Zwangsversteigerungssache: Befugnis zur Rechtsbeschwerdeeinlegung gegen den Zuschlagsbeschluss; schwebende Unwirksamkeit der Teilung oder Vereinigung von Grundstücken
Leitsatz
1. Erteilt das Vollstreckungsgericht den Zuschlag und weist das Beschwerdegericht die dagegen gerichtete Beschwerde zurück, kann nur der Beschwerdeführer die zugelassene Rechtsbeschwerde einlegen, nicht aber ein anderer Beteiligter im Sinne von § 9 ZVG, der von seinem Beschwerderecht keinen Gebrauch gemacht hat.
2. Die Teilung oder Vereinigung von Grundstücken ist eine Verfügung im Sinne von § 23 ZVG, die dem Gläubiger gegenüber unwirksam ist, solange dieser die Verfügung nicht genehmigt; auch wenn sie im Grundbuch vollzogen wird, muss das Zwangsversteigerungsverfahren so fortgeführt werden, als wäre die Verfügung nicht erfolgt.
Gesetze: § 574 Abs 1 Nr 2 ZPO, § 9 ZVG, § 23 ZVG, § 97 ZVG
Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 23 T 591/13vorgehend AG Bünde Az: 9 K 57/02
Gründe
I.
1Auf Antrag der Beteiligten zu 1 wurde am die Zwangsversteigerung des Grundstücks des Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Schuldner) angeordnet, das damals im Grundbuch unter der laufenden Nr. 6 des Bestandsverzeichnisses mit den Flurstücken 615, 616 und 617 eingetragen war. Am wurde der Verkehrswert auf 156.400 € festgesetzt. Anschließend teilte der Schuldner das Grundstück. Die dadurch entstandenen drei Grundstücke wurden im Grundbuch unter den laufenden Nummern 7, 8 und 9 eingetragen. Daraufhin ließ das Vollstreckungsgericht den Verkehrswert neu ermitteln und setzte ihn am für das Grundstück Nr. 7 auf 30.000 €, für das Grundstück Nr. 8 auf 69.000 € und für das Grundstück Nr. 9 auf 28.000 € fest. Anschließend legte der Schuldner die Grundstücke Nr. 7 und Nr. 9 zusammen. Das vereinigte Grundstück wurde als Nr. 10 am in das Bestandsverzeichnis eingetragen. Durch Beschluss vom beraumte das Vollstreckungsgericht Versteigerungstermin an. In der Terminsbestimmung wurden die Grundstücke Nr. 8 und Nr. 10 als Versteigerungsobjekt genannt. Der Verkehrswert wurde für das Grundstück Nr. 8 mit 69.000 € und für das Grundstück Nr. 10 mit 58.000 € mitgeteilt; der Verkehrswert für das Grundstück Nr. 10 beruhte auf der Addition der am festgesetzten Verkehrswerte für die Grundstücke Nr. 7 und Nr. 9. Anschließend ließ der Schuldner die Grundstücke Nr. 8 und Nr. 10 zu dem Grundstück Nr. 11 vereinigen; dieses entsprach also wieder dem ursprünglich beschlagnahmten Grundstück Nr. 6. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am .
2In dem Versteigerungstermin vom hat das Vollstreckungsgericht die Versteigerung unter der aktuellen Grundbuchbezeichnung (Nr. 11) durchgeführt. Als festgesetzten Verkehrswert hat es den Betrag von 127.000 € bekanntgemacht. Für den Beteiligten zu 4 ist für das Flurstück 616 (Grundstück Nr. 7) eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen, die nach den Versteigerungsbedingungen nicht in das geringste Gebot fällt. Der Beteiligte zu 5 ist mit einem Gebot von 126.000 € Meistbietender geblieben. Das Grundstück Nr. 11 ist ihm am zugeschlagen worden. Die von dem Schuldner eingelegte Beschwerde hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er die Versagung des Zuschlags erreichen will. Der Beteiligte zu 4 hat ein als Anschlussrechtsbeschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit der er das gleiche Ziel wie der Schuldner verfolgt.
II.
