Kündigung zum "nächstzulässigen Termin" - Sonderkündigungsschutz einem schwerbehinderten Menschen Gleichgestellter
Gesetze: § 242 BGB, § 2 Abs 2 SGB 9, § 2 Abs 3 SGB 9, § 68 Abs 1 SGB 9, § 68 Abs 2 SGB 9, § 68 Abs 3 SGB 9, § 69 SGB 9, § 85 SGB 9, § 158 Abs 2 BGB
Instanzenzug: ArbG Bad Hersfeld Az: 1 Ca 247/11 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 7 Sa 1790/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärten Kündigung.
2Die Beklagte betreibt einen Büromarkt. Der 1964 geborene Kläger war bei ihr seit dem als Servicetechniker beschäftigt. Außer ihm war eine weitere Mitarbeiterin tätig. Im Arbeitsvertrag vom war ua. bestimmt:
3Im Jahre 2007 traten bei der Beklagten wirtschaftliche Probleme auf. In deren Verlauf schlug ihr Geschäftsführer der H KG (im Folgenden: KG) den Kläger als Mitarbeiter vor. Diese arbeitete im Rahmen des technischen Kundenservice in der Weise mit der Beklagten und anderen Unternehmen zusammen, dass sie die Kundenaufträge annahm, zentral koordinierte und zu ihrer Ausführung ihre eigenen Servicetechniker entsandte, während die Kunden die Rechnung mit einem Briefkopf des für sie zuständigen Service-Unternehmens - etwa der Beklagten - erhielten. Unter dem schloss der Kläger einen Arbeitsvertrag mit der KG. Danach war er für diese ab dem als Positions-/Servicetechniker tätig. Die KG beschäftigte rund 30 Servicetechniker.
4Die Beklagte händigte dem Kläger in der Folge ein Zeugnis, den Sozialversicherungsnachweis und die Lohnsteuerkarte aus.
5Der Kläger erhielt einzelne Arbeitsanweisungen weiterhin vom Geschäftsführer der Beklagten. Diese beschäftigte seit Juni 2011 zwei weitere Mitarbeiter. Unter dem übersandte die Beklagte dem Kläger ein Kündigungsschreiben. Darin heißt es:
6Der Kläger hat sich gegen die Kündigung rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie kein konkretes Beendigungsdatum enthalte. Außerdem habe es sich um ein einheitliches Arbeitsverhältnis mehrerer Arbeitgeber gehandelt. Zum Zeitpunkt der Kündigung habe er zwei Arbeitgeberinnen gehabt, welche je für sich das Weisungsrecht eines Arbeitgebers beansprucht hätten. Die Beklagte und die KG führten einen Gemeinschaftsbetrieb, so dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Die Kündigung sei überdies deshalb unwirksam, weil es die Beklagte unterlassen habe, ihn zuvor anzuhören, und weil sie eine Maßregelung nach § 612a BGB darstelle. Sie sei ausgesprochen worden, nachdem er Vergütungsansprüche eingeklagt habe. Schließlich fehle es an der notwendigen Beteiligung des Integrationsamts. Der Kläger hat behauptet, er habe die Beklagte mit Telefax vom davon in Kenntnis gesetzt, dass er - im März 2011 - einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt habe. Das Versorgungsamt habe mit Bescheid vom einen Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Daraufhin habe er einen Antrag auf Gleichstellung gestellt. Dass er dies nicht schon vor Ausspruch der Kündigung habe tun können, habe nicht er zu vertreten. Durch Bescheid vom sei er mittlerweile mit Wirkung vom einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden.
7Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unter allen aufgeführten Gesichtspunkten wirksam.
9Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Erteilung eines Endzeugnisses verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt dieser sein Klagebegehren weiter.
Gründe
10Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen (I.). Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den - echten - Hilfsantrag auf Erteilung eines Endzeugnisses hat damit Bestand (II.). Der auf Weiterbeschäftigung während des laufenden Rechtsstreits gerichtete - unechte - Hilfsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen (III.).
11I. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum aufgelöst.
