Mitteilungen im Rahmen des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte
1 Allgemeines
Gegen einen Rechtsanwalt oder einen Patentanwalt, der seine Berufspflichten verletzt, kann eine berufsgerichtliche Maßnahme verhängt werden. Zuständig für die Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens ist die jeweilige Berufskammer.
Verstößt ein Notar gegen seine Amtspflichten, kann gegen ihn eine Missbilligung ausgesprochen oder eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden. Zuständig für die Einleitung der entsprechenden Verfahren ist die Aufsichtsbehörde (§ 92 BNotO).
Über die Ahndung von Berufs- oder Amtspflichtverletzungen hinaus ist die Zulassung als Rechtsanwalt oder als Patentanwalt zurückzunehmen oder zu widerrufen sowie ein Notar (vorläufig) seines Amtes zu entheben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen (z. B. fehlende Berufshaftpflichtversicherung, Vermögensverfall) gegeben sind. [1]
Insbesondere hinsichtlich der Erteilung von Auskünften und der Weitergabe von Informationen ist es von Bedeutung, ob es sich um ein Verfahren zur Ahndung von Pflichtverletzungen oder aber um ein Widerrufs- bzw. Amtsenthebungsverfahren handelt.
2 Berufs- und Amtspflichtverletzungen
2.1 Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte müssen ihren Beruf entsprechend den in den jeweiligen berufsordnenden Gesetzen geregelten Grundsätzen ausüben.
Einzelheiten zu den Berufs- und Amtspflichten ergeben sich aus den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom , BStBl 2014 I S. 1195, Tz. 1.2. [2]
2.2 Offenbarungsbefugnis
2.2.1 § 10 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) regelt die Mitteilungsbefugnis der Finanzbehörden bei Verdacht einer Berufs- oder Amtspflichtverletzung durch die in §§ 3, 3 a und 4 Nrn. 1 und 2 StBerG genannten Personen und ist damit eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO.
Zu diesem Personenkreis gehören auch Rechtsanwälte, Notare und Patentanwälte, sodass eine Mitteilung für diese Berufsangehörigen nach dem StBerG möglich ist.
2.2.2 Die Mitteilungsberechtigung beschränkt sich nicht nur auf Pflichtverletzungen bei der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen, sondern betrifft auch Pflichtverletzungen, die nicht unmittelbar bei der Berufsausübung begangen wurden (z. B. Verfehlungen in eigenen Steuerangelegenheiten).
Ein Anfangsverdacht reicht für die Annahme einer Berufs- oder Amtspflichtverletzung allerdings grundsätzlich nicht aus. Auch wenn erkennbar ist, dass sich trotz bekannt gewordener Tatsachen und tatsächlicher Umstände eine Pflichtverletzung nicht nachweisen lassen wird, ist auf eine Mitteilung zu verzichten.
Es liegt nicht im Rahmen des Ermessens der Finanzbehörde, ob sie Pflichtverletzungen den zuständigen Stellen mitteilt. Allerdings ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, sodass die Tatsachen zu gewichten und ihre Bedeutung für ein Rügeverfahren oder ein berufsgerichtliches Verfahren einzuschätzen sind.
2.2.3 Es sind nur solche Pflichtverletzungen mitzuteilen, die aufgrund ihrer Gewichtung für die Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen als ausreichend angesehen werden. Eine Mitteilung kommt insbesondere bei schwerwiegenden Berufs- oder Amtspflichtverletzungen, die im Interesse der Integrität und einer ordnungsgemäßen Ausübung des Berufsstands oder Amtes eine Ahndung erfordern, in Betracht. In Bagatellfällen (§ 398 AO) ist im Allgemeinen von einer Mitteilung abzusehen.
2.2.4 Ein Rechtsanwalt verletzt u. a. seine Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung gem. § 43 BRAO, wenn er sich der Steuerhinterziehung i. S. des § 370 AO schuldig gemacht hat. Die berufsrechtliche Wertung dieses Fehlverhaltens bleibt von einer erstatteten Selbstanzeige unberührt. Die Selbstanzeige stellt lediglich einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar. Die Ahndung einer Berufspflichtverletzung setzt nicht die Strafbarkeit der schuldhaft begangenen rechtswidrigen Tat voraus. [3]
2.3 Verfahren
2.3.1 Im Interesse einer einheitlichen Handhabung informiert das Finanzamt, das die Pflichtverletzung festgestellt hat, die zuständigen Stellen nicht direkt, sondern berichtet unaufgefordert der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Abteilung Zentrale Aufgaben (Z), die über eine Unterrichtung der Berufskammer oder bei Notaren der Aufsichtsbehörde entscheidet.
