BGH Beschluss v. - NotZ (Brfg) 5/14

Erlöschen des Notaramts wegen Erreichens der Altersgrenze

Leitsatz

Die in § 48a BNotO bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren, bei deren Erreichen das Amt des Notars erlischt (§ 47 Nr. 1 BNotO), ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt auch unter Berücksichtigung neuerer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesarbeitsgerichts nicht gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters.

Gesetze: § 47 Nr 1 BNotO, § 48a BNotO, Art 1 EGRL 78/2000

Instanzenzug: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen Az: 2 Not 1/13

Gründe

I.

1Der am geborene Kläger ist Rechtsanwalt und wurde 1979 "für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Landgericht B. zum Notar für den Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichts in B." bestellt. Er beantragte mit Schreiben vom an die Präsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in B. ihm zu gestatten, das Notaramt auch nach Beendigung des 70. Lebensjahres weiter auszuüben. Der Senator für Justiz und Verfassung lehnte den Antrag ab.

2Der Kläger hat beantragt, ihm die notarielle Tätigkeit über den hinaus auf unbestimmte Dauer, mindestens jedoch bis zur Vollendung seines 75. Lebensjahres zu gestatten. Hilfsweise hat er die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt.

3Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.

II.

4Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen, ist zulässig aber unbegründet. Ein Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) ist nicht gegeben. Insbesondere hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Oberlandesgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).

51. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Senatsbeschlüsse vom (NotZ(Brfg) 21/13, ZNotP 2014, 111) und vom (NotZ 16/09, BGHZ 185, 30) sowie durch die Beschlüsse des , NJW 2011, 1131) und vom (1 BvR 1313/14), mit denen die Verfassungsbeschwerden gegen diese Entscheidungen zurückgewiesen worden sind, bereits - weitgehend - zum Nachteil des Klägers geklärt. Danach verstoßen § 47 Nr. 1 und § 48a BNotO weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303/16) (fortan: Richtlinie 2000/78/EG) folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte fest.

6Der Senat hat sich insbesondere in den Beschlüssen vom (NotZ(Brfg) 8/13, NotZ(Brfg) 11/13 und - NotZ(Brfg) 12/13 jeweils aaO) mit der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur beruflichen Altersgrenze auseinandergesetzt (aaO jeweils Rn. 5 ff.) und darauf im Beschluss vom (NotZ(Brfg) 21/13 aaO Rn. 5) Bezug genommen.

7Im Beschluss vom (NotZ(Brfg) 11/13, DNotZ 2014, 313 juris Rn. 4 ff.) hat sich der Senat ausführlich damit befasst, dass die Altersgrenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstößt, weil die für deutsche Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass andernfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit, gewährleistet wäre, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere frei machen und diesen eine Perspektive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener Zeit ausüben zu können (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom - NotZ 16/09, BGHZ 185, 30 Rn. 29).

82. Soweit der Kläger geltend macht, es habe sich mittlerweile ein Mangel an Nachwuchsinteressenten für das Anwaltsnotariat eingestellt, rechtfertigt dies nicht, die Regelung in § 48a BNotO nicht mehr anzuwenden, selbst wenn dieser Befund zutreffen und sich verstetigen sollte. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen anpasst, liegt in seinem, von den Gerichten schon aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektierenden Gestaltungsspielraum. Dass sich die Bewerberverhältnisse derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze des § 48a BNotO der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist nicht ansatzweise ersichtlich.

93. Zutreffend hat das Oberlandesgericht einen Vertrauensschutz zugunsten des Klägers durch die in der Bestallungsurkunde aufgenommene Formulierung, dass der Kläger für die Dauer seiner Zulassung als Rechtsanwalt bei dem Landgericht B. zum Notar bestellt werde, nicht entnehmen können. Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts, dass die Bestallungsurkunde keine eigene den Kläger begünstigende Regelung hinsichtlich der Dauer der Bestellung zum Notar enthält, sondern lediglich festlegt, mit welcher der in § 3 BNotO zugelassenen Notariatsformen der Kläger betraut werden sollte.