121. Die Kündigung enthält keine Bedingung, die ihrer Wirksamkeit im Wege stünde. Auch eine „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung drückt den Willen des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Der Zusatz „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ macht lediglich deutlich, dass der Arbeitgeber sich in erster Linie auf einen anderen Beendigungstatbestand beruft, auf dessen Rechtswirkungen er nicht verzichten will ( - Rn. 44; - 2 AZR 36/53 - zu III der Gründe, BAGE 1, 110). Die „hilfsweise“ oder „vorsorglich“ erklärte Kündigung steht unter einer - zulässigen ( - Rn. 19; - 2 AZR 54/12 - aaO) - auflösenden Rechtsbedingung iSv. § 158 Abs. 2 BGB. Ihre Wirkung endigt, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgelöst worden ist ( - Rn. 20; - 2 AZR 54/12 - aaO). Diese Bedingung ist im Streitfall nicht eingetreten. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht bereits durch einen anderen Beendigungstatbestand aufgelöst worden. Der Abschluss des Arbeitsvertrags mit der KG hat nicht zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geführt. Der Arbeitsvertrag mit der KG enthielt keine dem Formerfordernis des § 623 BGB genügende Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien (vgl. dazu - Rn. 26).
132. Die Kündigung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb unwirksam, weil im Kündigungsschreiben ein konkretes Beendigungsdatum nicht ausdrücklich genannt ist. Einer solchen Angabe bedurfte es nicht.
14a) Eine Kündigung muss als empfangsbedürftige Willenserklärung so bestimmt sein, dass der Empfänger Klarheit über die Absichten des Kündigenden erhält. Der Kündigungsadressat muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis aus Sicht des Kündigenden beendet sein soll. Aus der Erklärung oder den Umständen muss sich deshalb zumindest ergeben, ob eine fristgemäße oder eine fristlose Kündigung gewollt ist ( - Rn. 46; - 2 AZR 148/05 - Rn. 20, BAGE 116, 336). Ob dies hinreichend deutlich wird, richtet sich nach den Verhältnissen bei Ausspruch der Kündigung ( - aaO; - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).
15b) Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen sind alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte ( - Rn. 14; vgl. auch - 6 AZR 151/08 - Rn. 30 mwN, BAGE 129, 265).
16c) Das Erfordernis der Bestimmtheit einer ordentlichen Kündigung verlangt vom Kündigenden nicht, den Beendigungstermin als konkretes kalendarisches Datum ausdrücklich anzugeben. Es reicht aus, wenn der gewollte Beendigungstermin für den Kündigungsempfänger zweifelsfrei bestimmbar ist ( - Rn. 47; vgl. auch APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen D Rn. 20; APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 66c; HaKo-KSchR/Fiebig/Mestwerdt 4. Aufl. Einl. Rn. 18; MüKoBGB/Hesse 6. Aufl. § 620 Rn. 78; Staudinger/Oetker (2012) Vorb. zu §§ 620 ff. Rn. 125; Eisemann NZA 2011, 601; Muthers RdA 2012, 172, 176; Fleddermann ArbRAktuell 2011, 347; Raab RdA 2004, 321, 326).
17aa) Auch eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ ist hinreichend bestimmt, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist ( - Rn. 15; vgl. auch Muthers Anm. RdA 2012, 172, 176; Raab RdA 2004, 321, 326). Sie ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt ( - Rn. 49; - 2 AZR 714/08 - Rn. 12, BAGE 135, 278). Der vom Erklärenden gewollte Beendigungstermin ist damit objektiv eindeutig bestimmbar. Dies ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die rechtlich zutreffende Frist für den Kündigungsadressaten leicht feststellbar ist und nicht umfassende tatsächliche Ermittlungen oder die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen erfordert ( - aaO). Ob es anderenfalls an der hinreichenden Bestimmtheit der Kündigung fehlte, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
18bb) Eine Kündigung ist nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll ( - Rn. 15; vgl. auch - 7 AZR 407/79 - zu I der Gründe).
19d) Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Kündigungserklärung der Beklagten vom als ordentliche Kündigung zum .
20aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Beklagte habe mit dem Schreiben vom eine ordentliche Kündigung erklärt. Die Formulierung, es werde „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ gekündigt, lässt - ohne dass es Anhaltspunkte dafür gäbe, der Arbeitgeber wolle sich auf einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB berufen - nicht erkennen, die Kündigung solle als außerordentliche (fristlos) erklärt werden. Die Wendung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ spricht dafür, dass die Kündigung zu einem erst in der Zukunft liegenden, sich aus der zutreffenden Kündigungsfrist ergebenden Termin wirken solle. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund müsste für den Erklärungsempfänger zweifelsfrei die Absicht des Erklärenden erkennen lassen, von der sich aus § 626 Abs. 1 BGB ergebenden besonderen Kündigungsbefugnis Gebrauch zu machen ( - zu II 1 der Gründe, BAGE 37, 267). Sie kann sich aus einer entsprechenden Bezeichnung - etwa als fristlose Kündigung - oder aus sonstigen Umständen der Erklärung, insbesondere einer beigefügten Begründung ergeben ( - aaO). An beidem fehlt es hier.