3Das Beschwerdegericht meint, ein Verstoß gegen die in § 66 Abs. 1 ZVG vorgeschriebene Bekanntmachung des Termins begründe keinen Zuschlagsversagungsgrund. Einer neuen Verkehrswertfestsetzung habe es nicht bedurft. Es sei unschädlich, dass die Verkehrswerte zusammengerechnet worden seien, weil das gesamte Grundstück Versteigerungsobjekt gewesen sei. Eine Neufestsetzung sei auch nicht im Hinblick auf § 74a ZVG erforderlich gewesen, weil sich der Gesamtwert des vereinigten Grundstücks durch einfache Addition ergebe. Unerheblich sei es auch, dass die Terminsbestimmung zwei Einzelgrundstücke genannt habe, obwohl ein Gesamtgrundstück versteigert worden sei. Entscheidend sei, dass das ursprünglich beschlagnahmte Grundstück versteigert worden sei. Zudem habe sich der Schuldner offensichtlich rechtsmissbräuchlich verhalten, indem er das Grundstück in seinem Bestand laufend verändert habe.
III.
41. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 4 ist unzulässig.
5a) Als Anschlussrechtsbeschwerde ist es unzulässig, weil nur der Rechtsbeschwerdegegner eine Anschlussrechtsbeschwerde einlegen kann (§ 574 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Ob dies die förmliche Zuziehung als Gegner durch das Beschwerdegericht voraussetzt (§ 99 Abs. 1 ZVG), an der es hier fehlt, kann dahinstehen; jedenfalls ist der Beteiligte zu 4 auch materiell nicht Rechtsbeschwerdegegner, weil er das gleiche Ziel wie der Schuldner verfolgt (vgl. zu der Anschlussbeschwerde gemäß § 66 FamFG , FamRZ 2014, 827 f.).
6b) Auch als Rechtsbeschwerde ist das Rechtsmittel unzulässig. Zwar war der Beteiligte zu 4 aufgrund der eingetragenen Vormerkung Beteiligter im Sinne von § 9 Nr. 1 ZVG; er war aber nicht selbst Beschwerdeführer. Erteilt das Vollstreckungsgericht – wie hier – den Zuschlag und weist das Beschwerdegericht die dagegen gerichtete Beschwerde zurück, kann nur der Beschwerdeführer die zugelassene Rechtsbeschwerde einlegen, nicht aber ein anderer Beteiligter im Sinne von § 9 ZVG, der von seinem Beschwerderecht keinen Gebrauch gemacht hat.
7aa) Nach den Grundsätzen der Zivilprozessordnung ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn der Rechtsmittelführer beschwert ist. Die klagende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (formelle Beschwer). Für den Beklagten liegt die Beschwer, die ihn zur Einlegung eines Rechtsmittels berechtigt, hingegen in dem Betrag oder in dem Wert seiner Verurteilung (materielle Beschwer; vgl. zum Ganzen , NJW-RR 2011, 765 Rn. 6 mwN; MünchKomm/Lipp, ZPO, 4. Aufl., § 574 Rn. 20).
8bb) Dies gilt sinngemäß auch für das Zwangsversteigerungsrecht als Teil der Zivilprozessordnung (§ 769 ZPO). Ein Beteiligter, der sich – wie der Beteiligte zu 4 – mit der Rechtsbeschwerde gegen die durch das Vollstreckungsgericht erfolgte und von dem Beschwerdegericht bestätigte Zuschlagserteilung wendet, muss – dem Kläger im Zivilprozess entsprechend – durch die angefochtene Entscheidung formell beschwert sein; insoweit ist es unerheblich, ob er sich in der Sache auf Zuschlagsversagungsgründe stützt, die gemäß § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu prüfen sind. An der formellen Beschwer fehlt es, wenn sich der Rechtsbeschwerdeführer – wie hier – nicht mit der gemäß § 97 Abs. 1 ZVG statthaften Beschwerde gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts gewendet hat. Dass neben dem Beschwerdeführer auch die weiteren Beteiligten gemäß § 9 ZVG in der Beschwerdeinstanz beteiligt werden, dient der sachgerechten Verfahrensgestaltung, insbesondere der Wahrung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, hat aber nicht den Zweck, ihnen eine Fortsetzung des Verfahrens in der dritten Instanz zu ermöglichen, obwohl sie das ihnen zustehende Rechtsmittel gegen die (nunmehr bestätigte) Entscheidung erster Instanz nicht ergriffen haben. Diesem Ergebnis entsprechend muss die Entscheidung, durch die die Zuschlagsbeschwerde zurückgewiesen wird, gemäß § 103 Satz 2 ZVG nur an den Beschwerdeführer und den zugezogenen Gegner, nicht aber an weitere Beteiligte zugestellt werden.
