Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung: Tatbeendigung bei Hinterziehung von Tabaksteuer
Gesetze: § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 19 S 3 TabStG vom , § 23 Abs 1 S 3 TabStG
Instanzenzug: LG Augsburg Az: 2 KLs 509 Js 124285/12 (3)
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
21. Das Verfahren ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, soweit der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verurteilt worden ist. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, ist insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten.
3Der Angeklagte ist seiner Pflicht, für die ohne deutsche Steuerzeichen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbrachten Zigaretten unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben (vgl. § 19 Satz 3 TabStG aF; § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG), nicht nachgekommen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Da in solchen Fällen mangels kontinuierlichen abschnittsbezogenen Veranlagungsverfahrens kein allgemeiner Veranlagungsschluss festgestellt werden kann und § 168 AO - anders als bei Steueranmeldungen (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO) - nicht eingreift, ist für die Tatvollendung derjenige Zeitpunkt maßgeblich, zu dem bei rechtzeitiger Abgabe einer Steuererklärung mit der Bekanntgabe einer Steuerfestsetzung zu rechnen gewesen wäre (vgl. zur Hinterziehung von Schenkungsteuer , Rn. 41, wistra 2011, 428). Tatbeendigung tritt bei Verstößen gegen § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG bzw. § 19 Satz 3 TabStG aF nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs demgegenüber erst dann ein, wenn die Tabakwaren die "gefährliche" Phase des Grenzübertritts passiert haben und der Verbringer oder Versender sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Tabakwaren ihren Bestimmungsort erreicht haben und dort "zur Ruhe gekommen" sind (vgl. , wistra 2010, 226 mwN).
4Ausgehend von diesen Maßstäben ist angesichts des für den Monat Februar 2008 nicht sicher feststehenden Lieferzeitpunkts der Zigaretten zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Tat im Fall 1 der Urteilsgründe bereits in den ersten Tagen des Februar 2008 beendet war (zur Anwendung des Zweifelsatzes auf für die Verjährung bedeutsame Tatsachen vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 224/06, StraFo 2006, 408 und vom - 4 StR 435/87, BGHR StGB § 78 Abs. 3 Fristablauf 1). Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB konnte daher im Fall 1 durch den Erlass eines Haftbefehls sowie von Durchsuchungsbeschlüssen am nicht mehr unterbrochen werden. Die Voraussetzungen einer zehnjährigen Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO lagen nicht vor.
52. Die Schuldsprüche in den Fällen 2 bis 60 der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sind nicht zu beanstanden.
63. Die Einzelstrafaussprüche in diesen Fällen haben trotz unvollständiger Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen der Tabaksteuer sowie unzureichender Darstellung der Berechnung der verkürzten Tabaksteuer Bestand.
7Zwar fehlt es mit Ausnahme der Monate Januar und Juli 2012 sowie Februar 2013 an den für die Berechnung der Tabaksteuer gemäß § 4 TabStG aF bzw. § 2 TabStG erforderlichen Feststellungen zum jeweiligen Kleinverkaufspreis der betreffenden Zigaretten. Zudem wird das Urteil den Anforderungen an die Darstellung der Berechnung der verkürzten Tabaksteuer nicht in vollem Umfang gerecht. Die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatgerichts. Das Tatgericht ist zwar nicht gehindert, sich Steuerberechnungen von Beamten der Finanzverwaltung anzuschließen, die auf den festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufbauen. Allerdings muss im Urteil zweifelsfrei erkennbar sein, dass das Tatgericht eine eigenständige - weil ihm als Rechtsanwendung obliegende - Steuerberechnung durchgeführt hat (vgl. , NStZ-RR 2010, 207 mwN). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte keine Einwände gegen die von den Finanzbehörden vorgenommene Schadensberechnung erhoben hat. Daran fehlt es hier. Die Urteilsgründe ermöglichen es dem Revisionsgericht mit Ausnahme der exemplarisch dargestellten Berechnungen für die Monate Januar und Juli 2012 sowie Februar 2013 nicht, die Berechnung der von dem Angeklagten hinterzogenen Tabaksteuern nachzuvollziehen.
8Der Senat schließt jedoch angesichts der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten nur geringfügigen Abweichung der vom Tatgericht der Strafzumessung zugrunde gelegten verkürzten Tabaksteuer von der niedrigsten rechnerisch möglichen Tabaksteuer (zur Berechnung vgl. , NStZ-RR 2010, 207) aus, dass sich dies auf die festgesetzten Einzelstrafen ausgewirkt hat.
94. Die Teileinstellung des Verfahrens führt zum Wegfall der im Fall 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von sieben Monaten. Der Gesamtstrafausspruch bleibt hiervon unberührt, da der Senat angesichts der verbleibenden Einzelstrafen ausschließt, dass das Landgericht ohne die entfallende Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
AO-StB 2015 S. 12 Nr. 1
AO-StB 2015 S. 126 Nr. 5
HFR 2015 S. 408 Nr. 4
PStR 2014 S. 271 Nr. 11
StBp 2015 S. 351 Nr. 12
wistra 2014 S. 486 Nr. 12
DAAAE-74703