BAG Urteil v. - 8 AZR 1081/12

(Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG - Verjährung)

Leitsatz

1. Der Auskunftsanspruch nach § 13 Halbs. 1 AÜG entsteht im Zeitpunkt der Überlassung und kann vom Leiharbeitnehmer ungeachtet § 13 Halbs. 2 AÜG geltend gemacht werden. Er unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.

2. Auf § 13 Halbs. 2 AÜG kann sich der Entleiher gegenüber einem gegen ihn geltend gemachten Anspruch berufen.

Gesetze: § 9 Nr 2 AÜG, § 10 Abs 4 AÜG, § 12 Abs 1 S 3 AÜG, § 13 Halbs 1 AÜG, § 13 Halbs 2 AÜG, § 194 BGB, § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO

Instanzenzug: ArbG Emden Az: 1 Ca 188/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 13 Sa 1532/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über einen Auskunftsanspruch des Klägers nach § 13 AÜG.

2Der Kläger ist als Leiharbeitnehmer tätig. Arbeitsvertraglich war zwischen ihm und der verleihenden Arbeitgeberin (U GmbH) die Anwendung der zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) und der Mittelstandsvereinigung Zeitarbeit e. V. geschlossenen Tarifverträge vereinbart. Bei der Beklagten als Entleiherin war der Kläger vom 17. September bis zum tätig und verrichtete Schlosserarbeiten. Mit Schreiben vom verlangte er von ihr erfolglos Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen und insbesondere die Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer im og. Zeitraum. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

3Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter. Um gegenüber seiner verleihenden Arbeitgeberin Ansprüche auf Differenzvergütung nach dem Gebot der Gleichbehandlung iSv. § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 AÜG durchzusetzen, habe die Beklagte ihm nach § 13 AÜG die begehrte Auskunft zu erteilen. Mangels Tariffähigkeit der CGZP sei sein Anspruch nicht durch § 13 Halbs. 2 AÜG gesperrt. Verjährung sei nicht eingetreten; die Zumutbarkeit der Klageerhebung als Voraussetzung eines Verjährungsbeginns sei wegen zuvor bestehender Unklarheit der Rechtslage erst ab der CGZP-Entscheidung des - 1 ABR 19/10 - BAGE 136, 302) gegeben gewesen.

4Der Kläger hat zuletzt beantragt,

5Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Falls ein Anspruch überhaupt bestanden habe, sei er jedenfalls verjährt.

6Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

7Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

8A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 13 AÜG. § 13 Halbs. 2 iVm. § 9 Nr. 2 AÜG greife mangels Tariffähigkeit der CGZP nicht ein. Der Auskunftsanspruch sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist habe nicht am zu laufen begonnen. Die verjährungshemmende Klage sei 2011 noch innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden, denn die fehlende Tariffähigkeit der CGZP habe sich erst aus dem Satzungsinhalt ergeben, der dem Kläger jedoch nicht bekannt gewesen sei. Die arbeitsrechtliche Diskussion darum habe er nicht kennen müssen.

9Der Auskunftsklage stehe nicht eine eventuelle Undurchsetzbarkeit von Differenzentgeltansprüchen gegen die verleihende Arbeitgeberin entgegen. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthalte keine einschlägige Verfallfrist, die Einrede der Verjährung könne nicht von der Beklagten an Stelle der verleihenden Arbeitgeberin erhoben werden.

10B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

11I. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Für eine Auskunftsklage nach § 13 AÜG reicht es aus, ausgehend vom Wortlaut des § 13 Halbs. 1 AÜG Auskunft über die „wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Schlossers“ zu verlangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Regel der Arbeitnehmer die Vergleichbarkeit der Tätigkeiten schlechter beurteilen kann als das Unternehmen, bei welchem er eingesetzt ist. Dem entleihenden Arbeitgeber ist es - jedenfalls zunächst - vorbehalten, selbst zu definieren, welche seiner eigenen Arbeitnehmer mit dem Leiharbeitnehmer vergleichbar sind ( - Rn. 54).

12II. Die Klage ist nicht begründet. Der im Oktober 2007 entstandene Auskunftsanspruch des Klägers war bei Geltendmachung im März 2011 verjährt.