21bb) Auch der angestrebte Beendigungstermin war für den Kläger zweifelsfrei bestimmbar. Er errechnete sich aus der maßgeblichen, vom Arbeitsvertrag in Bezug genommenen tariflichen Frist von fünf Monaten zum Monatsende.
22(1) Gemäß § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrags der Parteien vom waren die Bestimmungen ua. des Manteltarifvertrags des Hessischen Einzelhandels (MTV) in Bezug genommen. Nach § 16 Nr. 5 Abs. 2 MTV - sowohl in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung vom als auch in der bei Kündigungszugang geltenden Fassung vom - beträgt die tarifliche Kündigungsfrist nach einer Beschäftigungszeit von zehn Jahren fünf Monate zum Monatsende. Die gesetzliche Frist gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB hätte nur vier Monate zum Monatsende betragen. Schon deshalb galt die für den Kläger günstigere tarifliche Frist. § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags kam bei zutreffendem Verständnis nicht zur Anwendung. Er regelt allein die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses geltende Grundkündigungsfrist. Diese weicht in zulässiger Weise zugunsten des Klägers von der gesetzlichen Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB ab. Dagegen kann den Parteien nicht unterstellt werden, sie hätten in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags eine von § 622 Abs. 2 BGB zulasten des Klägers abweichende und damit unzulässige Regelung treffen wollen.
23(2) Die objektiv maßgebliche Kündigungsfrist war für den Kläger ohne Schwierigkeiten zu ermitteln. Der Arbeitsvertrag, der auf den MTV verwies, war ihm bekannt. Unerheblich ist, ob ihm die Tarifverträge, auf die in § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrags Bezug genommen ist, ausgehändigt worden waren. Es ist ausreichend, dass er ihren Inhalt problemlos hätte in Erfahrung bringen können. Sonstige Umstände, die zu Zweifeln daran hätten Anlass geben können, dass die Beklagte mit der rechtlich zutreffenden tariflichen Frist hat kündigen wollen, sind weder vom Kläger vorgetragen noch objektiv ersichtlich.
24(a) Rechtliche Unklarheiten bei der Fristberechnung kann es auch mit Blick auf Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahrs nicht gegeben haben (zur Unionsrechtswidrigkeit und Unanwendbarkeit von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB vgl. - [Kücükdeveci] Slg. 2010, I-365; - BAGE 135, 278; zur Unwirksamkeit entsprechender tarifvertraglicher Regelungen - Rn. 16 ff.). Die in § 16 Nr. 5 Abs. 3 MTV enthaltene Bestimmung, die solche Zeiten bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer ausnimmt, fand auf den Kläger schon tatsächlich keine Anwendung. Er war bei Vertragsschluss älter als 25 Jahre.
25(b) Entgegen der Auffassung des Klägers musste die Beklagte im Kündigungsschreiben nicht angeben, welche Dauer der Betriebszugehörigkeit ihrer Ansicht nach der Berechnung der Kündigungsfrist zugrunde zu legen war. Die Beklagte hatte die Kündigung ausdrücklich für den Fall erklärt, dass das Arbeitsverhältnis nicht schon im Jahre 2007 geendet, es also bis zum Kündigungszeitpunkt fortbestanden habe. Es gab keinen Grund für die Annahme, die Beklagte wolle - sofern die Kündigung zum Tragen komme - das Arbeitsverhältnis mit einer Frist beenden, die nicht die gesamte Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers berücksichtigte. Dass die Anrechnung anderweitiger Vorbeschäftigungszeiten oder eine zeitweilige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses streitig gewesen sei, hat der Kläger nicht behauptet.
263. Die Kündigung vom ist nicht deshalb rechtsunwirksam, weil die Beklagte sie nur gemeinsam mit der KG hätte erklären können. Es lag kein einheitliches, zu ihr und der KG gemeinsam bestehendes Arbeitsverhältnis vor.
