BSG Urteil v. - B 14 AS 25/13 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Zufluss der Arbeitsentgeltzahlung für mehrere Monate in einem Monat - Mehrfachabsetzung des Grundfreibetrags und des Erwerbstätigenfreibetrages

Leitsatz

Fließt einem Leistungsberechtigten mit nur einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb eines Monats in mehreren Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt zu, so ist auch das weitere Einkommen um den Grundfreibetrag für jeden dieser Monate gesondert zu bereinigen.

Gesetze: § 19 Abs 3 S 1 SGB 2 vom , § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom , § 11 Abs 2 S 2 SGB 2 vom , § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB 2 vom , § 11 Abs 2 S 1 Nr 6 SGB 2 vom , § 30 S 1 SGB 2 vom , § 30 S 2 Nr 1 SGB 2 vom , § 2 Abs 2 S 1 AlgIIV 2008 vom

Instanzenzug: Az: S 17 AS 570/11 Gerichtsbescheidvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 11 AS 810/11 Urteil

Tatbestand

1Streitig sind die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Januar 2011 und eine entsprechende Erstattungsforderung wegen der Höhe von Absetzbeträgen bei "doppeltem" Zufluss von Arbeitsentgelt.

2Die 1959 geborene, alleinstehende Klägerin bezog seit November 2006 von dem Rechtsvorgänger des Beklagten (im Folgenden: Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im November 2010 nahm sie eine Tätigkeit als Raumpflegerin zu einem Stundenlohn von 7 Euro im Umfang von monatlich 19 Stunden auf, deren Vergütung sie anfangs jeweils zu Beginn des Folgemonats erhielt. Darauf bewilligte der Beklagte ihr für den Zeitraum vom 1.1. bis zunächst unter Anrechnung geschätzter Einkünfte von 400 Euro Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 320,68 Euro (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts 119 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung 201,68 Euro; Bescheid vom ) und setzte die Leistung nach Erhalt der Bescheinigung über den Eingang des Dezembergehalts von 133 Euro am für diesen Zeitraum auf 534,28 Euro fest (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts 332,60 Euro, Bedarfe für Unterkunft und Heizung 201,68 Euro; Bescheid vom ). Diese Bewilligung hob er nach Anhörung der Klägerin für die Zeit vom 1. bis in Höhe von 106,40 Euro teilweise wieder auf und setzte eine Erstattungsforderung in gleicher Höhe fest, nachdem der Arbeitgeber der Klägerin dazu übergegangen war, das laufende Arbeitsentgelt bereits zum Monatsende auszuzahlen und deshalb das Entgelt für Januar 2011 in Höhe von 133 Euro bereits am auf ihrem Konto eingegangen war (Bescheid vom ).

3Widerspruch, Klage und Berufung mit dem Ziel, bei der Anrechnung des Januargehalts ein weiteres Mal den Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II (idF des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige <Freibetragsneuregelungsgesetz> vom , BGBl I 2407; im Folgenden: § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF; seit dem nunmehr: § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, im Folgenden § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II nF) zu berücksichtigen, sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom , Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom , Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom ). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die (Teil-)Aufhebung der Alg II-Bewilligung für den Zeitraum vom 1. bis in Höhe von 106,40 Euro sei nicht zu beanstanden, denn der Grundfreibetrag für Januar 2011 gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF von 100 Euro stehe der Klägerin nur einmal zu und es gebe keinen Anlass, den Zahlungseingang auf ihrem Konto am in Abweichung vom Zuflussprinzip für die Bedarfsberechnung im Januar 2011 außer Betracht zu lassen.

4Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF. Bei Zufluss von zwei Monatslöhnen aus demselben Arbeitsverhältnis innerhalb eines Kalendermonats seien die hiernach zustehenden Freibeträge jeweils für jeden Monatslohn in Abzug zu bringen. Zwar müssten die Einnahmen, die in einem Monat zugeflossen sind, auch grundsätzlich in diesem Monat angerechnet werden. Sofern Freibeträge betroffen seien, sei dieses Zuflussprinzip jedoch zu modifizieren. Nach ihrem Sinn und Zweck könne die Berücksichtigung nicht davon abhängen, wann das Arbeitsentgelt zur Auszahlung gelangt sei.

