BGH Beschluss v. - IX ZB 90/12

Vergütung des Insolvenzverwalters: Berücksichtigung eines zugunsten der Masse geltend gemachtes, auf einen streitigen Gegenanspruch gestütztes Zurückbehaltungsrecht im Festsetzungsverfahren

Leitsatz

Im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters durch den Rechtspfleger kann ein zugunsten der Masse geltend gemachtes, auf einen streitigen Gegenanspruch gestütztes Zurückbehaltungsrecht nicht berücksichtigt werden.

Gesetze: § 64 Abs 1 InsO, § 273 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 10 T 38/12 Beschlussvorgehend Az: 74 IN 13/01

Gründe

I.

1Der weitere Beteiligte zu 2 ist Verwalter in dem am eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Zuvor war er am zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit Beschluss vom bestellte das Insolvenzgericht den weiteren Beteiligten zu 1 zum Sonderinsolvenzverwalter mit der Aufgabe zu prüfen, ob gegen den weiteren Beteiligten zu 2 Schadensersatzansprüche zugunsten der Masse geltend gemacht werden können. Mit weiterem Beschluss vom wurde der weitere Beteiligte zu 1 ermächtigt, die von ihm festgestellten Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Ein mit der Prüfung der Schlussrechnung des weiteren Beteiligten zu 2 beauftragter Sachverständiger beanstandete dessen Rechnungslegungen zum vorläufigen und zum eröffneten Verfahren.

2Am hat der weitere Beteiligte zu 2 beantragt, seine Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf insgesamt 18.531,10 € festzusetzen. Der weitere Beteiligte zu 1 hat dagegen Einwendungen erhoben und, gestützt auf den Bericht des Sachverständigen, ein Zurückbehaltungsrecht wegen Schadensersatzansprüchen geltend gemacht. Er hat dazu vorgebracht, wegen der Mängel der Rechnungslegung und der Buchführung des weiteren Beteiligten zu 2 müssten diese Arbeiten mit Kosten von mindestens 300.000 € nochmals ausgeführt werden. Auch habe der weitere Beteiligte zu 2 es zu vertreten, dass für den Sonderinsolvenzverwalter Gebühren in Höhe von voraussichtlich mindestens 100.000 € anfielen. Weitere Schadensersatzansprüche seien Gegenstand von anhängigen Prozessen. Im Übrigen sei der Vergütungsanspruch verwirkt und verjährt. Das Insolvenzgericht hat den Antrag des weiteren Beteiligten zu 2 als zur Zeit unbegründet zurückgewiesen mit der Begründung, es bestehe ein Zurückbehaltungsrecht, weil sich der Sonderinsolvenzverwalter auf Schadensersatzansprüche in einer den Vergütungsanspruch übersteigenden Höhe berufe, über deren Höhe noch nicht abschließend entschieden sei. Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 hat das Landgericht den angefochtenen Beschluss aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Festsetzung der Vergütung dem Grunde nach Abstand zu nehmen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der weitere Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

II.

31. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 Abs. 3 InsO), und auch im Übrigen zulässig. An die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist der Bundesgerichtshof zwar nicht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO gebunden, soweit eine Entscheidung nach dem Gesetz nicht anfechtbar ist. Denn die Zulassung des Rechtsmittels kann nicht dazu führen, dass dadurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird (, BGHZ 154, 102; vom - XII ZB 279/03, BGHZ 159, 14, 15; vom - VI ZB 10/10, NJW-RR 2011, 143 Rn. 5).

4So liegt der Fall hier aber nicht. Zwar zählt der Rechtsbeschwerdeführer als Sonderinsolvenzverwalter nicht zu den Personen, denen nach § 64 Abs. 3 InsO gegen den Beschluss über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters die sofortige Beschwerde zusteht. Das Insolvenzgericht hat ihn jedoch ermächtigt, Schadensersatzansprüche zugunsten der Masse gegen den weiteren Beteiligten zu 2 geltend zu machen. Er hat deshalb bezüglich solcher Schadensersatzansprüche die Vermögensfürsorge für die Masse wahrzunehmen. Dies umfasst die Befugnis, Vergütungsforderungen des Insolvenzverwalters durch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abzuwehren und die Interessen der Masse gegebenenfalls auch durch die Einlegung von Rechtsmitteln zu wahren (vgl. , WM 2012, 2160 Rn. 3).

52. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

6a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, gegen den Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters bestehe kein Zurückbehaltungsrecht der Masse. Schadensersatzansprüche der Masse könnten gegebenenfalls zu einer Minderung der festzusetzenden Vergütung führen, sie hinderten aber nicht bereits die Festsetzung der Vergütung. Erst wenn der Vergütungsanspruch festgestellt sei, komme ein Zurückbehaltungsrecht in Betracht. Darüber hinaus sei auch ein fälliger Gegenanspruch der Masse nicht festgestellt. Das Amtsgericht müsse deshalb über den Antrag des Insolvenzverwalters auf Festsetzung seiner Vergütung entscheiden.

7b) Das Beschwerdegericht hat richtig entschieden. Im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters nach § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 Satz 1 InsVV kann ein zugunsten der Masse geltend gemachtes, auf einen streitigen Gegenanspruch gestütztes Zurückbehaltungsrecht nicht berücksichtigt werden. Für das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters gilt nichts anderes.

8aa) Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Vergütung seiner Tätigkeit entsteht dem Grunde nach bereits mit der Arbeitsleistung. In dem durch einen Antrag des Insolvenzverwalters eingeleiteten Verfahren nach § 64 Abs. 1 InsO, § 8 Abs. 1 Satz 1 InsVV wird lediglich der Umfang seines bereits zuvor erwachsenen Anspruchs verbindlich bestimmt (, BGHZ 116, 233, 242; vom - IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 101, jeweils zu § 85 KO). Zuständig für die Festsetzung ist der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts. Dies folgt für die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters aus § 3 Nr. 2 Buchst. e RPflG. Es gilt in aller Regel aber auch für die Entscheidung über den Vergütungsantrag des vorläufigen Insolvenzverwalters. Zwar sind Entscheidungen im Insolvenzverfahren bis zu dessen Eröffnung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG dem Richter vorbehalten. Wird, wie meist, über den Vergütungsantrag des vorläufigen Verwalters aber erst im eröffneten Verfahren entschieden, fällt diese Entscheidung in die Zuständigkeit des Rechtspflegers (, WM 2010, 2122 Rn. 24 f).

9bb) Der Rechtspfleger ist hingegen nicht befugt, über eine nach Bestand und Höhe streitige Gegenforderung zu entscheiden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, dass in dem vom Rechtspfleger geführten Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Konkursverwalters oder des Verwalters im Verfahren nach der Gesamtvollstreckungsordnung die Aufrechnung eines neu bestellten Verwalters gegen den Vergütungsanspruch des früheren Verwalters mit einer streitigen Schadensersatzforderung aus prozessualen Gründen ebenso ausgeschlossen ist wie eine Aufrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO (, WM 1995, 628, 629). Gleiches gilt im Verfahren nach der Insolvenzordnung, weil auch hier die Entscheidung über den Festsetzungsantrag dem Rechtspfleger obliegt (, BGHZ 159, 122, 134). Im Schrifttum ist diese Rechtsprechung auf Zustimmung gestoßen (vgl. MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl., § 64 Rn. 18; Jaeger/Schilken, InsO, § 64 Rn. 28; Eickmann/Prasser in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2006, vor § 1 InsVV Rn. 20 ff; Uhlenbruck/Mock, InsO, 13. Aufl., § 63 Rn. 57; Schmidt/Vuia, InsO, 18. Aufl., § 64 Rn. 18; Andres/Leithaus, InsO, 3. Aufl., § 64 Rn. 7; FK-InsO/Lorenz, 7. Aufl., § 8 InsVV Rn. 37; Haarmeyer/Mock, InsVV, 5. Aufl., § 8 Rn. 51).