27a) Ebenso wie auf Arbeitnehmerseite können auf Arbeitgeberseite mehrere rechtlich selbständige Personen an demselben Arbeitsverhältnis beteiligt sein ( - Rn. 16; - 8 AZR 692/10 - Rn. 30). Stehen mehrere natürliche oder juristische Personen in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu demselben Arbeitnehmer, liegen nicht notwendig mehrere getrennte Arbeitsverhältnisse vor. Vielmehr kann auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis gegeben sein. Erforderlich ist ein rechtlicher Zusammenhang der arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der es verbietet, diese Beziehungen rechtlich getrennt zu behandeln ( - aaO; - 2 AZR 623/85 - zu B III 5 der Gründe, BAGE 55, 117). Der rechtliche Zusammenhang kann sich insbesondere aus einer Auslegung des Vertragswerks der Parteien ergeben ( - aaO; - 7 AZR 523/78 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 37, 1). Nach Maßgabe von §§ 133, 157 BGB ist zu prüfen, ob nach den Vorstellungen der Vertragschließenden die einzelnen Vereinbarungen nur gemeinsam gelten und zusammen durchgeführt werden, dh. Teile eines einzigen Gesamtgeschäfts sein sollten. Ist dies zu bejahen, kann ein solches einheitliches Arbeitsverhältnis im Regelfall nur von und gegenüber allen auf einer Vertragsseite Beteiligten gekündigt werden ( - aaO; - 7 AZR 523/78 - zu II 1 der Gründe, aaO).
28b) Danach lag im Streitfall ein einheitliches Arbeitsverhältnis nicht vor. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, die KG habe als weitere Arbeitgeberin zu dem mit der Beklagten schon bestehenden Arbeitsverhältnis hinzutreten und dieses habe nunmehr im Sinne eines rechtlich untrennbaren Zusammenhangs mit beiden Arbeitgeberinnen fortgesetzt werden sollen. Es sind keine Umstände festgestellt oder vom Kläger vorgetragen, aufgrund derer darauf zu schließen wäre, seine arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, das eine Mal mit der Beklagten, das andere Mal mit der KG, hätten nur gemeinsam gelten und durchgeführt werden und damit bloß Teile eines einzigen Gesamtgeschäfts sein sollen.
294. Die Kündigung ist nicht mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 bis 4 KSchG keine Anwendung. Im Betrieb der Beklagten waren im Kündigungszeitpunkt schon nicht mehr als fünf Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt. Die Arbeitnehmer der KG waren für die Bestimmung der Betriebsgröße nicht mitzuzählen. Die Beklagte und die KG haben keinen gemeinsamen Betrieb geführt. Andere Gründe für eine Hinzurechnung sind nicht ersichtlich.
30a) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird ( - Rn. 51; - 6 AZR 132/10 - Rn. 16 mwN, BAGE 138, 116). Diese Voraussetzung trifft nicht schon dann zu, wenn die Unternehmen unternehmerisch zusammenarbeiten ( - Rn. 20, BAGE 142, 36; - 2 AZR 383/08 - Rn. 14 mwN).
31b) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Kündigungszeitpunkt ein gemeinsamer Betrieb bestanden hat, trägt der Arbeitnehmer ( - Rn. 52; - 2 AZR 62/11 - Rn. 21, BAGE 142, 36). Mit Rücksicht auf seine typischerweise mangelhafte Kenntnis vom Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen kommen ihm dabei Erleichterungen zugute. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt, wenn er äußere Umstände aufzeigt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen über die gemeinsame Führung eines Betriebs unter einem einheitlichen Leitungsapparat geeinigt haben. Darauf hat der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erwidern und darzulegen, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebs sprechen sollen ( - aaO; - 2 AZR 62/11 - aaO).
32c) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Er hat selbst äußere Umstände, die für das Vorliegen einer Vereinbarung zur gemeinsamen Führung eines Betriebs unter einem einheitlichen Leitungsapparat sprächen, nicht aufgezeigt. Weder sein Vorbringen zur Zusammenarbeit von Beklagter und KG im Bereich Kundenservice, noch sein Vorbringen zu den Anweisungen, die er auch nach Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der KG vom Geschäftsführer der Beklagten erhalten habe, und zur weiteren Überlassung des Dienstfahrzeugs lassen den Schluss darauf zu, der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich sei für beide Unternehmen gemeinsam von derselben institutionellen Leitung ausgeübt worden.
335. Die Kündigung der Beklagten ist nicht deshalb gemäß § 242 BGB unwirksam, weil der Kläger vor ihrem Ausspruch nicht angehört worden ist. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Kündigung ist - außer bei der Verdachtskündigung - de lege lata keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Der gegenteiligen Ansicht des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen ( - 2 Ca 319/10 -) fehlt die gesetzliche Grundlage. Dass hier einzel- oder tarifvertraglich etwas anderes gegolten hätte, ist nicht ersichtlich. Auch aus § 82 Abs. 1 Satz 1 BetrVG folgt nichts anderes. Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer ein Recht darauf, in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, angehört zu werden. Selbst wenn man zu diesen Angelegenheiten auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung rechnet, ergibt sich daraus nicht, dass umgekehrt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor dem Ausspruch einer Kündigung anhören müsste und dass diese Anhörung Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung wäre. Das in § 82 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehene Recht, zu ihn betreffenden Maßnahmen des Arbeitgebers Stellung zu nehmen, bedeutet ebenfalls nicht, dass der Arbeitnehmer schon vor deren Durchführung Stellung nehmen können muss.