5Die Klägerin beantragt,unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom sowie des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Nürnberg vom den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben, soweit der Aufhebungs- und Erstattungsbetrag über 26,40 Euro hinausreicht.

6Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Gründe

7Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass das neben dem Dezembergehalt auf den Alg II-Anspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 1. bis anzurechnende Gehalt für Januar 2011 nur um den Freibetrag bei Erwerbstätigkeit nach § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II (in der bis zum unveränderten und gemäß § 77 Abs 3 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG hier weiter anwendbaren Fassung des Freibetragsneuregelungsgesetzes; im Folgenden: § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II aF) und nicht auch um den Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF zu bereinigen ist; das wird dem Zweck dieses Freibetrags nicht gerecht.

81. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , durch den der Beklagte seine mit Bescheid vom geänderte Alg II-Bewilligung für den Zeitraum vom 1.1. bis wegen des Zuflusses des Januargehalts am in Höhe von 106,40 Euro teilweise aufgehoben hat und Erstattung in gleicher Höhe verlangt. Zur Überprüfung gestellt ist damit diese Änderung durch die Teilaufhebung so, wie sie sich auf die Bewilligung durch den - der Sache nach auf § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gestützten - Änderungsbescheid vom auswirkt. Das betrifft - anders als das LSG angenommen hat - diese Entscheidung nicht als Ganzes. Regelnde Wirkung hat die Teilaufhebung vielmehr nur für den Regelbedarf gemäß § 20 SGB II (hier in der insoweit am in Kraft getretenen Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Hat der Grundsicherungsträger die Leistung für den Regelbedarf - wie im Bescheid vom hier auch - neben der für Unterkunft und Heizung durch gesonderte Verfügung als abtrennbaren Teil des Gesamtbescheids bewilligt (vgl - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; zur neuen Rechtslage - zur Veröffentlichung vorgesehen), dann beschränken sich die Regelungswirkungen späterer Änderungsbescheide - von vollständigen Aufhebungen abgesehen - auf den Verfügungssatz, auf den sich die Änderung bezieht. Das ist nach den Umständen hier die Verfügung über die Leistung für den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts - ggf einschließlich hiervon nicht weiter abtrennbarer, vorliegend nach den nicht angegriffenen und daher bindenden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) Feststellungen des LSG indes nicht bestehender Mehrbedarfe (vgl etwa - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 12) -, nachdem durch den Gehaltszufluss vom über 133 Euro nur der Regelbedarf teilweise gedeckt und dieser daher gemäß § 19 Abs 3 Satz 2 SGB II (hier in der insoweit am in Kraft getretenen Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) nur dort zu berücksichtigen war (ebenso - zur Veröffentlichung vorgesehen). Gegen diese nachträgliche Änderung wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

92. Rechtsgrundlage des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides ist § 40 SGB II iVm § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und § 50 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sowie § 19 Abs 3 Satz 1 SGB II und § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II (in der bis zum unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954; im Folgenden: § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF). Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist - ohne Ausübung von Ermessen - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Eine solche wesentliche Änderung ist bezogen auf die bei Erlass des hier maßgeblichen Bewilligungsbescheids vom vorliegenden tatsächlichen Umstände mit Zufluss des Januargehalts am zwar eingetreten. Zur Deckung des Regelbedarfs von 364 Euro - nicht wie vom LSG angenommen von 359 Euro (§ 20 Abs 2 Satz 1 SGB II idF des insoweit rückwirkend zum in Kraft getretenen RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) - als Einkommen zu berücksichtigen davon waren jedoch nur weitere 26,40 Euro und damit von dem im Januar zugeflossenen Arbeitsentgelt insgesamt nur 52,80 Euro, und nicht 132,80 Euro wie vom Beklagten in Ansatz gebracht (dazu unter 4.).

