ist im Übrigen bei jeder Steuererklärung mit diversen Anlagen, aber einer nur einmal geforderten Unterschrift gegeben und ist auch im ELSTER-Programm angelegt, das bei der komprimierten Einkommensteuererklärung die Unterschrift des Steuerpflichtigen nur auf Seite 1 des Deckblatts vorsieht. Entscheidend ist, dass der die Unterschrift tragende Teil der Steuererklärung der eingereichten Steuererklärung insgesamt eindeutig zugeordnet werden kann. Dies unterliegt vorliegend aufgrund der sich deckenden Angaben in der Faxkopie des Deckblatts sowie der übrigen Erklärung mit der elektronisch übermittelten Steuererklärung keinem Zweifel.

19 c) Mit diesem Auslegungsergebnis setzt sich der erkennende Senat nicht zur BFH-Rechtsprechung betreffend Investitionszulagenanträge (, BFH/NV 1999, 967, und III R 87/96, BFHE 188, 182, BStBl II 1999, 313, und , BFH/NV 2003, 1610) in Widerspruch. Denn diesbezüglich stand —anders als im Streitfall— die steuerstrafrechtliche Verantwortung des Steuerpflichtigen für den Inhalt des von ihm gestellten Antrags im Vordergrund.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BStBl 2015 II Seite 359
AO-StB 2015 S. 34 Nr. 2
BB 2015 S. 85 Nr. 3
BBK-Kurznachricht Nr. 3/2015 S. 108
BFH/NV 2015 S. 371 Nr. 3
BFH/PR 2015 S. 86 Nr. 3
BStBl II 2015 S. 359 Nr. 7
DB 2015 S. 13 Nr. 1
DB 2015 S. 227 Nr. 5
DB 2015 S. 6 Nr. 1
DStR 2015 S. 118 Nr. 3
DStR 2015 S. 8 Nr. 1
DStRE 2015 S. 185 Nr. 3
DStZ 2015 S. 141 Nr. 5
EStB 2015 S. 49 Nr. 2
FR 2015 S. 625 Nr. 13
GStB 2015 S. 9 Nr. 3
GmbH-StB 2015 S. 66 Nr. 3
HFR 2015 S. 97 Nr. 2
KSR direkt 2015 S. 5 Nr. 2
KÖSDI 2015 S. 19157 Nr. 1
NJW 2015 S. 10 Nr. 4
NJW 2015 S. 575 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2015 S. 84
StB 2015 S. 3 Nr. 1
StBW 2015 S. 81 Nr. 3
StBW 2015 S. 95 Nr. 3
StBp 2015 S. 86 Nr. 3
Ubg 2015 S. 108 Nr. 2
ZIP 2015 S. 5 Nr. 3
wistra 2015 S. 3 Nr. 2
WAAAE-82117