Vergütungsanspruch des Bauunternehmers nach Bestellerkündigung: Anspruchsverjährung bei Verhandlung über Vertragsfortsetzung
Leitsatz
Verhandeln die Parteien nach Kündigung eines Bauvertrages über dessen Fortsetzung, ist regelmäßig die Verjährung eines Anspruchs aus § 649 Satz 2 BGB gehemmt.
Gesetze: § 203 S 1 BGB, § 649 S 2 BGB
Instanzenzug: Az: 2 U 7/12vorgehend LG Erfurt Az: 9 O 343/11
Tatbestand
1Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. GmbH (Schuldnerin). Er macht gegen den Beklagten einen nach § 649 Satz 2 BGB berechneten Vergütungsanspruch aus einem Bauwerkvertrag geltend.
2Die Schuldnerin und der Beklagte schlossen im Juli 2006 einen Vertrag, in dem sich die Schuldnerin zur Erstellung eines Einfamilienhauses verpflichtete. Diesen Vertrag kündigte der Beklagte mit Schreiben vom unter Benennung verschiedener Gründe, deren Berechtigung zwischen den Parteien streitig war und ist. Zwischen August 2006 und März 2007 korrespondierten und sprachen die Vertragsparteien über die Weiterführung des Vertragsverhältnisses. Zu diesen Verhandlungen heißt es im Schreiben der Schuldnerin vom :
"Laut aktuellem Stand aufgrund des Gesprächs vom ist der Abschluss weiterer Vertragsergänzungen avisiert mit dem besprochenen Inhalt. Den Leistungsumfang und die entsprechenden Kosten/Gutschriften entnehmen Sie bitte der mit Schreiben vom übersandten Zusammenfassung des Vertragsstandes. Sollte der Abschluss weiterer Vertragsergänzungen nicht gewünscht sein, bitten wir um verbindliche Mitteilung, ob der derzeit unterschriftlich vereinbarte Vertragsumfang zur Ausführung gelangen soll. Sollte Ihr Mandant am geschlossenen Bauvertrag nicht festhalten wollen, was wir sehr bedauern würden, wäre dessen Kündigungsschreiben vom als Kündigung nach § 649 BGB auszulegen. Vorsorglich weisen wir auf die entsprechenden Kostenfolgen hin. Ihr Mandant hätte die vereinbarte Vergütung abzüglich unserer Ersparnisse zu zahlen, ohne hierfür eine Gegenleistung zu erhalten. In diesem Fall würden wir Schlussrechnung legen."
3Zu einer Fortsetzung des Vertrages kam es nicht.
4Der Kläger erstellte unter dem eine Schlussrechnung unter Ansatz der Bauvertragssumme abzüglich ersparter Aufwendungen über 21.769,50 €. Wegen dieses Betrages hat der Kläger mit beim Amtsgericht am eingegangenem Antrag das Mahnverfahren eingeleitet. Nach Einlegung des Widerspruchs durch den Beklagten hat das Amtsgericht am die Nachricht über den Widerspruch und die Kostenanforderung zur Durchführung des streitigen Verfahrens an den Kläger versandt, wo sie am eingegangen ist. Der Kläger hat die Anspruchsbegründung am eingereicht und am den angeforderten Kostenvorschuss eingezahlt.
5Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
6Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
8Die auf § 649 Satz 2 BGB gestützte Vergütungsforderung verjähre regelmäßig binnen drei Jahren. Die Verjährung habe mit dem Ablauf des begonnen, da der Entstehungstatbestand für den geltend gemachten Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB mit dem Zugang der Kündigung des Beklagten im August 2006 gegeben gewesen sei. Die regelmäßige Verjährung habe sich deshalb mit Ablauf des vollendet.
9Diese Verjährung sei nicht durch Aufnahme von Verhandlungen über den streitgegenständlichen Vergütungsanspruch zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten gemäß § 203 BGB gehemmt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei der Begriff "Verhandlungen" im Sinne von § 203 Satz 1 BGB weit auszulegen. Würden Verhandlungen über den Anspruch aufgenommen, wirke die Hemmung auf den Zeitpunkt seiner Geltendmachung zurück. Unter "Anspruch" sei keine bestimmte materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage zu verstehen. Der Gläubiger müsse aber klarstellen, dass er einen Anspruch geltend mache und worauf er ihn im Kern stützen wolle. Der Gegenstand der Verhandlung sei durch Auslegung zu ermitteln. Auszugehen sei von dem Lebenssachverhalt, aus dem der Gläubiger seinen Anspruch herleite. Im Zweifel sei anzunehmen, dass sich die Verhandlung auf alle Ansprüche erstrecke, die sich aus diesem Sachverhalt für den Gläubiger ergeben könnten. Anderes gelte, wenn die Parteien nur über bestimmte Ansprüche verhandelt hätten, die aus dem Sachverhalt erwachsen könnten. Ausnahmsweise wirke daher die Hemmung für einen abgrenzbaren Teil der Ansprüche nicht, wenn die Parteien nur über bestimmte andere Ansprüche verhandelt hätten.
