Zulässigkeit der Revision - unzureichende Revisionsbegründung
Gesetze: § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO, § 72 Abs 5 ArbGG
Instanzenzug: ArbG Hameln Az: 3 Ca 203/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 5 Sa 140/12 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.
2Die Klägerin war vom bis zum bei der Beklagten als Arzthelferin gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.680,00 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung der Klägerin. Ihr Urlaubsanspruch betrug 26 Werktage pro Kalenderjahr.
3Im Hinblick auf die bei der Klägerin bestehende Schwangerschaft und die beabsichtigte Elternzeit machte die Beklagte mit Schreiben vom gegenüber der Klägerin von ihrem Recht zur Kürzung des Erholungsurlaubs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG Gebrauch. Nach der Geburt ihrer Tochter am befand sich die Klägerin ab dem bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Elternzeit.
4Die Klägerin hat mit ihrer am bei Gericht eingegangenen Klage von der Beklagten ua. die Abgeltung von 22 Urlaubstagen aus dem Jahr 2010 und sechs Urlaubstagen aus dem Jahr 2011 verlangt. Sie ist der Ansicht, die Kürzungsbefugnis nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG verstoße gegen Unionsrecht und sei unwirksam.
5Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,
6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält die Kürzungsregelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für unionsrechtskonform.
7Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Abgeltung des während der Elternzeit entstandenen Erholungsurlaubs.
Gründe
8Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht ordnungsgemäß begründet.
9I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Deshalb muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB - Rn. 9 mwN). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung vor diesem Hintergrund nicht ( - Rn. 10 mwN).
10Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig ( - Rn. 10 mwN; - Rn. 6).
11II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Klägerin nicht gerecht.
121. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung auf zwei unterschiedliche Gesichtspunkte gestützt. Unter B 1 der Entscheidungsgründe hat es zunächst offengelassen, ob die Bestimmung des § 17 Abs. 1 BEEG gegen eine Richtlinie der Europäischen Union, insbesondere gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie), verstößt. Die Kürzungsvorschrift sei nämlich weiterhin anzuwenden, selbst wenn sie gegen eine Richtlinie verstieße. Eine unionsrechtskonforme Auslegung widerspreche dem eindeutigen Wortlaut und dem erkennbaren Zweck ihres Regelungsgehalts. Die Klägerin stellt dem in ihrer Revisionsbegründung vom nur die Aussage entgegen: „Das BEEG ist der richtlinienkonformen Auslegung zugänglich.“ Unabhängig davon, dass streitgegenständlich nicht die unionsrechtskonforme Auslegung des gesamten BEEG, sondern nur die Auslegung der konkreten Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist, negiert die Klägerin lediglich die Aussage des Landesarbeitsgerichts ohne darzulegen, inwiefern der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG („Der Arbeitgeber kann … kürzen“) und der Regelungswille des Gesetzgebers entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts eine unionsrechtskonforme Auslegung zulassen sollen. Die Klägerin zitiert stattdessen nur - unvollständig - Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in seinem Urteil vom (- 12 Sa 486/06 - zu B II 1 a der Gründe) zur Auslegung von nationalen Gesetzen. Eine fallbezogene Subsumtion unter die abstrakten Rechtssätze fehlt ebenso wie die Wiedergabe der vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf gemachten Einschränkung: „Allerdings darf zum einen die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung der entsprechenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen, und sie wird zum anderen begrenzt durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot.“ Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht gerade angenommen, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nur contra legem möglich sei. In der Revisionsbegründung findet sich nicht ein Argument, mit dem die Klägerin versucht, diese Annahme zu widerlegen.
132. Mit der zweiten selbstständig tragenden Begründung des Landesarbeitsgerichts setzt sich die Klägerin ebenfalls nicht ausreichend auseinander. Dieses hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom (- 3 Sa 1288/10 -) angenommen, die Kürzungsbestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG verstoße nicht gegen Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, sondern gehöre zu den Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des bezahlten Mindestjahresurlaubs, deren Ausgestaltung Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie nicht selbst regele, sondern den Mitgliedstaaten überlasse. Auf dieses Argument geht die Revisionsbegründung nicht ein und zeigt damit nicht auf, warum die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts unrichtig sein soll.
14III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Fundstelle(n):
SAAAE-71769