92. Die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist dagegen zulässig und begründet. Das Vollstreckungsgericht hätte den Zuschlag nicht erteilen dürfen.
10a) Der Zuschlag ist gemäß § 83 Nr. 7 ZVG zu versagen, weil § 43 Abs. 1 Satz 1 ZVG verletzt ist. Dieser Bestimmung zufolge muss die Terminsbestimmung sechs Wochen vor dem Versteigerungstermin bekannt gemacht sein. Daran fehlt es, wenn die Bekanntmachung inhaltlich nicht den zwingenden Vorgaben des § 37 ZVG genügt; hierzu gehört die Bezeichnung des Grundstücks gemäß § 37 Nr. 1 ZVG (Senat, Beschluss vom – V ZB 53/12, NJW-RR 2013, 915 Rn. 6 mwN). Diese war hier bereits deshalb fehlerhaft, weil in der Terminsbestimmung zwei Grundstücke (Nr. 8 und 10) genannt wurden, obwohl nur eines (Nr. 11) versteigert wurde.
11b) Darüber hinaus fehlte die in § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG vorgeschriebene Verkehrswertfestsetzung. Eine solche gab es zwar für die Grundstücke Nr. 7, 8 und 9, aber weder für das in der Terminsbestimmung genannte Grundstück Nr. 10 noch für das zugeschlagene Grundstück Nr. 11. Die Verkehrswertfestsetzung vom für das ursprünglich beschlagnahmte Grundstück Nr. 6, das dem zugeschlagenen Grundstück Nr. 11 entspricht, war durch die spätere Verkehrswertfestsetzung vom überholt und damit formal obsolet geworden. Ob dies einen Zuschlagsversagungsgrund aus § 83 Nr. 1 ZVG (so beispielsweise OLG Hamm, Rpfleger 1977, 452 f.; OLG Koblenz, Rpfleger 1985, 410, 411; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 74a Rn. 112, 120) oder aus § 83 Nr. 5 ZVG (so Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 74a Rn. 45, § 83 Rn. 6; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 74a Rn. 9.10 ff., § 83 Rn. 3.5; Löhnig/Cranshaw, ZVG, § 83 Rn. 9, 20) begründet, ob ferner der Schuldner im Hinblick auf die Wertgrenzen des § 85a ZVG im Sinne von § 100 Abs. 2 ZVG in seinen Rechten verletzt ist (vgl. Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 74a Rn. 9.11) und ob ein etwaiger Verfahrensmangel gemäß § 84 Abs. 1 ZVG geheilt worden ist, kann dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob noch weitere Zuschlagsversagungsgründe vorliegen, etwa im Hinblick auf den mit der fehlenden Verkehrswertfestsetzung verbundenen Verstoß gegen § 66 Abs. 1 ZVG (vgl. für die fehlende Verlesung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen Senat, Beschluss vom – V ZB 13/13, WM 2013, 1867 Rn. 9). Denn der Zuschlag ist schon aus dem eingangs genannten Grund zu versagen.
12c) Anders als das Beschwerdegericht meint, steht der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs der Versagung des Zuschlags nicht entgegen. Zwar spricht vieles dafür, dass der Schuldner mit seinen wiederholten Verfügungen über das Grundstück eine Behinderung des Verfahrens beabsichtigte und das Vollstreckungsgericht bewusst in die Irre geführt hat. Die Zuschlagsversagungsgründe beruhen aber auf Verfahrensfehlern des Vollstreckungsgerichts. Es hat verkannt, dass das ursprünglich beschlagnahmte Grundstück Nr. 6 während des gesamten Verfahrens das Versteigerungsobjekt blieb und sich daran durch die nach der Beschlagnahme erfolgten Vereinigungen und Teilungen nichts änderte; dies ist dem Schuldner nicht zuzurechnen.