13Der Auskunftsanspruch nach § 13 Halbs. 1 AÜG entsteht im Zeitpunkt der Überlassung und kann vom Leiharbeitnehmer ungeachtet § 13 Halbs. 2 AÜG geltend gemacht werden. Auf § 13 Halbs. 2 AÜG kann sich der Entleiher gegenüber einem gegen ihn geltend gemachten Anspruch berufen.

141. Der Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Entleiher ist nicht unionsrechtlich bestimmt. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom S. 9) enthält einen solchen Anspruch nicht. Einer nationalen Regelung eines Auskunftsanspruchs wie in § 13 AÜG steht die Richtlinie nicht entgegen, da sie Mindestvorschriften enthält und das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lässt, für Arbeitnehmer günstigere Rechtsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen (Art. 9 Richtlinie 2008/104/EG).

152. Der Auskunftsanspruch nach § 13 AÜG, für dessen Durchsetzung der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist ( - BAGE 137, 215), ist kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Anspruch. Das gesetzliche Schuldverhältnis nach § 13 AÜG ist von dem Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG (zu diesem im Einzelnen ua.  -; - 5 AZR 954/11 -) zu unterscheiden. Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG ist ein die arbeitsvertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit der Überlassung entsteht und mit dem arbeitsvertraglich für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird (ua.  - Rn. 25; - 5 AZR 954/11 - Rn. 42). Demgegenüber unterliegt der Anspruch nach § 13 AÜG allein gesetzlichen Voraussetzungen. Ein (arbeits-)vertragliches Verhältnis besteht zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher nicht.

163. Nach dem Wortlaut von § 13 Halbs. 1 AÜG besteht der Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Entleiher „im Falle der Überlassung“. Vom Leiharbeitnehmer darzulegende Anspruchsvoraussetzungen sind demnach seine eigene Stellung als Leiharbeitnehmer iSd. AÜG, verbunden mit dem Verhältnis zum Entleiher („von seinem Entleiher“), sowie der Umstand der Überlassung. Durch „kann … verlangen“ ist bestimmt, dass der Entleiher nicht verpflichtet ist, in eigener Initiative - ohne entsprechendes Verlangen des Leiharbeitnehmers - Auskunft zu erteilen. Weitere Anspruchsvoraussetzungen sind nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen. Dabei muss „im Falle der Überlassung“ mangels anderweitiger Konkretisierung als bezogen auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung - den Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Betrieb des Entleihers, ggf. Tag für Tag neu - verstanden werden.

17Weitere Anspruchsvoraussetzungen ergeben sich auch weder aus der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung noch aus dem Gesetzeszweck. Dieser ist darauf gerichtet, „Leiharbeitnehmern die Überprüfung ihrer Vertragsbedingungen zu ermöglichen“ (BT-Drs. 15/25 S. 39). Gesehen wurde eine besondere „Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer in dem komplizierten Dreiecksverhältnis bei Leiharbeit“ (BT-Drs. 15/25 S. 39). Darauf bezogen ist nicht nur der Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers nach § 13 AÜG, sondern zudem eine damit korrespondierende Verpflichtung des Entleihers in der Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher normiert worden (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG).

18Sinn und Zweck der gerichtlich einklagbaren Auskunft nach § 13 AÜG ist die Schaffung einer Vergleichsmöglichkeit zwischen den Leistungen des Verleihers und den nach dem Gleichstellungsgebot zustehenden Leistungen ( - Rn. 54). Die - ordnungsgemäße - Auskunft des Entleihers über das einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer gewährte Arbeitsentgelt ist das gesetzlich vorgesehene Mittel, das dem Leiharbeitnehmer ermöglichen soll, die Einhaltung des Gebots der Gleichbehandlung zu überprüfen und die Höhe des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG zu berechnen (vgl. BT-Drs. 15/25 S. 39;  - Rn. 22 mwN).

194. Der Auskunftsanspruch besteht nicht, wenn die Voraussetzungen von § 13 Halbs. 2 AÜG als Ausschlusstatbestand („gilt nicht“) vorliegen. Dadurch wird klargestellt, dass ein Auskunftsanspruch ausscheidet, „soweit“ kein Gleichbehandlungsanspruch besteht. Der Entleiher kann damit einem ihm gegenüber erhobenen Auskunftsanspruch entgegenhalten, dass er entgegen § 13 Halbs. 1 AÜG nicht bei Überlassung entstanden sei. Bei zu Unrecht unterlassener, verspäteter oder rechtlich unzutreffender Auskunft sind eventuelle Schadensersatzansprüche des Leiharbeitnehmers nicht ausgeschlossen.

