BGH Beschluss v. - V ZB 189/13

Abschiebungshaftanordnung: Verstoß gegen die EG-Richtlinie über die Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bei Unterbringung des Betroffenen auf dem Gelände einer Justizvollzugsanstalt

Gesetze: § 62a Abs 1 S 2 AufenthG, Art 16 Abs 1 S 1 EGRL 115/2008

Instanzenzug: Az: 8 T 50/12vorgehend Az: 43 XIV 253/12

Gründe

I.

1Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das gegen den Betroffenen, einen kosovarischen Staatsangehörigen, Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis einschließlich angeordnet. Die Haft wurde in einem separaten Gebäude, in dem nur Abschiebungshaftgefangene untergebracht sind, auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Hannover, Abteilung Langenhagen, vollzogen. Am wurde der Betroffene in den Kosovo abgeschoben. Seine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

2Das Beschwerdegericht hält die Inhaftierung für rechtmäßig. Insbesondere sei der Betroffene in einer speziellen Hafteinrichtung für Abschiebungsgefangene untergebracht gewesen.

III.

3Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt.

41. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Unterbringung von Abschiebungshäftlingen in einer Justizvollzugsanstalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG in Deutschland unzulässig. Die in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie enthaltene Ausnahme ist nicht einschlägig, weil in mehreren deutschen Bundesländern spezielle Einrichtungen vorhanden sind (vgl. und C-514/13). § 62a Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist in diesem Sinne richtlinienkonform auszulegen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 137/14, juris Rn. 8). Im Hinblick auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Rechts der Union (effet utile) muss der Haftrichter die Anordnung von Sicherungshaft ablehnen, wenn absehbar ist, dass der Betroffene rechtswidrig untergebracht werden wird (Senat, Vorlagebeschluss vom - V ZB 40/11, NVwZ 2014, 166 Rn. 20; Beschluss vom - V ZB 137/14, juris Rn. 5).

52. So lag es hier. Da sich der Betroffene aufgrund der vorher ergangenen einstweiligen Anordnung in der Justizvollzugsanstalt Hannover, Abteilung Langenhagen, befand, war im Zeitpunkt der Haftanordnung absehbar, dass er dort weiterhin untergebracht werden würde. Die Justizvollzugsanstalt Hannover, Abteilung Langenhagen, in der bis zum auch Strafgefangene die Strafhaft verbüßten (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 17/1535, S. 53), war keine spezielle Hafteinrichtung im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG. Der Umstand, dass die Abschiebungshäftlinge in einem separaten Gebäude auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt untergebracht waren, ändert nichts daran, dass es sich um eine Unterbringung in einer gewöhnlichen Haftanstalt handelte (Senat, Beschluss vom - V ZB 137/14, Rn. 9, juris). Aus diesem Grund hätten die Vorinstanzen sicherstellen müssen, dass der Vollzug der Haft in einer speziellen Hafteinrichtung außerhalb des Landes Niedersachsen gewährleistet war (vgl. Senat, Vorlagebeschluss vom - V ZB 40/11, NVwZ 2014, 166 Rn. 11, 20).

6Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Stresemann                                Schmidt-Räntsch                               Roth

                         Brückner                                          Weinland

Fundstelle(n):
PAAAE-78743