103. Zutreffend im Ausgangspunkt ist allerdings, dass das nach der unangegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellung des LSG am auf einem Konto der Klägerin eingegangene Gehalt für Januar 2011 nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF und § 2 Abs 2 Satz 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V; hier in der insoweit bis zum unverändert gebliebenen Fassung vom , BGBl I 2942; im Folgenden: Alg II-V aF) bei der Berechnung der Ansprüche der Klägerin für den Zeitraum vom 1. bis zu berücksichtigen ist. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach § 19 Abs 1 und 2 SGB II erbracht, soweit diese nicht ua durch zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt sind (§ 19 Abs 3 Satz 1 SGB II). Zu berücksichtigendes Einkommen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG (§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF). Dabei sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 2 Abs 2 Satz 1 Alg II-V aF bzw nunmehr § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II). Trotz Zuflusses erst am letzten Tag des Monats war danach neben dem Anfang Januar 2011 gezahlten Gehalt für Dezember 2010 - von den gebotenen Absetzungen abgesehen - auch das Ende Januar 2011 gutgeschriebene Januargehalt im Januar zur Deckung des Lebensunterhalts der Klägerin einzusetzen.

114. Zu Unrecht aber hat das LSG entschieden, dass von dem Ende Januar 2011 zusätzlich zugeflossenen Arbeitsentgelt nur der Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II aF ein weiteres Mal abzusetzen ist: Fließt einem Leistungsberechtigten mit nur einem Beschäftigungsverhältnis innerhalb eines Monats in mehreren Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt zu, so ist auch das weitere Einkommen um den Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF für jeden dieser Monate gesondert zu bereinigen.

12a) Nach der durch das Freibetragsneuregelungsgesetz begründeten Regelung des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II aF - Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben - "ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen". Liegen die Ausgaben für diese Beträge über 100 Euro monatlich, sind sie im tatsächlichen Umfang abzusetzen, wenn das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro beträgt und die Ausgaben nachgewiesen werden (§ 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF bzw § 11b Abs 2 Satz 2 SGB II nF).

13b) Motiv für die Einführung dieser Grundfreibetragsregelung kurz nach Inkrafttreten des SGB II war wesentlich das Ziel, den Anreiz für die Aufnahme oder Aufrechterhaltung nicht bedarfsdeckender Erwerbstätigkeit spürbar zu verstärken (ebenso bereits - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 19). Leitend dafür war die Einschätzung, dass sich die Integration erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgrund der Lage auf dem Arbeitsmarkt schwierig gestalte und insbesondere Langzeitarbeitslosen häufig nur die Möglichkeit offen stehe, im Bruttolohnbereich bis 400 Euro (Mini-Job) eine Beschäftigung aufzunehmen. Deshalb sei das mit der bisherigen Hinzuverdienstregelung verfolgte Ziel, insbesondere die Aufnahme bedarfsdeckender Erwerbstätigkeiten dadurch zu fördern, dass die Einnahmen oberhalb von 400 Euro besonders privilegiert werden, zu modifizieren. Anstelle der Besserstellung von Einnahmen oberhalb von 400 Euro (vgl bis dahin § 30 Nr 2 SGB II in der bis zum Inkrafttreten des Freibetragsneuregelungsgesetzes geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954) sollten stärkere Anreize zur Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch für Mini-Jobs geboten werden. Dazu werde ein Grundfreibetrag von 100 Euro eingeführt, bis zu dem das Einkommen ohne Anrechnung auf die Leistungen bleibe; das bewirke eine deutliche Erhöhung der Hinzuverdienstmöglichkeiten im Niedriglohnbereich (vgl BT-Drucks 15/5446, S 4).