346. Die Kündigung ist nicht gemäß § 612a BGB iVm. § 134 BGB rechtsunwirksam. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle an der notwendigen Kausalität zwischen der Erhebung von Vergütungsansprüchen und der Kündigung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe sich zur - vorsorglichen - Kündigung entschlossen, nachdem sie im Zusammenhang mit den Entgeltforderungen habe erkennen müssen, dass das in ihren Augen längst beendete Arbeitsverhältnis rechtlich womöglich noch fortbestehe. Mit der sich dagegen wendenden Behauptung, die Beklagte habe ihn mit der Kündigung sehr wohl sanktionieren wollen, zeigt der Kläger keinen Rechtsfehler auf. Den zeitlichen Zusammenhang zwischen Rechtsverfolgung und Kündigung hat das Landesarbeitsgericht angesichts des Umstands, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien schon seit Jahren nicht mehr gelebt worden war, als Indiz für eine Maßregelungsabsicht der Beklagten zu Recht nicht ausreichen lassen. Zulässige Verfahrensrügen hat der Kläger nicht erhoben.
357. Die Kündigung vom ist nicht nach § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB unwirksam. Es bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Zustimmung des Integrationsamts.
36a) Der Kläger ist nicht schwerbehindert iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX. Der Grad seiner Behinderung beträgt nach dem Bescheid des Versorgungsamts vom lediglich 30. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob er der Beklagten rechtzeitig nach Zugang der Kündigung Mitteilung von seinem im März 2011 gestellten Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gemacht hat.
37b) Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung einem schwerbehinderten Menschen nicht gleichgestellt. Die nach seinem Vorbringen mittlerweile erfolgte Gleichstellung wirkt nur bis auf den Tag der Antragstellung zurück. Dies war der .
38aa) Nach § 85 SGB IX iVm. § 68 Abs. 1 und 3, § 2 Abs. 3 SGB IX bedarf auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers, der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Gemäß § 68 Abs. 2 SGB IX erfolgt die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen auf Grund einer Feststellung nach § 69 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch die Bundesagentur für Arbeit.
39bb) Die Gleichstellung wird gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX mit dem Tag des Eingangs des Antrags wirksam. Der betreffende Verwaltungsakt ist für die Rechtsposition des Betroffenen konstitutiv. Im Unterschied zu den kraft Gesetzes geschützten Personen, bei denen durch die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch ein bestehender Rechtsschutz nur festgestellt wird, wird der Schutz des Behinderten durch die Gleichstellung erst begründet ( - zu B II 1 a der Gründe). Die erst nach Zugang einer Kündigung beantragte Gleichstellung hat für die Wirksamkeit der Kündigung keine Bedeutung mehr ( - aaO).
40cc) Der Kläger hat den Antrag auf Gleichstellung erst am und damit nach Zugang der Kündigung gestellt. Im Verhältnis zur Beklagten ist es unerheblich, ob er ihn bei schnellerer Bescheidung seines Antrags auf Anerkennung als Schwerbehinderter schon früher gestellt hätte.
41c) Die kündigungsrechtlich unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 und schwerbehinderten Arbeitnehmern iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX stellt keine Diskriminierung der weniger stark behinderten Arbeitnehmer nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. Nr. L 303 S. 16) dar. Die weniger stark behinderten Arbeitnehmer erfahren nicht „wegen ihrer Behinderung“ eine ungünstigere Behandlung. Sie werden nicht weniger günstig als nicht behinderte Arbeitnehmer behandelt, sondern weniger günstig als stärker behinderte.
42II. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den (echten) Hilfsantrag auf Erteilung eines Endzeugnisses hat Bestand. Die Kündigungsschutzklage ist rechtskräftig abgewiesen. Damit hat das Arbeitsgericht zu Recht über den Hilfsantrag entschieden. In der Sache ist der Kläger durch die dem Antrag stattgebende Entscheidung nicht beschwert. Er fiel dem Senat folglich nicht zur Entscheidung an.
43III. Über den Weiterbeschäftigungsantrag hat der Senat ebenso wenig zu entscheiden. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits gerichtet. Dieser Streit ist rechtskräftig abgeschlossen.
44IV. Die Kosten seiner erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2676 Nr. 44
DB 2014 S. 2719 Nr. 47
NJW 2014 S. 3533 Nr. 48
EAAAE-75086