Haftung wegen Beratungspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Wertpapieren: Erneute Hemmung der Verjährung durch Geltendmachung von Schadensersatz im gerichtlichen Mahnverfahren nach Abbruch von Verhandlungen
Leitsatz
Zur Hemmung der Verjährung bei der Geltendmachung von Schadenersatz im Mahnverfahren.
Gesetze: § 193 BGB, § 203 S 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 3 BGB, § 242 BGB, § 167 ZPO, § 688 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 690 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 37a WpHG vom , § 43 WpHG vom
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 10 U 176/12vorgehend LG Frankfurt Az: 2-19 O 513/10
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau im Revisionsverfahren noch auf Leistung von Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten in Anspruch.
2Der Kläger und seine Ehefrau ließen sich am von einer Mitarbeiterin der Beklagten über auf die Entwicklung des Dow Jones EUROSTOXX 50 bezogene Bonuszertifikate zur Wertpapierkennnummer (künftig: Zertifikate) beraten. Am einigten sich die Parteien über die Beschaffung von 600 Stück dieser Zertifikate. Die Zertifikate wurden am zugunsten des Klägers und seiner Ehefrau eingebucht und später mit Verlust veräußert.
3Zwischen dem und dem haben die Parteien wegen eines Anspruchs gegen die Beklagte aus Beratungspflichtverletzung korrespondiert. Der Kläger hat am Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er die Beklagte unter anderem auf ("kleinen") Schadenersatz wegen einer Beratungspflichtverletzung im April 2007 in Höhe von 30.738 € in Anspruch genommen hat. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten am zugestellt worden.
4Im streitigen Verfahren hat das Landgericht Versäumnisurteil gegen den Kläger erlassen und seine klageabweisende Entscheidung auf Einspruch aufrechterhalten. Die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zugelassene Revision des Klägers, mit der er einen Schadenersatzanspruch in Höhe von (noch) 24.652,98 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt.
Gründe
5Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
7Etwaige Ansprüche des Klägers wegen einer Beratungspflichtverletzung im April 2007 seien jedenfalls nach § 37a WpHG in der bis zum geltenden Fassung (künftig: aF) verjährt. Für den Beginn der Verjährung nach dieser Vorschrift sei der Abschluss eines Finanzkommissionsgeschäfts am maßgeblich. Da die Parteien zwischen dem und dem über das Bestehen des Anspruchs verhandelt hätten, sei die Verjährungsfrist mit dem abgelaufen. Die Zustellung des am beantragten Mahnbescheids habe es nicht vermocht, eine nochmalige Hemmung der Verjährung herbeizuführen.
II.
8Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch des Klägers sei jedenfalls verjährt, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Dabei kann dahinstehen, ob zugunsten der Beklagten, was das Berufungsgericht angenommen hat, die kurze Verjährungsfrist des § 37a WpHG aF in Verbindung mit § 43 WpHG eingreift und welcher Zeitpunkt im konkreten Fall für den Beginn der Verjährung nach diesen Vorschriften maßgeblich ist. Denn der Kläger hat die Verjährungsfrist in jedem Fall rechtzeitig (erneut) gehemmt.
91. Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass bei schwebenden Verhandlungen die Hemmung grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Gläubiger seinen Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend gemacht hat (, ZIP 2014, 687 Rn. 2 f.). Nach seinen Feststellungen haben die Parteien zwischen dem und dem über den Anspruch des Klägers verhandelt und war die Verjährungsfrist gemäß § 203 Satz 1 BGB in diesem Zeitraum gehemmt. Der und der gehörten als die Tage, in deren Verlauf der Hemmungsgrund entstand und wegfiel, zur Hemmungszeit (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 209 Rn. 1). Damit lief die Verjährungsfrist des § 37a WpHG aF - deren Anlaufen mit dem Berufungsgericht am unterstellt (vgl. § 187 Abs. 1 BGB, Senatsurteil vom - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 310) - nicht mit dem Ende des (§ 188 Abs. 2 Fall 1 BGB), sondern nicht vor dem Ende des ab.
102. Da allerdings der ein Sonntag war, genügte es entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur (erneuten) Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, dass der Kläger den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids am darauf folgenden Montag, dem , bei Gericht einreichte. Insoweit gilt § 193 BGB entsprechend (RGZ 151, 345, 348 f.; , WM 1978, 461, 464; Urteil vom - III ZR 146/07, WM 2008, 490 Rn. 13). Die verjährungshemmende Wirkung trat nach § 167 ZPO bereits mit Antragstellung am ein, weil der Mahnbescheid am und damit demnächst zugestellt wurde.
113. Dass der Kläger im Mahnverfahren wegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO lediglich den "kleinen" Schadenersatz geltend gemacht hat, auf den er, nachdem er einen Anspruch auf "großen" Schadenersatz begründet hat, im Laufe des Rechtsstreits zurückgekommen ist, hindert den Eintritt der Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht. Ob die eine oder die andere Art des Schadenersatzes geltend gemacht wird, ist lediglich eine Frage der Schadensberechnung. Wechselt der Kläger die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor (, BGHZ 115, 286, 289 ff. mwN). Ein Missbrauch des Mahnverfahrens, der den Antragsteller bei der Geltendmachung von "großem" Schadenersatz im Einzelfall nach § 242 BGB daran hindern kann, sich auf die Hemmung der Verjährung zu berufen, wenn er eine Erklärung nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO abgibt, obwohl er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die empfangene Leistung Zug um Zug zurückzugeben hat (vgl. , WM 2012, 560 Rn. 7 ff.; zu weitgehend Schultz, NJW 2014, 827 ff.), fällt dem Kläger nicht zur Last.
III.
12Das Berufungsurteil ist damit aufzuheben (§ 562 ZPO) und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht zum Haftungsgrund keine tragfähigen Feststellungen getroffen hat.
13Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsurteil nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO neben der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil eine Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthalten muss. Bei der Abfassung der Entscheidung ist darauf zu achten, dass die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche tatsächliche Beurteilungsgrundlage gewährleistet ist.
Wiechers Grüneberg Maihold
Menges Derstadt
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2014 S. 2346 Nr. 41
WM 2014 S. 1763 Nr. 37
ZIP 2014 S. 1985 Nr. 41
KAAAE-73425