20Anderes ergibt sich nicht aus Randnummer 16 der Entscheidung des - 5 AZR 776/12 -). Dort handelte es sich lediglich um eine für den damaligen Fall nicht entscheidungserbliche und daher offen gebliebene Fragestellung.

21a) § 13 Halbs. 2 AÜG wurde nicht bereits mit der Neukonzeption des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl. I S. 4607) normiert, sondern mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom (BGBl. I S. 2848) ergänzt. Durch die Änderung wird klargestellt, dass der Auskunftsanspruch des Leiharbeitnehmers gegenüber dem Entleiher nach § 13 AÜG nicht uneingeschränkt gilt, sondern nur insoweit besteht, als dies zur Bestimmung der Arbeitsbedingungen des Leiharbeitnehmers im konkreten Einzelfall erforderlich ist (BT-Drs. 15/1515 S. 133).

22b) Der Auskunftsanspruch nach § 13 Halbs. 1 AÜG hängt eng mit dem Gebot der Gleichbehandlung zusammen und kann ggf. auch teilweise bzw. eingeschränkt bestehen, wenn der angewandte Tarifvertrag auf bestimmte Arbeitsbedingungen im Entleihbetrieb Bezug nimmt (BT-Drs. 15/1515 S. 132 zur korrespondierenden Regelung in § 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG). Dabei wird die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Gleichbehandlungsansprüche bestehen oder ausscheiden, bereits im Rahmen des der tatsächlichen Überlassung vorausgehenden Vertrags in der Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher geklärt (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG).

23c) Es ist Sache des Entleihers, sich auf § 13 Halbs. 2 AÜG zu berufen. Die dafür erforderlichen Tatsachen stehen ihm aufgrund der Rechtsbeziehung zum Verleiher (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG) zur Verfügung. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 Halbs. 2 AÜG ist der Entleiher darlegungs- und beweisbelastet (vgl. auch Lembke in Boemke/Lembke AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 20).

24d) Unterlässt der Entleiher zu Unrecht die Auskunft oder erteilt er eine verspätete oder rechtlich unzutreffende Auskunft - auch bezogen auf die ihm aufgrund seiner vertraglichen Rechtsbeziehung mit dem Verleiher bekannten Ausnahmen des Gleichbehandlungsanspruchs (§ 12 Abs. 1 Satz 3 AÜG) -, können Schadensersatzansprüche des Leiharbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 BGB bestehen (vgl. auch Brors in Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 13 Rn. 6; Lembke in Boemke/Lembke AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 23; Pelzner/Kock in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 13 Rn. 12; Ulber/J. Ulber 4. Aufl. § 13 Rn. 15 f. und korrespondierend § 12 Rn. 14 und 15; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst/Urban-Crell AÜG 2. Aufl. § 13 Rn. 8).

255. Der Auskunftsanspruch des Klägers ist verjährt.

26a) Der Auskunftsanspruch fällt unter § 194 BGB und unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

27b) Der Auskunftsanspruch des Klägers ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung (einschließlich des Tag für Tag bis einschließlich ) entstanden. Der Kläger hatte von den anspruchsbegründenden Umständen (die Tatsache der tatsächlichen Überlassung) und der Person des Schuldners (die Beklagte als „sein“ Entleiher) Kenntnis. Ob seinem Auskunftsanspruch Ausnahmen vom Gleichstellungsgebot iSv. § 13 Halbs. 2 AÜG (beispielsweise die Anwendbarkeit von Tarifverträgen) entgegenstehen, gehörte nicht zu den anspruchsbegründenden Umständen und oblag nicht ihm einzubeziehen.

28c) Die Einrede der Verjährung bezogen auf den Auskunftsanspruch ist von der Beklagten erhoben worden. Für den Tätigkeitszeitraum des Klägers bei der Beklagten vom 17. September bis zum begann die Verjährungsfrist am . Sie lief am ab. Die Geltendmachung des Klägers im März 2011 erfolgte zu spät.

29III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1844 Nr. 31
DB 2014 S. 8 Nr. 29
NJW 2014 S. 8 Nr. 31
ZIP 2015 S. 52 Nr. 1
FAAAE-69216