Bildung einer Gesamtstrafe: Auswirkungen des das Auslieferungsrecht beherrschenden Grundsatzes der Spezialität bei Einbeziehung einer früheren Verurteilung durch ein deutsches Gericht
Gesetze: § 83 IRG, § 83h IRG, Art 14 EUAuslÜbk
Instanzenzug: LG Traunstein Az: 6 KLs 230 Js 22953/11
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betrugs in vier tatmehrheitlichen Fällen unter Einbeziehung „des Urteils des Amtsgerichts Rosenheim vom " zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es die Angeklagte wegen Betrugs in zwölf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Angeklagte freigesprochen und bestimmt, dass die in Irland vollzogene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.
2Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel der Angeklagten hat lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
3Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, soweit das Landgericht gegen die Angeklagte zwei Gesamtfreiheitsstrafen verhängt und in die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren die durch Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, einbezogen hat.
41. Die genannte Freiheitsstrafe durfte nicht in die zweijährige Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden.
5a) Der Einbeziehung steht der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität (Art. 14 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens, Art. 83h Abs. 1 IRG) entgegen.
6Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend ausgeführt hat, ist die Angeklagte aufgrund eines durch das Amtsgericht Traunstein (5 Gs ) am erlassenen Europäischen Haftbefehls in Irland festgenommen und aufgrund einer am ergangenen Entscheidung des High Courts der Republik Irland ausgeliefert worden (vgl. Sachakten Band II S. 596). Der genannte Europäische Haftbefehl erfasst lediglich die im hiesigen Verfahren gegenständlichen Straftaten unter Einschluss derjenigen, hinsichtlich derer die Angeklagte freigesprochen worden ist. Um eine Auslieferung zur Vollstreckung der im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Rosenheim verhängten Freiheitsstrafe ist die Republik Irland nicht ersucht worden und hat dementsprechend insoweit keine Zustimmung erteilt. Die Angeklagte hat auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes auch nicht verzichtet (Sachakten Band II S. 598).
7Die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bewirkt ein Vollstreckungshindernis (vgl. [Leymann und Pustovarov], NStZ 2010, 35, 38 Rn. 57 mit Anmerkung Heine; , NStZ-RR 2012, 345 mwN). Eine wegen dieses Hindernisses nicht vollstreckbare Strafe darf nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 345/97, NStZ 1998, 149 mwN; vom - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100; vom - 3 StR 395/12, NStZ-RR 2013, 178; aA - ohne nähere Begründung - Hackner in Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., IRG § 83h Rn. 7 aE).
8b) Aus dem Umstand, dass die Vollstreckung der durch das Amtsgericht Rosenheim verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden war, folgt nichts anderes. § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG bestimmt zwar, dass das Verbot des § 83h Abs. 1 IRG nicht gilt, wenn die Strafverfolgung nicht zur Anwendung einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme führt. Wie der Bundesgerichtshof aber bereits entschieden hat, greift die Regelung des § 83h Abs. 2 Nr. 3 IRG bei der Einbeziehung einer für sich genommen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in eine nicht aussetzungsfähige Gesamtstrafe nicht ein (, NStZ 2012, 100). Denn ungeachtet der teilweise verbleibenden Eigenständigkeit der in eine Gesamtstrafe eingestellten Einzelstrafe würde die Berücksichtigung der selbständig wegen der Geltung des Spezialitätsgrundsatzes nicht vollstreckbaren Einzelstrafe in einer Gesamtstrafe insgesamt zu der Vollstreckung „einer die persönliche Freiheit beschränkenden Maßnahme" führen, deren Teil die nicht zulässig vollstreckbare Freiheitsstrafe wäre (BGH, aaO). Eine Einbeziehung der fraglichen Einzelfreiheitsstrafe kommt daher erst dann in Betracht, wenn eine Bewilligung durch die Republik Irland, etwa im Rahmen eines Nachtragsersuchens, oder ein Verzicht (§ 83h Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 IRG) auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes seitens der Angeklagten erklärt würde.
92. Da die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim nicht vollstreckbar und damit (derzeit) nicht in eine Gesamtstrafe einbezogen werden kann, entfaltet sie keine Zäsurwirkung (vgl. , NStZ 1998, 149 mwN; siehe auch , StraFo 2006, 246). Der Senat verweist die Sache daher zur Bildung einer neuen Gesamtstrafe aus den für die 16 verfahrensgegenständlichen Betrugstaten verhängten Einzelstrafen zurück. Angesichts des dem Landgericht lediglich unterlaufenen Wertungsfehlers bei der bisherigen Gesamtstrafenbildung bedarf es der Aufhebung der zur Gesamtstrafe getroffenen Feststellungen nicht.
10Sollte die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach einem Nachtragsersuchen an die Republik Irland, vollstreckbar werden, so wären gemäß § 460 StPO aus dieser Strafe und aus den im hiesigen Verfahren festgesetzten Einzelstrafen (unter Auflösung der Gesamtstrafe) nachträglich neue Gesamtstrafen zu bilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 345/97, NStZ 1998, 149 sowie vom - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100).
113. Im Hinblick auf die derzeit lediglich zu bildende eine Gesamtstrafe hat der Senat den Schuldspruch wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich klarstellend neu gefasst.
II.
12Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten hervorgebracht.
Raum Rothfuß Jäger
Radtke Mosbacher
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
wistra 2014 S. 492 Nr. 12
JAAAE-74701