104. Unbehelflich ist der Hinweis des Klägers darauf, dass das Erlöschen des Notaramts die wirtschaftliche Sicherung seines Alters gefährde, weil die nach seiner Auffassung zu hohe Zahl der Rechtsanwälte in B. einen Ausgleich der aufgrund der Altersgrenze entgehenden Einnahmen als Notar durch die anwaltliche Tätigkeit nicht zulasse. Maßgebend für die Altersgrenze des § 48a BNotO ist die Sicherung einer geordneten Altersstruktur des aktiven Notariats und die Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive jüngerer Anwärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen, weil im Interesse einer geordneten Rechtspflege die Limitierung der Stellenanzahl nach § 4 BNotO gilt (vgl. zur Vereinbarkeit der Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare mit Art. 43 EG und Art. 49 AEUV , NJW 2011, 2941 Rn. 98). Diesen für die Altersgrenze maßgeblichen Gründen fehlt ein inhaltlicher Bezug zur Art und Weise, wie die Versorgung der Notare, deren Amt nach § 47 Nr. 1, § 48a BNotO erloschen ist, ausgestaltet ist.

115. Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV sind nicht erfüllt. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen in seinen Beschlüssen vom (NotZ 16/09, aaO Rn. 32 ff.; siehe hierzu auch BVerfG NJW 2011, 1131 Rn. 14) und vom (NotZ(Brfg) 11/12 aaO Rn. 14 und - NotZ(Brfg) 12/13 aaO Rn. 14) Bezug. Eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV scheidet nach den Maßstäben der so genannten acte-clair-Doktrin (siehe hierzu z.B. Senatsbeschlüsse vom aaO Rn. 33 f. und vom - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34) aus. Dass die notarielle Tätigkeit gemäß § 1 BNotO ein öffentliches Amt ist, wird auch durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-54/08, NJW 2011, 2941 Rn. 98) nicht in Frage gestellt (vgl. hierzu auch BVerfGE 131, 130 Rn. 131 ff.). Nach der Auffassung des Gerichtshofs ist zwar die Beurkundungstätigkeit der Notare als solche nicht im Sinne von Art. 45 Abs. 1 EG mit einer unmittelbaren und spezifischen Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden. Doch werden mit den notariellen Tätigkeiten im Allgemeininteresse liegende Ziele verfolgt, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dies stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der etwaige Beschränkungen im Sinne von Art. 43 EG rechtfertigen kann, die sich aus den Besonderheiten der notariellen Tätigkeit ergeben, wie etwa den für die Notare aufgrund der Verfahren zu ihrer Bestellung geltenden Vorgaben, der Beschränkung ihrer Zahl und ihrer örtlichen Zuständigkeit oder auch der Regelung ihrer Bezüge, ihrer Unabhängigkeit, der Unvereinbarkeit von Ämtern und ihrer Unabsetzbarkeit, soweit diese Beschränkungen zur Erreichung der genannten Ziele geeignet und erforderlich sind (vgl. aaO Rn. 93 ff.). Die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare gehört zu den Beschränkungen im Sinne von Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des allgemeinen Interesses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten. Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom (C-286/12, juris) zur Herabsetzung der Altersgrenze für ungarische Richter, Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt (aaO Rn. 60, 62 f. mwN). Der Gerichtshof hat einen Verstoß der betreffenden ungarischen Regelung gegen die Richtlinie nur deshalb beanstandet, weil die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaßnahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30 % ihres Gehalts hätten hinnehmen müssen (aaO Rn. 68, 70).

12Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Kläger aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem (Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom , BGBl. I S. 150) in Kraft befindlichen Regelungen nicht betroffen.

136. Die Kostenentscheidung folgt aus § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 154 Abs. 2 VwGO. Die Wertfestsetzung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 111g Abs. 2 Satz 1 BNotO.

Galke                      Diederichsen                       Radtke

             Strzyz                                 Frank

<Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Ergänzungs(berichtigungs)beschluss vom wurde eingearbeitet.>

Fundstelle(n):
BB 2015 S. 129 Nr. 4
DNotZ 2015 S. 227 Nr. 3
NJW 2015 S. 8 Nr. 3
NJW-RR 2015 S. 310 Nr. 5
WM 2015 S. 349 Nr. 7
AAAAE-82052