Einheitlicher Erwerbsgegenstand beim grunderwerbsteuerrechtlichen Erwerbsvorgang maßgebend
Leitsatz
1. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt.
2. Ergibt sich aus weiteren Vereinbarungen, die mit einem Grundstückskaufvertrag in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand.
3. Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln.
4. Der objektiv sachliche Zusammenhang wird indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändert haben, angenommen hat.
5. Auf der Veräußererseite können mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten können.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 8 Abs. 1, GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die A-GmbH unterbreitete der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) am ein Angebot zur Errichtung eines näher bestimmten Haustyps zu einem Festpreis in Höhe von 97.200 €. Bei dem zu errichtenden Haus handelt es sich um ein Zweifamilienhaus (sog. Stadtvilla), bei dem die Klägerin die Wohnung im Obergeschoss und ein Ehepaar, das die Klägerin erst über das Verkaufsangebot kennengelernt hatte, die Wohnung im Erdgeschoss nach entsprechender Aufteilung in Wohneigentum erhalten sollten. In dem Angebot wurde das konkrete Baugrundstück mit Straßennamen und Hausnummer näher bezeichnet und auf den Freiflächenplan zu diesem Grundstück verwiesen. Das Angebot enthält den Zusatz, dass es „zum Vertrag werde”, wenn die Finanzierungszusage einer Bank vorliege und das Grundstück notariell erworben sei. Die Klägerin nahm das Angebot am an.
2 Die Klägerin und die Eheleute erwarben durch notariell beurkundeten Vertrag vom von der D-AG das Grundstück zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 47.955 €. Auf die Klägerin entfiel entsprechend ihrem Miteigentumsanteil von 312/1000 ein Anteil in Höhe von 14.965,40 €. In dem Kaufvertrag ist die Absicht der Erwerber erwähnt, das Grundstück später in Wohnungseigentum aufzuteilen. Die A-GmbH bestätigte am die Annahme des Bauauftrags der Klägerin vom .
3 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erließ am einen Grunderwerbsteuerbescheid, in dem er die Grunderwerbsteuer ausgehend von dem Grundstückskaufpreis in Höhe von 14.961 € auf 523 € festsetzte. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Grunderwerbsteuerbescheid. Dabei rechnete es —rechnerisch unzutreffend— die gesamten Grundstückskosten und die auf die Klägerin allein entfallenden Baukosten zusammen, berücksichtigte davon 312/1000 als Bemessungsgrundlage und setzte die Grunderwerbsteuer auf 1.585 € fest. Am erließ das FA einen nach § 129 AO geänderten Bescheid, rechnete die anteiligen Grundstückskosten und die auf die Klägerin entfallenden Baukosten zur Bemessungsgrundlage und setzte die Grunderwerbsteuer auf 3.925 € fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom setzte das FA die Grunderwerbsteuer nach entsprechendem Verböserungshinweis auf 4.349 € fest. In die Bemessungsgrundlage bezog es weitere 12.100 € ein, die die Klägerin an die C-GmbH gezahlt hatte.
4 Das Finanzgericht (FG) verneinte das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands und gab der auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf den ursprünglichen Betrag von 523 € gerichteten Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1425 veröffentlicht.
5 Dagegen richtet sich die Revision des FA. Seiner Ansicht nach hat das FG bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Miteigentumsanteile an einem Gebäude auf einem unbebauten Grundstück nicht für sich allein, sondern nur durch Errichtung des betreffenden Gebäudes „hergestellt” werden können.
6 Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7 Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Entgegen der Auffassung des FG war das Grundstück im bebauten Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um die von der Klägerin an die C-GmbH gezahlten Kosten in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
9 1. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920; vom II R 7/12, BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86; vom II R 3/12, BFHE 242, 173, BStBl II 2013, 965, und vom II R 56/12, BFHE 243, 415, BStBl II 2014, 534).
10 a) Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (BFH-Urteile in BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, Rz 12; in BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86, Rz 10, und in BFHE 242, 173, BStBl II 2013, 965, Rz 11). Der objektiv sachliche Zusammenhang wird indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändert haben, angenommen hat (BFH-Urteile in BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86, Rz 10; in BFHE 242, 173, BStBl II 2013, 965, Rz 11, und vom II R 54/12, BFH/NV 2014, 1403, Rz 10, jeweils m.w.N.).
11 b) Auf der Veräußererseite können dabei mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331; vom II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269; in BFHE 239, 154, BStBl II 2013, 86, Rz 12; in BFHE 242, 173, BStBl II 2013, 965, Rz 13, und in BFH/NV 2014, 1403, Rz 11, jeweils m.w.N.).
12 2. Das FG ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat aber nicht erkannt, dass die Voraussetzungen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands „bebautes Grundstück” aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts (§ 118 Abs. 2 FGO) erfüllt sind. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.
13 a) Aufgrund der Vorplanungen der A-GmbH und des Bauvertrags vom wurde der Klägerin bereits vor Abschluss des Kaufvertrags über die Miteigentumsanteile an dem Grundstück ein bestimmtes Gebäude auf dem Grundstück zu einem feststehenden Preis angeboten. Die Klägerin hat dieses Angebot bereits vor Beurkundung des Grundstückskaufvertrags angenommen. Dass der Bauvertrag unter der aufschiebenden Bedingung des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags und der Finanzierungszusage einer Bank stand, steht der Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorgangs nicht entgegen.
14 b) Für das Zusammenwirken auf der Veräußererseite reicht es aus, dass die D-AG das Grundstück der A-GmbH zur Vermarktung „an die Hand” gegeben hatte. Das ergibt sich aus der Bezeichnung des Baugrundstücks in dem Angebot an die Klägerin und der Bezugnahme auf den Freiflächenplan zu diesem Grundstück. Weiterer Abreden über die Veräußerung und Bebauung des Grundstücks bedurfte es somit nicht.
15 3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die von der Klägerin an die C-GmbH gezahlten 12.100 € in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind. Das FG wird zunächst festzustellen haben, um welche Kosten es sich bei dem an die C-GmbH entrichteten Beträgen konkret handelt. Handelt es sich um anteilige Erschließungskosten für das gesamte Baugebiet, ist für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage entscheidend, ob das Grundstück unerschlossen oder erschlossen bzw. mit der Verpflichtung des Veräußerers, es erschlossen zu verschaffen, Gegenstand des Erwerbsvorgangs war (vgl. , BFHE 194, 452, BStBl II 2002, 93; vom II R 51/00, BFH/NV 2001, 1297, und vom II R 31/02, BFHE 204, 489, BStBl II 2004, 521; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 8 Rz 18 ff.; Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 9 Rz 279 ff.). Handelt es sich hingegen um reine Hausanschlusskosten, ist nach den dargestellten Grundsätzen zu entscheiden, ob diese von dem einheitlichen Erwerbsgegenstand erfasst sind.
16 4. Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO, die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 349 Nr. 3
XAAAE-82108