13aa) Die Teilung oder Vereinigung von Grundstücken ist eine Verfügung im Sinne von § 23 ZVG (BayObLGZ 1996, 41 ff.; Löhnig/Fischinger, ZVG, § 23 Rn. 4, Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 23 Rn. 2.2). Die Beschlagnahme bewirkt keine Grundbuchsperre, sondern ein relatives Veräußerungsverbot (§§ 135, 136 BGB). Genehmigt der Gläubiger eine solche Verfügung nicht, so ist sie ihm gegenüber unwirksam. Folglich wird eine § 23 ZVG unterfallende Verfügung zwar im Grundbuch eingetragen; das Zwangsversteigerungsverfahren muss aber dessen ungeachtet so fortgeführt werden, als wäre die Verfügung nicht erfolgt (Stöber, ZVG-Handbuch, 9. Aufl., Rn. 141 a.E.). Erteilt der Gläubiger die Genehmigung, wird die Verfügung wirksam. Nur dann wird der neue Bestand Versteigerungsobjekt und tritt an die Stelle des Grundstücks, das Gegenstand der ursprünglichen Beschlagnahme war; in diesem Fall muss eine neue Wertfestsetzung erfolgen (vgl. Senat, Beschluss vom – V ZB 103/11, ZWE 2012, 270 Rn. 7 ff. mwN zu der nachträglichen Aufteilung in Wohnungseigentum; Stöber, ZVG-Handbuch, 9. Aufl., Rn. 141a).
14bb) Weil hier für eine nachträgliche Zustimmung der betreibenden Gläubiger nichts ersichtlich ist, blieb das ursprüngliche (ungeteilte) Grundstück Nr. 6 Versteigerungsobjekt. Es hätte deshalb im Grundsatz bei dem für dieses Grundstück am festgesetzten Verkehrswert bleiben müssen (zu dem praktischen Vorgehen vgl. Meyer-Stolte, Rpfleger 1989, 118). Stattdessen hat das Vollstreckungsgericht den Verkehrswert verfahrensfehlerhaft für die durch Teilung entstandenen Einzelgrundstücke festgesetzt. Die Terminsbestimmung weist weder das ungeteilte Grundstück aus noch die drei Grundstücke, die Gegenstand der Verkehrswertfestsetzung waren, sondern die beiden nach der weiteren Änderung eingetragenen Grundstücke; versteigert wurde wiederum das gesamte Grundstück, also das ursprüngliche Beschlagnahmeobjekt mit veränderter Nummer, aber ohne Verkehrswertfestsetzung. Dazu wäre es nicht gekommen, wenn das Vollstreckungsgericht – wie es rechtlich geboten gewesen wäre – die Aktivitäten des Schuldners unbeachtet gelassen und das beschlagnahmte Grundstück – gegebenenfalls nach einer im Hinblick auf den Zeitablauf aktualisierten Verkehrswertfestsetzung (vgl. Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 74a Rn. 7.20) – versteigert hätte.
IV.
151. Der angefochtene Beschluss hat somit keinen Bestand; er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO). Deshalb ist auf die sofortige Beschwerde des Schuldners der Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts aufzuheben und der Zuschlag zu versagen.
162. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten in dem Verfahren über die Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom – V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7).
17Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten bestimmt sich nach dem Wert des Zuschlags (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Die Wertfestsetzung für die Vertretung der Beteiligten beruht auf § 26 Nr. 1 RVG (Beteiligter zu 4), § 26 Nr. 2 RVG (Schuldner) und § 26 Nr. 3 RVG (Ersteher); mangels anderer tragfähiger Anhaltspunkte ist von den bislang festgesetzten Verkehrswerten auszugehen.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Brückner Weinland
Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 8 Nr. 36
NJW-RR 2014 S. 1279 Nr. 20
WM 2014 S. 1584 Nr. 33
SAAAE-71007