Instanzenzug:
Gründe
I.
1Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihrer Forderung in Höhe von 29.300,06 € eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Beklagten zugrunde liegt. Der Beklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts München - Schöffengericht - vom wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil seines bei der Klägerin versicherten, damals fünf Monate alten Sohns verurteilt. Das Amtsgericht hatte sich davon überzeugt, dass der Beklagte am zwischen 17.00 Uhr und 22.15 Uhr aus unbekanntem Grund gewaltsam auf den Säugling eingewirkt hatte. Entweder sei die Einwirkung durch kräftiges Schütteln des Säuglings oder aber durch Anwendung stumpfer Gewalt auf den Körper erfolgt. Die Einlassung des Beklagten, wonach ihm der Säugling auf dem Balkon aus der Tragetasche auf den Fußboden gefallen sei, hat es als widerlegt angesehen. Die Verurteilung ist rechtskräftig. Die Klägerin hat sich zur Begründung der Klageforderung auf das Strafurteil berufen. Das Landgericht hat das Bestreiten einer vorsätzlichen Tat durch den Beklagten angesichts der Feststellungen im Strafurteil als nicht hinreichend substantiiert angesehen und seinen im Termin zur mündlichen Verhandlung am gestellten Antrag, einen der im Strafverfahren tätigen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden, gemäß § 296 Abs. 2, § 282 ZPO wegen Verspätung zurückgewiesen. Es hat dem Feststellungsantrag entsprochen. Das Oberlandesgericht hat die vom Beklagten eingelegte Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
2Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
31. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20.000 €. Maßgeblich für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung (vgl. , Grundeigentum 2013, 347 Rn. 4 mwN). Dieses hat das Revisionsgericht selbst zu bewerten; an eine Festsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden (vgl. , NJW-RR 2013, 1401). Allerdings bemisst sich der Streitwert einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, eine angemeldete Forderung beruhe auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nach dem Nennwert der Forderung, sondern nach den späteren Vollstreckungsaussichten des Insolvenzgläubigers nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung (vgl. , NJW 2009, 920 Rn. 4 ff.). Gleiches gilt für die Bemessung der Beschwer des Klägers, wenn seine auf eine solche Feststellung gerichtete Klage abgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 2/13, VersR 2014, 350 Rn. 10; , aaO). Ob dieselben Grundsätze auch für die vorliegend zu beurteilende Beschwer des Beklagten gelten, kann offenbleiben. Denn auch unter Berücksichtigung der künftigen Vollstreckungsaussichten hält der Senat im Streitfall einen Abschlag vom Nennwert der Forderung in Höhe von nicht mehr als 30 % für gerechtfertigt, so dass die mit der Revision geltend zu machende Beschwer mindestens 20.510 € beträgt. Der erst 36 Jahre alte Beklagte ist Fachinformatiker und steht in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen er monatlich 3.154 € verdient. Ein Teil seines Einkommens wird gepfändet und an seinen Treuhänder abgeführt.
42. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch begründet. Sie macht zu Recht geltend, dass der Beklagte durch die Nichtberücksichtigung seines Vortrags in dem in der mündlichen Verhandlung vom übergebenen Schriftsatz und die Zurückweisung seines Antrags, den im Strafverfahren tätig gewordenen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, seitens des Landgerichts sowie durch die Bestätigung dieser Entscheidung durch das Berufungsgericht in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden ist.
5a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, Anträge und Ausführungen der Prozessparteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Erhebliche Beweisanträge muss das Gericht berücksichtigen. Zwar hindert Art. 103 Abs. 1 GG den Gesetzgeber nicht, durch Präklusionsvorschriften auf eine Prozessbeschleunigung hinzuwirken. Diese das rechtliche Gehör beschränkenden Vorschriften haben jedoch wegen der einschneidenden Folgen, die sie für die säumige Partei nach sich ziehen, strengen Ausnahmecharakter. Art. 103 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn die Anwendung der Präklusionsvorschrift durch das Fachgericht offenkundig unrichtig ist (vgl. BVerfG NJW 2000, 945, [...] Rn. 12 f.; , NJW-RR 2013, 655 jeweils mwN).
