„Unternehmer dürfen nicht mit Umsatzsteuer belastet werden!“
Rückwirkende Rechnungsberichtigungen – der EuGH muss wieder mal helfen
Vergangene Woche war eine gute Woche für die Umsatzsteuer. Das Niedersächsische Finanzgericht hat in seiner Presseinformation vom mitgeteilt, dass es das Verfahren mit dem Az. 5 K 40/14 ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt hat, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen einer Rechnungsberichtigung in der Umsatzsteuer Rückwirkung zukommen kann. Mit seinem Vorlagebeschluss beweist das Gericht Mut und Weitsicht. Denn diese Frage hat grundlegende Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht, insbesondere für den Vorsteuerabzug. Im Falle einer positiven Antwort aus Luxemburg hätten sich viele Streitigkeiten in der Umsatzsteuer erledigt, da keine teuren Nachzahlungszinsen nach § 233a AO (6 % p. a.) mehr drohen würden.
Häufiger Zankapfel in Außenprüfungen ist die Versagung des Vorsteuerabzugs mangels Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung. Denn eine Rechnung ist nicht ordnungsgemäß, wenn einzelne Rechnungsmerkmale i. S. von §§ 14, 14a UStG fehlen. Die Betriebsprüfung geht danach mit einem schönen Mehrergebnis nach Hause, wohl wissend, dass der Steuerpflichtige sich eine neue – ordnungsgemäße – Rechnung ausstellen lassen kann und dann – jedoch mit Wirkung ex nunc – den Vorsteuerabzug zugesprochen bekommt. Dem Fiskus bleiben letztlich die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, die mit 6 % p. a. für ihn durchaus lukrativ sind. Diese Verzinsung würde allerdings entfallen, wenn die rückwirkende Berichtigung von Rechnungen zulässig wäre. Eine solche wurde aber bisher von den Finanzbehörden gebetsmühlenartig abgelehnt. Da halfen auch die EuGH-Urteile in der Rs. „Pannon Gép“ und in der Rs. „Petroma Transports“ nichts. Diese Verfahren ergingen nicht zu deutschem Recht, so dass die hiesigen Finanzbehörden bislang die stille Hoffnung hegten, dass in Deutschland alles beim Alten bleiben kann. Nun aber kommt (endlich) Bewegung in die Diskussion.
Im Streitfall vor dem Niedersächsischen Finanzgericht war die Steuernummer des Leistenden nachträglich ergänzt worden. Das Finanzgericht hat deshalb dem EuGH die Frage vorgelegt, ob – und ggf. unter welchen Bedingungen – einer Rechnungsberichtigung Rückwirkung zukommen kann. Auch wird vom EuGH die Frage zu klären sein, ob die Rechnungsberichtigung noch rechtzeitig ist, wenn sie erst im Rahmen eines Einspruchsverfahrens erfolgt. Bis der EuGH eine Entscheidung trifft, kann dem Steuerpflichtigen daher nur empfohlen werden, sich in solchen Fällen schnellstmöglich um die Ergänzung des Rechnungsdokuments nach § 31 Abs. 5 UStDV zu kümmern und die berichtigte Rechnung bis spätestens zum Ende der Betriebsprüfung der Veranlagungsstelle des Finanzamts (und ggf. auch dem Betriebsprüfer) zu übermitteln.
Das Verfahren ist ein trauriger Beleg für den zunehmenden Formalismus in der Umsatzsteuer. Haben wir keine anderen Probleme in Deutschland, als tagtäglich Millionen von Rechnungen daraufhin zu prüfen, ob sie sämtliche Merkmale enthalten? Der europäische Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer gebietet etwas anderes: Unternehmer dürfen nicht mit Umsatzsteuer belastet werden! Diese Devise sollte für uns alle stets Gebot und Mahnung zugleich sein.
Thomas Küffner
Fundstelle(n):
NWB 2014 Seite 3593
NWB BAAAE-79695