10Auf dieser Grundlage sei festzustellen, dass die Schuldnerin und der Beklagte nach der Erklärung der Kündigung des Bauwerkvertrages noch nicht über den nunmehr streitgegenständlichen Vergütungsanspruch aus § 649 Satz 2 BGB verhandelt hätten. Das Schreiben der Schuldnerin vom , welches die darauffolgende Korrespondenz eingeleitet habe, habe ausdrücklich zum Ziel gehabt, das gestörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. In der Folge hätten deshalb die Vertragsparteien über die Aufnahme von Zusätzen und Änderungen zum Bauwerkvertrag und über den aus solchen Abreden resultierenden geänderten Vertragspreis verhandelt. Inhaltlich sei es darum gegangen, ob das von dem Beklagten gekündigte Vertragsverhältnis mit Änderungen und Ergänzungen doch noch hätte durchgeführt werden können. Dies beinhalte gerade einen anderen, von der Geltendmachung des Anspruches aus § 649 Satz 2 BGB zu unterscheidenden und abtrennbaren Teil des Lebenssachverhaltes. Den Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB habe die Schuldnerin im Rahmen dieser Verhandlungen bewusst nicht geltend gemacht. Dies ergebe sich in aller Deutlichkeit aus dem Schreiben der Schuldnerin vom .
II.
11Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Verjährung des streitgegenständlichen Vergütungsanspruchs sei nicht durch die bis März 2007 zwischen den Vertragsparteien geführte Korrespondenz und die bis dahin andauernden Gespräche gehemmt worden, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
121. Gegenstand der Verhandlungen gemäß § 203 Satz 1 BGB sind der "Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände". Damit ist im Sinne eines Lebenssachverhalts die Gesamtheit der tatsächlichen Umstände gemeint, die nach dem Verständnis der Verhandlungsparteien einen Anspruch erzeugen, wobei das Begehren nicht besonders beziffert oder konkretisiert sein muss (BTDrucks. 14/6040 S. 112; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 203 Rn. 14). Dieser Lebenssachverhalt wird grundsätzlich in seiner Gesamtheit verhandelt. Damit werden sämtliche Ansprüche, die der Gläubiger aus diesem Sachverhalt herleiten kann, von der Hemmung der Verjährung erfasst (Staudinger/Peters/Jacoby, aaO, § 203 Rn. 14, 15). Ausnahmsweise wirkt die Hemmung nicht für einen abtrennbaren Teil eines Anspruchs, wenn die Parteien nur über den anderen Teil verhandelt haben. Eine solche Beschränkung der Hemmungswirkung muss sich aus dem Willen der Verhandlungsparteien eindeutig ergeben (, NJW 1998, 1142).
132. Den Verhandlungen der Vertragsparteien lag die Vorstellung zugrunde, der Schuldnerin könne ein Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB zustehen. Dieser Anspruch bestand nur, wenn dem Beklagten ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung nicht zustand. Die dafür maßgeblichen Umstände waren streitig. Eine Umsetzung der Kündigung war daher für beide Vertragsparteien risikobelastet und praktisch schwierig. Deshalb haben die Vertragsparteien über die Möglichkeiten, das Bauvorhaben fortzuführen, korrespondiert und gesprochen.
14Verhandelt wurde damit über den einheitlichen Lebenssachverhalt, der sich aus dem Werkvertrag, den Schwierigkeiten der Vertragsverwirklichung, der Kündigung und den Abhilfemöglichkeiten zusammensetzt. Aus diesem Lebenssachverhalt folgt auch der Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB. Diesen Teil des Lebenssachverhalts haben die Vertragsparteien von ihren Verhandlungen gerade nicht ausgeschlossen. Er bildete vielmehr den Hintergrund der Verhandlungsbemühungen, wie sich aus dem Schreiben der Schuldnerin vom ergibt.
III.
15Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Nach den getroffenen Feststellungen ist der Anspruch des Klägers nicht verjährt:
161. Nach § 203 Satz 1 BGB endet die Hemmung auch durch das Einschlafen der Verhandlungen. Das ist der Zeitpunkt, in dem spätestens eine Erklärung der anderen Seite zu erwarten gewesen wäre. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Anwalt des Beklagten darauf hingewiesen, nach seinem am endenden Urlaub auf die Angelegenheit zurückzukommen. Danach sind entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nur eine Woche, sondern mindestens zwei Wochen als angemessene Reaktionsfrist anzusetzen. Damit endeten die Verhandlungen nicht vor Ablauf des . Deshalb war die Verjährung mindestens 88 Tage gehemmt.
172. Die weitere Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO begann am und endete wegen Nichtbetreibens des Verfahrens am (§ 204 Abs. 2 Satz 2 BGB). Unter Berücksichtigung der Hemmungsfrist nach § 203 Satz 1 BGB wäre die Verjährungsfrist am abgelaufen.
183. Mit Eingang des Schriftsatzes vom an diesem Tag bei Gericht begann die Hemmung nach § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB erneut.
IV.
19Die Klageabweisung des Berufungsgerichts wegen Verjährung kann daher keinen Bestand haben. Da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Vergütungsanspruchs getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Kniffka Eick Halfmeier
Kartzke Jurgeleit
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 2716 Nr. 37
NJW 2014 S. 6 Nr. 28
NJW-RR 2014 S. 981 Nr. 16
WM 2014 S. 1925 Nr. 40
PAAAE-68608