BAG Urteil v. - 9 AZR 41/13

Zulässigkeit der Revision - unzureichende Revisionsbegründung

Gesetze: § 72 Abs 5 ArbGG, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO

Instanzenzug: ArbG Suhl Az: 6 Ca 757/11 Teilurteilvorgehend ArbG Suhl Az: 6 Ca 757/11 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 58/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob der Klägerin zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2010 zustand, den der beklagte Freistaat abzugelten hat.

2Die im Oktober 1952 geborene Klägerin war vom bis zum als Lehrerin bei dem Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom (TV-L) Anwendung. In § 26 TV-L war zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin im Jahr 2010 unter der Überschrift „Erholungsurlaub“ Folgendes geregelt:

3Die Klägerin stellte am einen Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ab dem war sie arbeitsunfähig krank. Nach dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums erhielt sie vom bis zum Krankengeld. Für die Zeit danach beantragte sie Arbeitslosengeld. Der Beklagte erteilte der Klägerin in diesem Zusammenhang auf ihr Anschreiben vom am eine Arbeitsbescheinigung. Vom bis zum bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Nach Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens wurde der Klägerin mit Rentenbescheid vom rückwirkend ab dem und längstens bis zum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Mit Schreiben vom , ausweislich des Eingangsstempels eingegangen beim Beklagten am , übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Rentenbescheid und teilte dem Beklagten Folgendes mit:

4Der Beklagte rechnete im November 2010 für die Jahre 2008, 2009 und 2010 eine Urlaubsabgeltung im Umfang von je 20 Tagen im Hinblick auf den gesetzlichen Mindesturlaub ab und brachte den entsprechenden Nettobetrag zur Auszahlung.

5Die Klägerin hat ua. die Auffassung vertreten, ihr stehe weitere Abgeltung für fünf Urlaubstage aus dem Jahr 2010 zu. Der tarifliche Mehrurlaub sei weder im Hinblick auf den Bezug des Arbeitslosengelds noch im Hinblick auf die Gewährung der Erwerbsminderungsrente zu kürzen.

6Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt,

7Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe im Jahr 2010 geruht. Urlaubsansprüche seien aus diesem Grunde schon nicht entstanden, jedenfalls sei er berechtigt gewesen, den tariflichen Mehrurlaubsanspruch nach § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-L zu kürzen.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und einer auf Rückzahlung überzahlter Urlaubsabgeltung gerichteten Widerklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung für tariflichen Mehrurlaub aus dem Jahr 2010.

Gründe

9I. Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht ordnungsgemäß begründet.

101. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Deshalb muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB  - Rn. 9 mwN). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung vor diesem Hintergrund nicht ( - Rn. 10 mwN). Auch der pauschale Hinweis auf die Entscheidung eines anderen Gerichts kann eine eigene Auseinandersetzung des Rechtsmittelführers mit der angefochtenen Entscheidung grundsätzlich selbst dann nicht ersetzen, wenn dieses Gericht zu dem mit dem Rechtsmittel angestrebten Ergebnis gekommen ist ( - Rn. 15 unter Hinweis auf  - Rn. 14).

112. Vor diesem Hintergrund enthält die Revisionsbegründung vom keine ausreichende Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils.

12a) Das Landesarbeitsgericht hat unter III der Entscheidungsgründe eingehend begründet, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien spätestens seit dem ruhte und das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vor dessen Beendigung nicht aufgehoben wurde. Aus diesem Grunde sei der nach § 26 Abs. 2 Buchst. b TV-L entstandene tarifliche Mehrurlaub von zehn Zwölfteln gemäß § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-L vollständig zu kürzen, sodass im Ergebnis kein Anspruch bestehe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Landesarbeitsgericht bereits zuvor unter I 2 a der Entscheidungsgründe im Zusammenhang mit § 26 Abs. 2 Buchst. a TV-L ausgeführt hat, dass die Tarifvertragsparteien Urlaubs- und Abgeltungsansprüche, die den von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln können.

13b) Die Revisionsbegründung setzt sich mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts, warum das Arbeitsverhältnis im Jahr 2010 bis zu seiner Beendigung ruhte, nicht auseinander, sondern gibt auf Seite 2 oben nur die Ansicht wieder, die Auffassung der Vorinstanzen zum Ruhen sei unrichtig. Die Revisionsbegründung befasst sich auch nicht in ausreichendem Maße mit der Frage der Wirksamkeit des § 26 Abs. 2 Buchst. c TV-L. Die Klägerin führt in der Revisionsbegründung unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom (- 9 AZR 353/10 - Rn. 13 bis 19, BAGE 142, 371) nur aus, eine Tarifvorschrift, die eine Kürzung des Urlaubsanspruchs im Falle der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers anordne, verstoße gegen die in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG angeordnete Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs. Sodann weist die Klägerin selbst darauf hin, dass sie mit ihrer Klage allerdings nicht die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, sondern des tariflichen Mehrurlaubs begehre. Die damit erforderliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts dazu, dass die Tarifvertragsparteien den tariflichen Mehrurlaub frei regeln können, fehlt. Die Klägerin beschränkt sich darauf, auf die Entscheidung vom (- 9 AZR 618/10 - Rn. 21 bis 25, BAGE 141, 374) zu verweisen, in der der Senat festgestellt habe, dass der TV-L keine von der gesetzlichen Bestimmung in § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung enthalte. Bereits die pauschale Bezugnahme auf ein anderes Urteil, ohne die dort aufgestellten Rechtssätze auf den vorliegenden Fall zu übertragen und damit aufzuzeigen, wo der Rechtsfehler des Landesarbeitsgericht liegt, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung der Revision. Hätte sich die Klägerin dem Aufwand unterzogen, die Ausführungen des Senats zu den Randnummern 21 bis 25 des herangezogenen Urteils auf den vorliegenden Fall anzuwenden, wäre zutage getreten, dass sich dort keine Ausführungen zu der Frage finden, ob der tarifliche Mehrurlaub um Zeiten des Ruhens gekürzt werden kann. Der Senat hat sich vielmehr mit der Frage der Geltung der Surrogatstheorie für tariflichen Mehrurlaub befasst. Dabei hat der Senat unter der Randnummer 22 - im Einklang mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts - darauf hingewiesen, dass die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung des tariflichen Mehrurlaubs durch europarechtliche Vorgaben grundsätzlich nicht beschränkt sind.

14II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
DAAAE-74301