Vergütung Teilzeitbeschäftigter - Einzelhandel NRW
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Herford Az: 2 Ca 604/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 8 Sa 1225/12 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Berechnung der Vergütung einer Teilzeitbeschäftigten im Einzelhandel Nordrhein-Westfalens.
2Die Klägerin ist seit dem bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt und arbeitet seit dem in Teilzeit mit einer vereinbarten Arbeitszeit von 80 Stunden monatlich. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt den Tarifverträgen für die Beschäftigten im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Der Manteltarifvertrag vom idF des Ergänzungstarifvertrags vom (im Folgenden: MTV) regelt ua.:
3Im Streitzeitraum erhielt die Klägerin ein Bruttomonatsentgelt von 1.081,94 Euro, das die Beklagte auf der Basis von 1/163 des Entgelts einer entsprechenden Vollbeschäftigten je Stunde errechnete.
4Mit Schreiben vom machte die Klägerin Differenzvergütung iHv. 4 Cent brutto pro Stunde „rückwirkend für sechs Monate“ in einer Gesamthöhe von 19,20 Euro brutto erfolglos geltend.
5Mit der der Beklagten am zugestellten Klage hat die Klägerin ihren Anspruch weiterverfolgt und geltend gemacht, für die Berechnung der Vergütung einer Teilzeitbeschäftigten sei die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten von 37,5 Stunden mit 4,33 zu multiplizieren und von 162,49 Monatsstunden auszugehen. Danach ergebe sich - ausgehend von dem tariflichen Gehalt einer entsprechenden Vollbeschäftigten iHv. 2.204,00 Euro brutto - für die Klägerin ein Bruttostundenlohn von 13,56 Euro. Die Berechnungsmethode der Beklagten führe hingegen zu einem Bruttostundenlohn von nur 13,52 Euro.
6Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung einer Teilzeitbeschäftigten im Einzelhandel Nordrhein-Westfalens sei in Anlehnung an § 4 Abs. 4 Satz 1 MTV pro Stunde mit einem 1/163 des Monatsgehalts einer Vollbeschäftigten anzusetzen.
8Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin - unter Anwendung eines neuen Rechenwegs - ihre Forderung in Höhe von 18,66 Euro brutto nebst Zinsen weiter.
Gründe
9Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
10I. Der Streitgegenstand ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
11Die Klägerin hat zwar in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Monate benannt, für die sie jeweils Differenzvergütung begehrt, sondern lediglich ausgeführt, der Leistungsantrag beziehe sich „auf die Differenzbeträge der letzten sechs Monate“. Aus dem Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom ergibt sich jedoch unter Berücksichtigung der sechsmonatigen Ausschlussfrist (§ 24 Abs. 1 Buchst. c MTV) und in Zusammenschau mit der Regelung zur Fälligkeit des Entgelts (§ 10 Abs. 7 Satz 1 MTV), dass damit die Monate Juli bis Dezember 2011 gemeint sein müssen. Das hat die Klägerin in der Revisionsbegründung ausdrücklich klargestellt.
12II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf eine weitere Vergütung in Höhe der in der Revision verlangten 3,11 Euro brutto monatlich. Das folgt aus § 10 Abs. 5 MTV.
131. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden nach nicht angegriffener Feststellung des Landesarbeitsgerichts die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG). Überdies ist deren Geltung - unstreitig - arbeitsvertraglich vereinbart.
142. Nach § 10 Abs. 5 MTV haben Teilzeitbeschäftigte Anspruch auf ein monatliches Tarifentgelt, das dem Verhältnis ihrer vereinbarten Arbeitszeit zu der dem tariflichen Entgelt eines Vollbeschäftigten zugrundeliegenden Arbeitszeit entspricht. Das bedeutet zum einen, dass teilzeitbeschäftigte Angestellte im Einzelhandel Nordrhein-Westfalens keinen Stundenlohn, sondern - wie die Vollbeschäftigten - ein Monatsgehalt erhalten. Zum anderen bemisst sich dieses nach der Formel tarifliches Entgelt einer (vergleichbaren) Vollbeschäftigten x vereinbarte Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten : 37,5 (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MTV).
15Damit verbietet sich - wie die Klägerin in der Revision einräumt - ein „Herunterrechnen“ des Entgelts einer Teilzeitbeschäftigten auf einen Stundenlohn, der mit einem - fiktiven - Stundenlohn einer Vollbeschäftigten verglichen wird. Ebenso wenig sieht § 10 Abs. 5 MTV die von der Beklagten angewandte Berechnungsmethode, die Vergütung einer Teilzeitbeschäftigten pro Arbeitsstunde mit 1/163 des Monatsgehalts einer Vollbeschäftigen anzusetzen, vor, obwohl den Tarifvertragsparteien eine derartige Vergütungsregel nicht fremd ist. So erhalten kaufmännische Aushilfen nach § 2 Abs. 5 Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom (im Folgenden: GTV) „je Stunde 1/163 des tariflichen Monatsgehaltes“.