10cc) Im Streitfall könnte die Berufung des weiteren Beteiligten zu 1 auf Schadensersatzansprüche zugunsten der Masse als Aufrechnung auszulegen sein, weil es sich bei dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters und den gegen ihn geltend gemachten Schadensersatzansprüchen um gleichartige, auf Zahlung gerichtete Ansprüche handelt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 273 Rn. 6, 14). Über sie dürfte bereits auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung nicht im Festsetzungsverfahren entschieden werden. Aber auch dann, wenn der weitere Beteiligte zu 1 lediglich ein Zurückbehaltungsrecht geltend machte, wäre der Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren an einer Entscheidung gehindert. Scheidet eine Aufrechnung im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung aus, kann auch über ein Zurückbehaltungsrecht, das auf einen streitigen Gegenanspruch gestützt wird, nicht entschieden werden. Das Zurückbehaltungsrecht setzt nach § 273 Abs. 1 BGB - wie die Aufrechnung nach § 387 BGB - einen fälligen Anspruch des Schuldners gegen seinen Gläubiger voraus, über den, wenn er vom Gläubiger bestritten wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entschieden werden muss. Dazu ist der Rechtspfleger nicht befugt. Das Urteil des erkennenden Senats vom (IX ZR 243/09, ZIP 2010, 2209 Rn. 10) erlaubt keinen hiervon abweichenden Schluss.

11dd) Das Insolvenzgericht darf die vom Insolvenzverwalter beantragte Festsetzung seiner Vergütung auch nicht zurückstellen, bis über die geltend gemachten Gegenansprüche anderweitig rechtskräftig entschieden ist. Der durch Art. 12 GG geschützte Anspruch des Insolvenzverwalters auf Vergütung ist auf unverzügliche Erfüllung gerichtet (, WM 2002, 2476, 2477; vom - IX ZB 48/03, WM 2004, 696, 697; Urteil vom - IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 101). Deshalb hat das Gericht die Festsetzung mit der gebotenen Beschleunigung vorzunehmen. Es darf weder von der Festsetzung der Vergütung bis zu einer Entscheidung über die in Rede stehenden Gegenansprüche absehen noch den Festsetzungsantrag als derzeit unbegründet zurückweisen.

12Die vom Sonderinsolvenzverwalter zu verfolgenden Belange der Insolvenzmasse werden dabei ausreichend gewahrt. Ihm bleibt die Möglichkeit, die Schadensersatzansprüche im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen, ohne damit nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen zu sein (, WM 1995, 628, 629). Im Übrigen kann er eine selbständige Leistungsklage erheben. Bei der Bestimmung der Höhe der Vergütung im Festsetzungsverfahren nach § 64 Abs. 1 InsO können Pflichtverletzungen des Verwalters grundsätzlich nicht zu einer Minderung der Vergütung führen, weil die Vergütung des Insolvenzverwalters tätigkeitsbezogen und nicht erfolgsbezogen ist (, BGHZ 159, 122, 130; vom - IX ZB 104/05, BGHZ 168, 321 Rn. 25; zur Vergütung des Rechtsanwalts vgl. , BGHZ 184, 209 Rn. 55). Besteht die Pflichtverletzung allerdings darin, dass der Verwalter es unterlassen hat, eine ihm obliegende Tätigkeit auszuführen, die der Regelvergütung zugrunde gelegt ist, kann ein Abschlag von der Vergütung nach § 3 Abs. 2 InsVV in Betracht kommen.

13c) Der weitere Beteiligte zu 2 hat seinen Vergütungsanspruch nicht verwirkt. Unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verwirkung, der auch im Verfahren über die Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen ist, kann der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Vergütung ausgeschlossen sein, wenn dieser besonders schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzungen in Form von Straftaten zum Nachteil der Masse begangen hat. Vergütungsansprüche sind auch dann ausgeschlossen, wenn der Verwalter seine Bestellung in strafbarer Weise erschleicht und damit im eigenen wirtschaftlichen Interesse eine Gefährdung der erfolgreichen Abwicklung des Insolvenzverfahrens in Kauf nimmt (, BGHZ 159, 122, 132; vom - IX ZB 248/09, WM 2011, 1522 Rn. 6 f). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

14d) Der Vergütungsanspruch des weiteren Beteiligten zu 2 ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht verjährt. Die Verjährung des Vergütungsanspruchs für die vorläufige Verwaltung ist bis zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens gehemmt (, WM 2010, 2122 Rn. 30 ff).

Kayser                    Gehrlein                        Fischer

              Grupp                        Möhring

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
DB 2014 S. 7 Nr. 49
DStR 2015 S. 10 Nr. 3
WM 2014 S. 2329 Nr. 49
ZIP 2014 S. 2450 Nr. 50
ZIP 2014 S. 93 Nr. 48
AAAAE-81080