Ist wegen der Pflichtverletzung gleichzeitig auch das zuständige Finanzamt für Fahndung und Strafsachen mit der Sache befasst, so hat dieses zu berichten. Liegt eine Berufs- oder Amtspflichtverletzung vor, ist bereits dann zu berichten, wenn ein ausreichender Verdacht besteht; der Ausgang eines etwaigen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahrens ist nicht abzuwarten.
Ausgenommen vom Verbot einer unmittelbaren Mitteilung an die für die Verfolgung von Pflichtverletzungen zuständigen Stellen bleiben Mitteilungen nach § 411 AO.
2.3.2 Im Bericht sind nur die Tatsachen anzugeben, die im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Berufs- oder Amtspflichtverletzung für die Ermittlung des Sachverhalts von Bedeutung sind. Über den objektiven Tatbestand hinaus ist auch zu der Frage Stellung zu nehmen, aus welchen Umständen geschlossen wird, dass der Berufsangehörige schuldhaft gehandelt hat. Der Bericht muss den Sachverhalt so darstellen, dass er ohne Hinzuziehung weiterer Unterlagen verständlich ist. Bei Berichten über Pflichtverletzungen in eigenen Steuerangelegenheiten ist außerdem anzugeben, welche steuerlichen Maßnahmen gegen den Berufsangehörigen durchgeführt worden sind und ob der Betroffene sich ggf. auch bei der Erledigung der Steuerangelegenheiten von Mandanten pflichtwidrig verhalten hat.
2.3.3 Sofern zur Erläuterung zusätzliche Unterlagen notwendig sind (z. B. Teile der Steuerakten, Bußgeldbescheide, Stellungnahmen, gerichtliche Entscheidungen), sind diese dem Bericht in Kopie beizufügen. Verhältnisse Dritter sind zu neutralisieren, soweit sie für den Nachweis einer Berufs- oder Amtspflichtverletzung nicht relevant sind. Ist in gleicher Sache ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig, sollte im Bericht das dortige Aktenzeichen angegeben werden.
2.3.4 Änderungen im Verfahren sind unaufgefordert zeitnah zu ergänzen.
3 Rücknahme bzw. Widerruf der Zulassung als Rechtsanwalt oder als Patentanwalt
3.1 Die Zulassung als Rechtsanwalt oder als Patentanwalt ist u. a. dann zu widerrufen, wenn der Berufsangehörige in Vermögensverfall geraten ist, d. h. wenn der Anwalt wegen ungeordneter wirtschaftlicher Verhältnisse außer Stande ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und davon ausgegangen werden kann, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer Eintragung in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis nach §§ 26 Abs. 2 InsO, 882 b ZPO liegt Kraft gesetzlicher Vermutung ein Vermögensverfall vor. [4]
Vollstreckbare Steuerschulden von mehr als 25.000,– EUR i. V. m. der Nichteinhaltung von Tilgungsvereinbarungen sind ein deutlicher Hinweis auf einen Vermögensverfall.
Lediglich in Ausnahmefällen, in denen Mandanteninteressen nicht gefährdet sind, ist von einem Widerruf abzusehen; die Beweislast hierfür obliegt dem Berufsangehörigen.
Zuständig für das Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahren sind bei Rechtsanwälten die örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammern und bei Patentanwälten die Patentanwaltskammer in München. [5]
3.2 Offenbarungsbefugnis
§ 36 Abs. 2 Satz 3 BRAO und § 34 Abs. 2 Satz 3 PAO enthalten für die Mitteilung rückständiger Steuerschulden eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, sodass das Steuergeheimnis einer Unterrichtung der zuständigen Stelle nicht entgegensteht.
3.3 Verfahren
Auch bei dem Verdacht des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalts oder Patentanwalts informiert das Finanzamt im Interesse einer einheitlichen Handhabung nicht direkt die Rechtsanwaltskammer bzw. Patentanwaltskammer, sondern berichtet unaufgefordert der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Abteilung Z.
4 Amtsenthebung als Notar
4.1 Ein Notar ist u. a. dann seines Amtes zu entheben, wenn er in Vermögensverfall geraten ist, d. h. wenn er wegen ungeordneter wirtschaftlicher Verhältnisse außer Stande ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen und davon ausgegangen werden kann, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer Eintragung in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis nach §§ 26 Abs. 2 InsO, 882 b ZPO liegt Kraft gesetzlicher Vermutung ein Vermögensverfall vor. [6]
Die Einleitung eines Verfahrens zur Amtsenthebung eines Notars ist gem. § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO aber auch geboten, „wenn seine wirtschaftlichen Verhältnisse, die Art seiner Wirtschaftsführung oder die Durchführung von Verwahrungsgeschäften die Interessen der Rechtsuchenden gefährden”.