163. Weil dem tariflichen Monatsentgelt einer Vollbeschäftigten eine wöchentliche Arbeitszeit zugrunde liegt, funktioniert die Berechnung nach § 10 Abs. 5 MTV nur dann reibungslos, wenn mit den Teilzeitbeschäftigten ebenfalls eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart wird. Verständigen sich hingegen Arbeitgeber und Teilzeitbeschäftigte - wie im Streitfall - auf eine monatliche Arbeitszeit, stellt sich für die Anwendung des § 10 Abs. 5 MTV die Notwendigkeit, aus der monatlichen Arbeitszeit die Arbeitszeit zu ermitteln, die durchschnittlich auf eine Woche entfällt. Wie diese angesichts dessen, dass nur der nicht in ein Schaltjahr fallende Monat Februar exakt vier Wochen umfasst, zu berechnen ist, ergibt sich aus § 10 Abs. 5 MTV nicht. Offenbar sind die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, mit den Teilzeitbeschäftigten werde - entsprechend den tariflichen Vorgaben für Vollbeschäftigte - stets eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart. Ein entsprechendes Gebot enthalten § 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 MTV jedoch nicht.
174. Es ist deshalb aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang zu ermitteln, von welcher Monatsarbeitszeit die Tarifvertragsparteien bei der normierten wöchentlichen Arbeitszeit der Vollbeschäftigten rechnerisch ausgegangen sind.
18a) Entgegen der Auffassung der Revision bietet § 2 Abs. 2 MTV dafür keinen ausreichenden Anknüpfungspunkt. Dieser Bestimmung lässt sich - allenfalls - der allgemeine Grundsatz entnehmen, in Fällen der wechselnden wöchentlichen Arbeitszeit sei die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit auf der Basis von 52 Wochen zu errechnen (so - zum inhaltsgleichen § 2 Abs. 2 MTV 1985 - - zu III 4 b der Gründe). Darum geht es vorliegend aber nicht. Vielmehr ist eine (rechnerische) monatliche Arbeitszeit der Vollbeschäftigten und deren Verhältnis zur tariflich festgelegten wöchentlichen Arbeitszeit zu ermitteln, um daraus Erkenntnis für die zur Anwendung der Formel des § 10 Abs. 5 MTV erforderliche „Umrechnung“ der arbeitsvertraglich vereinbarten Monatsarbeitszeit einer Teilzeitbeschäftigten in eine wöchentliche Arbeitszeit zu gewinnen.
19b) § 4 Abs. 4 Satz 1 MTV deutet darauf hin, dass der regelmäßigen Arbeitszeit der Vollbeschäftigten von wöchentlich 37,5 Stunden eine monatliche Arbeitszeit von 163 Stunden entspricht. Anderenfalls wäre nicht nachzuvollziehen, warum die Grundvergütung Vollbeschäftigter für Mehrarbeitsstunden 1/163 des Monatsentgelts beträgt.
20Für eine derartige (rechnerische) Monatsarbeitszeit der Vollbeschäftigten spricht zudem die Entgeltregelung für kaufmännische Aushilfen, die je Stunde 1/163 des tariflichen Monatsgehalts erhalten, § 2 Abs. 5 GTV.
21c) Auch die Tarifpraxis scheint mit einer Monatsarbeitszeit Vollbeschäftigter von 163 Stunden zu operieren. So rechnet der Landesbezirk Nordrhein-Westfallen der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di mit 163 Monatsstunden, wenn er in den Verlautbarungen zur „Tarifrunde Einzelhandel NRW 2011“ mitteilt, in der untersten Gehaltsgruppe (Bruttomonatsgehalt 1.386,00 Euro im ersten, 1.467,00 Euro im zweiten und 1.549,00 Euro im dritten Jahr der Tätigkeit) sei ein Stundenlohn von 8,50 Euro im ersten, von 9,00 Euro im zweiten und von 9,50 Euro im dritten Tätigkeitsjahr durchgesetzt worden.
22d) Dass einer Arbeitszeit von 37,5 Stunden wöchentlich rechnerisch fast exakt 163 Monatsstunden entsprechen, lässt sich zudem naturwissenschaftlich fundieren. Dividiert man 37,5 Wochenstunden durch die sieben Tage einer Woche und multipliziert das Ergebnis mit den 365,2422 Tagen des mittleren tropischen Jahres (auch Sonnen- oder Äquinoktial-Jahr genannt), also der Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Frühlingspunkt (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Bd. 11 Stichwort Jahr), ergibt sich eine Jahresarbeitszeit von 1.956,65 Stunden, die - geteilt durch 12 - monatlich 163,05 Stunden entspricht.
235. Wird nach alledem bei der Anwendung des § 10 Abs. 5 MTV rechnerisch eine durchschnittliche Monatsarbeitszeit von 163 Stunden zugrunde gelegt, beträgt das Verhältnis der tariflich normierten Wochenarbeitszeit der Vollbeschäftigten zu deren Monatsarbeitszeit (gerundet) 4,347. Diese Zahl ist als Divisor bei der für die Berechnung der Vergütung einer Teilzeitbeschäftigten nach § 10 Abs. 5 MTV erforderlichen Umrechnung einer vereinbarten Monatsarbeitszeit in eine wöchentliche Arbeitszeit anzuwenden. Die (rechnerische) wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin beträgt somit (80 : 4,347 =) 18,40 Stunden.
246. Das tarifliche Bruttomonatsgehalt einer entsprechenden Vollbeschäftigten betrug im Streitzeitraum 2.204,00 Euro. Die monatliche Bruttovergütung der Klägerin berechnet sich nach § 10 Abs. 5 MTV auf 2.204,00 Euro x 18,40 Stunden : 37,5 Stunden = 1.081,43 Euro. Mit der Zahlung von 1.081,94 Euro hat die Beklagte den Entgeltanspruch der Klägerin vollständig erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB.
25III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2014 S. 2899 Nr. 50
DAAAE-77616