Instanzenzug: S 4 R 178/10
Gründe:
1Mit Urteil vom hat das Hessische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben verneint.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., M. beantragt.
3Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
6Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
7Die Klägerin misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, ob "§ 9 SGB IX als lex specialis gegenüber der allgemeineren Bestimmung in § 13 SGB VI" Vorrang habe bzw "das Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB IX nur in den Grenzen des für den Träger geltenden Wahlrechts (gemeint wohl: Leistungsrechts) auszuüben sei".
8Sie hat es allerdings versäumt, deren Klärungsbedürftigkeit ausreichend darzulegen.
9Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Ebenso kann der Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts entfallen ( - Juris RdNr 5; - Juris RdNr 11). Im Hinblick hierauf muss die Beschwerdebegründung unter Auswertung des maßgeblichen Gesetzes und der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vortragen, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 183 mwN). Hieran fehlt es.
10Die Klägerin geht zum einen nicht auf § 7 SGB IX ein. Nach S 1 dieser Bestimmung gelten die Vorschriften des SGB IX für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt. Gemäß § 7 S 2 SGB IX richten sich Zuständigkeit und Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen. Dass und ggf warum sich aus diesen Regelungen die Frage eines Vorrangverhältnisses zwischen § 9 SGB IX und § 13 SGB VI nicht beantworten lässt, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
11Zum anderen setzt sie sich nicht in der gebotenen Weise insbesondere mit dem Urteil des 1. Senats des - BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7) auseinander. Die Klägerin weist diesbezüglich lediglich darauf hin, dass sich die Entscheidung nur mit der Frage beschäftige, ob das Wunsch- und Wahlrecht Versicherter den Leistungsanspruch über die gesetzlichen Grenzen hinaus erweitere. Sie legt aber nicht dar, dass sich aus dem Urteil noch nicht einmal Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben.
12Hinsichtlich des im dortigen Fall geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der Kosten einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme hat der 1. Senat des BSG (aaO, jeweils RdNr 12 ff, 15 f, 18 f) ausgeführt, dass sich die Ermessensentscheidung bei der Bestimmung einer zugelassenen Rehabilitations-Vertragseinrichtung vorrangig nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls (§ 40 Abs 3 S 1 SGB V) sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) richte und erst nachrangig das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten nach § 9 SGB IX zu berücksichtigen sei. Der 1. Senat des BSG hat demnach das Wunsch- und Wahlrecht iS von § 9 SGB IX nicht als Regelung angesehen, die die Vorschriften des SGB V verdrängt, sondern hat dieses Recht neben den die Entscheidung bestimmenden Kriterien nach dem SGB V als weiteres - wenngleich nachrangiges - Abwägungskriterium bewertet. Dass und ggf warum diese Erwägungen nicht auf das Verhältnis von § 9 SGB IX und § 13 SGB VI übertragbar sind, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.
13Die fehlende, zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit aber erforderliche Auseinandersetzung mit dem Gesetz und der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann die Klägerin auch nicht dadurch kompensieren, dass sie auf die Abweichung des angefochtenen Berufungsurteils von einer anderen Entscheidung des Hessischen LSG und unterbliebene Ausführungen zur Frage des effektiven Rechtsschutzes verweist.
14Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
15Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann der Klägerin für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. nicht gewährt werden (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO).
16Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstelle(n):
VAAAE-79590