BFH Beschluss v. - II B 46/14

Wiedereinsetzung: Führung eines Fristenkontrollbuchs oder eines elektronischen Fristkalenders beim Finanzamt

Gesetze: FGO § 56, FGO § 62 Abs. 4 Satz 4, FGO § 116 Abs. 3

Instanzenzug: ,

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) hat die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

2 1. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils des Finanzgerichts (FG) zu begründen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Das Urteil des FG wurde dem FA am zugestellt. Die Begründungsfrist lief gemäß § 54 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung am Montag, den ab. Eine Begründung enthielt erst der am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangene Schriftsatz vom .

3 2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Begründungsfrist kann nicht gewährt werden.

4 a) Nach § 56 Abs. 1 FGO ist einem Beteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei schließt jedes Verschulden, also auch einfache Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Beschlüsse vom X R 14/13, BFH/NV 2014, 567, Rz 11, und vom IX R 41/13, BFH/NV 2014, 881, Rz 10, je m.w.N.).

5 aa) Bei der Beurteilung, ob eine Behörde sich die Versäumung einer gesetzlichen Frist als schuldhaft anrechnen lassen muss, gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe, wie sie die Rechtsprechung für das Verschulden von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe entwickelt hat (BFH-Beschlüsse vom I R 9/12, BFH/NV 2013, 47, Rz 10; vom VIII R 40/10, BFH/NV 2013, 397, Rz 7, und vom IV R 24/10, BFH/NV 2013, 1251, Rz 24, je m.w.N.). Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigten steht somit dem eigenen Verschulden des FA gleich (, BFH/NV 1993, 6; BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 397, Rz 7). Die für die Bearbeitung von Rechtsmitteln zuständigen Beschäftigten des FA, die die Befähigung zum Richteramt haben und daher gemäß § 62 Abs. 4 Satz 4 FGO zur Vertretung des FA vor dem BFH berechtigt sind, haben dabei zumindest die Stellung eines Bevollmächtigten inne (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 6).

6 bb) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung müssen innerhalb der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimmten Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom XI R 13/12, BFH/NV 2013, 60, Rz 13, 19, und vom IX B 115/13, BFH/NV 2014, 896, Rz 4). Sie müssen ferner bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO).

7 Stellt ein FA den Antrag, muss es vortragen, welche Maßnahmen zur Überwachung der Einhaltung der Fristen im Amtsbetrieb getroffen sind. Dabei ist zu beachten, dass ebenso wie ein Prozessbevollmächtigter auch der Vorsteher des FA verpflichtet ist, ein Fristenkontrollbuch (oder einen elektronischen Fristenkalender, vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 567) zu führen, in dem jegliche Fristen, u.a. auch die Fristen zur Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln, zu vermerken sind (BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 397, Rz 8 f., m.w.N.).

8 b) Diese Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind im Streitfall nicht erfüllt.

9 aa) Zur Begründung des Antrags vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bringt das FA vor, die für die Bearbeitung der Beschwerde zuständige Bedienstete (B), die gemäß § 62 Abs. 4 FGO zur Vertretung vor dem BFH berechtigt sei (Beschwerdeschrift vom ), habe das Datum, zu dem die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde spätestens dem BFH vorliegen müsse, aufgrund eines Versehens fehlerhaft in ihren Kalender eingetragen. Sie habe die Eintragung versehentlich für eine falsche Woche (Überblättern der richtigen Woche) vorgenommen. Es habe sich dabei um einen rein manuellen Übertragungsfehler gehandelt. Auf die Fristversäumnis sei sie durch den Hinweis des aufmerksam geworden.

10 bb) Aus dieser Begründung des Antrags geht nicht substantiiert und in sich schlüssig hervor, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt sind. Die Eintragung von Fristen in die Kalender der jeweiligen zur Vertretung des FA vor dem BFH berechtigten Beschäftigten des FA kann die Führung eines Fristenkontrollbuchs oder elektronischen Fristenkalenders durch den Vorsteher des FA nicht ersetzen. Beschäftigte des FA, die zur Vertretung des FA vor dem BFH berechtigt sind und demgemäß die Befähigung zum Richteramt haben (§ 62 Abs. 4 Satz 4 FGO), handeln zudem fahrlässig, wenn sie bei der Eintragung von Fristen in ihre Kalender nicht darauf achten, für welchen Tag sie die Eintragung vornehmen. Davon abgesehen ist der Vortrag des FA auch insofern unsubstantiiert und unschlüssig, als das FA nicht mitgeteilt hat, an welchem Tag die Frist nach der vorgenommenen Berechnung enden sollte, von welcher Unterlage B die Frist in den Kalender übertragen hat und welchen Tag sie als Fristende in dem Kalender notiert hat. Ablichtungen dieser Unterlagen hat das FA ebenfalls nicht vorgelegt.

11 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 49 Nr. 1
MAAAE-79661