6Von einer offenkundig fehlerhaften Anwendung in diesem Sinne ist insbesondere dann auszugehen, wenn Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung gemäß § 296 Abs. 2 i.V.m. § 282 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen wird (vgl. BVerfG, NJW 2000, 945, [...] Rn. 13; , NJW 2012, 3787 Rn. 6). Denn § 282 Abs. 1 ZPO bezieht sich nicht auf unterlassenes Vorbringen in vorbereitenden Schriftsätzen. Die Vorschrift betrifft allein Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden; sie ist nur dann einschlägig, wenn innerhalb einer Instanz mehrere Verhandlungstermine stattfinden. Ein Vorbringen im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung kann niemals nach § 282 Abs. 1 ZPO verspätet sein (, NJW-RR 2005, 1007; Beschluss vom - VIII ZR 273/11, NJW 2012, 3787 Rn. 6).
7b) Nach diesen Grundsätzen verstieß die Zurückweisung des Vortrags des Beklagten in seinem Schriftsatz vom und seines Antrags auf Anhörung des im Strafverfahren tätig gewordenen Sachverständigen durch das Landgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
8aa) Das Landgericht hat lediglich die Vorschrift des § 296 Abs. 2 ZPO angeführt, ohne ausdrücklich anzugeben, ob der Beklagte Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegen § 282 Abs. 1 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig mitgeteilt hat. Seiner Begründung ist jedoch zu entnehmen, dass es dem Beklagten vorwirft, nicht rechtzeitig im Sinne des § 282 Abs. 1 ZPO vorgetragen zu haben. Der Sache nach sieht das Landgericht eine grob nachlässige Verspätung des Antrags auf Anhörung des Sachverständigen darin, dass der Beklagte diesen Antrag nicht so zeitig vorgebracht habe, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entsprochen habe. Es hat dagegen nicht darauf abgestellt, dass die Klägerin - wie für die Anwendung des § 282 Abs. 2 ZPO erforderlich - nicht in der Lage gewesen sei, die erforderlichen Erkundigungen einzuziehen. In diesem Sinne hat auch das Berufungsgericht die Entscheidung des Landgerichts zunächst verstanden. Da es sich bei dem Termin vom um den ersten Termin handelte, war die Bestimmung des § 282 Abs. 1 ZPO aber nicht einschlägig und hätte nicht angewandt werden dürfen.
9bb) Zutreffend weist die Nichtzulassungsbeschwerde darauf hin, dass es nicht darauf ankommt, ob das Landgericht das Vorbringen des Klägers nach anderen Bestimmungen, etwa nach § 296 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 282 Abs. 2 ZPO, hätte zurückweisen dürfen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf das im Rechtszug übergeordnete Gericht die fehlerhafte Begründung der Verspätung nicht durch eine andere ersetzen oder die Zurückweisung auf eine andere als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift stützen (, NJW-RR 2005, 1007; Beschlüsse vom - VII ZR 58/12, NJW-RR 2013, 655 Rn. 11; vom - VII ZR 242/12, [...] Rn. 9, jeweils mwN). Abgesehen davon sind auch die Präklusionsvoraussetzungen des § 296 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 282 Abs. 2 ZPO offenkundig nicht erfüllt. Denn die in § 282 Abs. 2 ZPO normierte Prozessförderungspflicht betrifft nur solche Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorherige Erkundigung keine Erklärung abgeben kann. Das ist bei dem Antrag, einen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, nicht der Fall (vgl. , NJW 2012, 3787 Rn. 7). Die Klägerin hat sich auch nicht darauf berufen, dass sie zu einer Erklärung nicht in der Lage war.
10c) Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass es dessen Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Verfahrensfehler des Landgerichts damit perpetuiert hat.
11d) Der angefochtene Beschluss beruht auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem dem Beklagten günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die vom Landgericht verfahrensfehlerhaft abgelehnte Anhörung des Sachverständigen vorgenommen hätte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAE-71031