4.1.1 Die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars durch die Aufsichtsbehörden ist – unabhängig von der Höhe der Steuerrückstände – demnach bereits dann erforderlich, wenn Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Wirtschaftsführung des Notars vorliegen und hierdurch Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit begründet werden.
Das ist insbesondere der Fall, wenn Vollstreckungsmaßnahmen gegen einen Notar erforderlich sind, da die Wirtschaftsführung eines Notars die Interessen der Rechtsuchenden bereits dann i. S. des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO gefährdet, wenn sie Gläubiger dazu zwingt, wegen ihrer berechtigten Forderungen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. [7]
4.1.2 Unerheblich ist dabei, dass der Notar die Forderungen des Finanzamts möglicherweise bestreitet. Wenn keine Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide gewährt wurde, müssen die festgesetzten Beträge beglichen werden. [8]
Im Übrigen begründen auch Schätzungen des Finanzamts mangels Erfüllung der Erklärungspflichten des Notars Zweifel an seiner ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung. [9]
4.1.3 Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO dient dem Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung. Es genügt bereits eine abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, zu konkreten Missständen bei der notariellen Tätigkeit muss es noch nicht gekommen sein.
Unerheblich ist ebenso, ob der Notar seine belastende wirtschaftliche Situation selbst verschuldet hat. [10]
4.1.4 Ein Notar kann seinen Pflichten nur nachkommen, wenn er stets Zugriff auf die Konten hat, auf denen Fremdgelder eingehen. Ist das wegen vorläufiger Zahlungsverbote nicht der Fall und kann er die Vollstreckung auch nicht abwenden, muss die zuständige Aufsichtsbehörde ihn vorläufig seines Amtes entheben. [11]
4.1.5 Die Amtsenthebung als Notar obliegt dem Präsidenten des jeweils zuständigen Oberlandesgerichts. [12]
Kommt das Oberlandesgericht seiner Pflicht zur Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars nicht nach, besteht außerdem die Gefahr, dass Amtshaftungsansprüche gegen die Aufsichtsbehörde ausgelöst werden. Gegenüber einem Rechtsuchenden kann sich im Einzelfall die Amtspflicht des zuständigen Oberlandesgerichts ergeben, ein auf die Amtsenthebung des Notars gerichtetes Verfahren einzuleiten. Die Rechtsprechung bejaht einen Amtshaftungsanspruch gegen die Aufsichtsbehörde, wenn ein Notar nicht rechtzeitig seines Amtes enthoben wird und dadurch einem Rechtsuchenden ein Schaden entsteht.
4.1.6 Die Oberlandesgerichte sind zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht auf die Mitteilung von Tatsachen angewiesen, die den Verdacht begründen, dass die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 8 BNotO bei einem Notar vorliegen.
Insbesondere Steuerrückstände können einen Anhaltspunkt dafür liefern, dass ein Notar in Vermögensverfall geraten ist [13]oder zumindest die Art der Wirtschaftsführung Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit begründet. [14]
4.2 Offenbarungsbefugnis
Das Steuergeheimnis steht einer Mitteilung über die Höhe rückständiger Steuerschulden an die zuständige Stelle nicht entgegen, da gem. § 64 a Abs. 2 Satz 3 BNotO eine gesetzliche Offenbarungsvorschrift i. S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO vorliegt.
5 Verfahren
Im Interesse einer einheitlichen Handhabung bitte ich, der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, Abteilung Z, unaufgefordert zu berichten
bei jeder gegen einen Notar eingeleiteten Kontopfändung, sobald die ordnungsgemäße Zustellung der Pfändungsverfügung durch den Rücklauf der Zustellungsurkunde nachgewiesen ist oder
wenn gegen einen Notar erstmalig andere Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet wurden und nach sechs Wochen weiterhin vollstreckbare Rückstände bestehen oder
wenn gegen einen Notar wiederholt, d. h. mehr als zwei Mal, Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden mussten oder
wenn andere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Notars bzw. die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet werden.
Anzugeben sind die Höhe der vollstreckbaren Rückstände sowie die ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen.
Ggf. bei den Finanzämtern eingehende Anfragen der Oberlandesgerichte zu Steuerrückständen eines Notars bitte ich ebenfalls an die Abteilung Z weiterzuleiten.
OFD Niedersachsen v. - S
0824 - 31 - Z
138
Fundstelle(n):
AO-Kartei
NI StBerG § 10 Anhang
K Karte 4
MAAAE-77344
1§ 14 BRAO, § 21 PAO, § 50 BNotO
2vgl. Karte 1 zu § 10 StBerG
3 (Rn. 20) und (Rn. 18)
4§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, § 21 Abs. 2 Nr. 8 PAO
7 (juris)
8 a. a. O.
9 a. a. O.
10 a. a. O.