14c) Der von diesen Erwägungen getragenen Umgestaltung der Hinzuverdienstregeln durch das Freibetragsneuregelungsgesetz wird die Einkommensbereinigung beim Zufluss von mehr als einem Monatsgehalt innerhalb eines Monats jedenfalls bei Hinzuverdiensten aus nur einem Beschäftigungsverhältnis nur gerecht, wenn sie den Zeitraum berücksichtigt, in dem das zu bereinigende Einkommen erarbeitet und für das es bezahlt worden ist. Diese Umgestaltung hat - anders als es das LSG gesehen hat - keine isoliert zu betrachtenden Regularien der Einkommensfreistellung hervorgebracht. Ungeachtet des anfänglich unterschiedlichen Regelungsstandorts sind § 11 Abs 2 Satz 2 aF einerseits und § 30 SGB II aF andererseits vielmehr Teil einer einheitlichen und aufeinander bezogenen Hinzuverdienstregelung. Das ist systematisch zwischenzeitlich bereits durch die Überführung des § 30 SGB II aF in die nunmehr einheitlich gefasste "Bereinigungsvorschrift" des § 11b SGB II deutlich geworden. Ebenso kam der Zusammenhang dem Wortlaut nach schon anfänglich darin zum Ausdruck, dass der Freibetrag nach § 30 SGB II aF als "weiterer Betrag" abzusetzen ist (§ 30 Satz 1 SGB II aF; inhaltlich ebenso nunmehr § 11 Abs 3 Satz 1 SGB II nF), er den Grundfreibetrag also ergänzt (ebenso - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 19). Demzufolge ist das von der Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II schlechterdings freigestellte Erwerbseinkommen zwar nicht mehr ausschließlich nach festen Vomhundertsätzen bemessen (bis : 15 vH für den Bruttolohn bis 400 Euro, zusätzliche 30 vH für den Bruttolohn zwischen 400 Euro und 900 Euro und weitere 15 vH für den Bruttolohn zwischen 900 Euro und 1500 Euro, vgl § 30 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt), sondern zusammengesetzt aus dem festen Sockel nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF und dem prozentual bemessenen Zusatzfreibetrag nach § 30 SGB II aF für Einkünfte oberhalb von 100 Euro (zu dieser gesamthaften Betrachtung vgl auch BT-Drucks 15/5446, S 5). Das lässt indes nicht den Schluss zu, dass der volle Freibetrag nach der gesetzlichen Konzeption nunmehr nur noch für Monate absetzbar sein soll, in denen Erwerbseinkommen tatsächlich zufließt. Darauf zielt die Umgestaltung der Freibetragsregelung ersichtlich nicht; im Gegenteil soll sie mit Blick gerade auf den Niedriglohnbereich gewährleisten, dass für jeden Monat entlohnter Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt Arbeitsentgelt in Höhe von mindestens 100 Euro frei von der Anrechnung auf das Alg II bleibt. Deshalb wird die für die Einführung des Grundfreibetrags zentrale Anreizfunktion evident verfehlt, wenn beim Zufluss eines über einen Zeitraum von mehreren Monaten erarbeiteten Erwerbseinkommens innerhalb eines Monats anstelle der vom Gesetzgeber intendierten Freistellung von Hinzuverdiensten in Höhe von jedenfalls 100 Euro der Grundfreibetrag nur einmal zur Absetzung kommt (im Ergebnis ebenso - juris RdNr 27 f; aA Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 11b RdNr 28).

