BGH Beschluss v. - 4 StR 143/14

Kreditbetrug: Vermögensschaden bei Stellung von Sicherheiten durch den Schuldner

Gesetze: § 263 StGB

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 9 KLs 11/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in 13 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht den Schuldumfang der 13 Haupttaten, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, nicht rechtsfehlerfrei bestimmt hat.

3a) Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; , BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (, NStZ 2011, 638, 639). Ob und in welchem Umfang die Hingabe eines Darlehens einen Vermögensschaden bewirkt, ist daher durch einen für den Zeitpunkt der Darlehenshingabe anzustellenden Wertvergleich mit dem Rückzahlungsanspruch des Darlehensgläubigers zu ermitteln. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs wird dabei durch die Bonität des Schuldners und den Wert der bestellten Sicherheiten bestimmt. Ein Schaden entsteht nur insoweit, als die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht besteht (, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 69) und auch gegebene Sicherheiten wertlos oder minderwertig sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 6/05, NStZ-RR 2005, 374, 375, und vom - 3 StR 559/08, NStZ-RR 2009, 206). Auch bei einer eingeschränkten oder fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Schuldners entsteht demnach insoweit kein Schaden, als der getäuschte Gläubiger über werthaltige Sicherheiten verfügt, die - ohne dass der Schuldner dies vereiteln könnte - mit nur unerheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sind (, NStZ 2009, 150). Ein Minderwert des Rückzahlungsanspruchs kann mithin durch den Wert hinreichend werthaltiger und liquider Sicherheiten kompensiert werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom und , jeweils aaO; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 133).

4Dieser Minderwert des im Synallagma Erlangten ist dabei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu bestimmen (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 307/12, wistra 2013, 20, vom - 5 StR 442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76, vom und , jeweils aaO). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 170, 229; 130, 1, 47) ist er konkret festzustellen und zu beziffern. Die banküblichen Bewertungsansätze für Wertberichtigung können hierbei Anwendung finden; denn ist aufgrund fehlender Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen, so müssen entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden ( aaO; vgl. auch , BGHSt 58, 102, 114 f.). Sofern genaue Feststellungen zur Einschätzung des Ausfallrisikos nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den dadurch bedingten Minderwert und den insofern eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelssatzes zu schätzen.

5b) Diesen Maßstäben wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht, wenn es zur Bezifferung der Schäden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB allein auf den Vermögensverlust abstellt, der den geschädigten Finanzinstituten durch die Ausreichung der Immobilienkredite entstanden ist und den es mit insgesamt 1.642.100 € beziffert. Die Strafkammer hätte vielmehr den Wert der Rückzahlungsansprüche unter Berücksichtigung der Werthaltigkeit der als Sicherheiten bestellten Grundschulden zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung ermitteln müssen (UA 12). Nur soweit jeweils ein täuschungsbedingter Minderwert des gesicherten Darlehensrückzahlungsanspruchs vorliegt, ist die Annahme eines Schadens - ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf des Darlehensverhältnisses (noch) ankommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 422/12, NStZ 2013, 711, und vom - 3 StR 347/13, StraFo 2014, 166) - gerechtfertigt.

6c) Dieser Mangel führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Angesichts der mit erheblichem Aufwand durchgeführten Vortäuschung der Personalien nichtexistenter Personen auf Seiten der Darlehnsnehmer sowie der Vortäuschung überhöhter Verkehrswerte und Kaufpreise schließt der Senat aus, dass in den zur Aburteilung gelangten Fällen überhaupt kein Schaden entstanden ist. Da somit der Rechtsfehler allein in der unterbliebenen Bezifferung des Schadensumfangs liegt, sind lediglich die Strafaussprüche aufzuheben (vgl. BGH, Beschlüsse vom , NStZ 2013, 711, 713, und vom , aaO, Rn. 4). Der Senat kann letztlich nicht ausschließen, dass die - milden - Strafen auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruhen.

72. Die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe müssen daher neu zugemessen werden. Einer Aufhebung der Feststellungen zur Strafzumessung bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen bleiben zulässig und sind zur Frage des Schuldumfangs notwendig.

Sost-Scheible                           Roggenbuck                        Cierniak

                       Mutzbauer                              Bender

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
wistra 2014 S. 349 Nr. 9
IAAAE-68590