15d) Dazu besteht grundsicherungsrechtlich auch sonst kein Anlass. Zwar ist der Alg II-Anspruch auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt (vgl zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom - B 14 AS 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 27 ff mwN). Dies zwingt indes nicht dazu, auch bei Einkommensabsetzungen ausschließlich auf die im Zuflussmonat angefallenen Absetzbeträge abzustellen. Im Gegenteil hat das BSG bei der Absetzung der mit der Erzielung des Einkommens getätigten Aufwendungen schon in der Vergangenheit auf den Zeitraum abgehoben, in dem sie entstanden sind (vgl - SozR 4-4200 § 11 Nr 22 RdNr 19 - Insolvenzgeld). Ähnlich hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Vorschrift zur Bereinigung einmaliger Einnahmen in § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II (idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vorgesehen, dass bei der Verteilung der - um die Absetzbeträge im Zuflussmonat bereinigten - Einnahmen monatlich weitere Absetzbeträge zu berücksichtigen sind, soweit sie in den einzelnen Monaten des Verteilzeitraums anfallen (vgl BT-Drucks 17/3404 S 95; ebenso - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 33 - Krankengeld). Anderes verlangt schließlich auch der Monatsbegriff selbst nicht, weil es bei der hier in Rede stehenden Einkommensbereinigung im Unterschied zum Zuflussprinzip nicht um die Frage geht, in welchem Zeitraum Einkommen bedarfsdeckend einzusetzen ist, sondern darum, wann zu berücksichtigende Aufwendungen angefallen sind (vgl Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11b RdNr 9: Aufwendungen sind abzusetzen, wenn sie abfließen). Entsprechend ist der Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF beim Zufluss eines über einen Zeitraum von mehreren Monaten erarbeiteten Erwerbseinkommens innerhalb eines Monats jedenfalls dann für jeden dieser Monate gesondert abzusetzen, wenn der Grundfreibetrag andernfalls jedenfalls bei Erwerbseinkommen aus nur einem Beschäftigungsverhältnis - wie hier - mangels Zahlungseingangs in einzelnen Monaten überhaupt nicht abgesetzt werden könnte.

16e) Dem steht nicht entgegen, dass mit der Neugestaltung der Hinzuverdienstregelung durch das Freibetragsneuregelungsgesetz auch Zwecke der Verwaltungsvereinfachung verfolgt worden sind. Das trifft zwar insoweit zu, als seither die Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II aF (bzw seit dem : § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II nF) im Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF aufgehen, solange sie bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit in Höhe von mindestens 400 Euro einen Betrag von 100 Euro nicht übersteigen; das sollte die Ermittlung des Selbstbehalts für Verwaltung und Leistungsbezieher transparenter machen (vgl BT-Drucks 15/5446, S 4). Schon die Höhe des Grundfreibetrags zeigt aber, dass darin nicht der Schwerpunkt der Regelung liegt, wie das LSG angenommen hat: Beschäftigungen mit monatlichen Arbeitsentgelten von - wie hier - knapp über 100 Euro würden schwerlich aufgenommen, wenn zugleich die vom Grundfreibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF verdrängten Beträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II aF - vor allem also: die bei Ausübung der Tätigkeit anfallenden Werbungskosten - an 100 Euro heranreichen würden. Zu der vom Gesetzgeber intendierten Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch in nicht bedarfsdeckendem Umfang wird es vielmehr nur kommen, wenn auch unter Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II aF ein hinreichender Anteil des Hinzuverdienstes zur eigenen zusätzlichen Verwendung der Leistungsbezieher verbleibt. Dem widerspräche es, den Grundfreibetrag in Fällen wie dem vorliegenden nur einmal abzusetzen.

175. Hiervon ausgehend beschränkt sich der zusätzlich zu berücksichtigende Anteil des am zugeflossenen Gehalts für Januar 2011 und damit die hierdurch bedingte rechtlich wesentliche Änderung bezogen auf die Verhältnisse bei Erlass des Änderungsbescheids vom auf eine Minderung des Alg II-Anspruchs der Klägerin für Januar 2011 um 26,40 Euro (133 Euro - 100 Euro = 33 Euro, davon 20 vH = 6,60 Euro; 33 Euro - 6,60 Euro = 26,40 Euro). Ohne Bedeutung für das prozessuale Begehren der Klägerin bleibt hingegen die rückwirkende Erhöhung des Regelbedarfes zum um 5 Euro (vgl § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), nachdem sie eine den Betrag von 26,40 Euro übersteigende Aufhebung der angefochtenen Bescheide nicht beantragt hat.

186. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:170714UB14AS2513R0

Fundstelle(n):
KAAAE-77109