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LSG Niedersachsen-Bremen Urteil v. - L 2 R 142/13

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung aufgrund einer für die Beigeladene zu 1. ausgeübten Tätigkeit als Kameramann. Der 1965 geborene Kläger wurde in den 90er Jahren zum Kameramann umgeschult und übt seitdem diesen Beruf für wechselnde Auftraggeber aus. Der bei der Beigeladenen zu 2. krankenversicherte Kläger wird von der zu 3. beigeladenen Künstlersozialkasse als Mitglied geführt. 1998 stellte diese nach Maßgabe der seinerzeit wahrgenommenen Tätigkeit die Ausübung einer selbständigen nach dem Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG) versicherungspflichtigen selbständigen künstlerischen Tätigkeit fest. Mit Schreiben vom 26. August 2004 bestätigte die Künstlersozialkasse dem Kläger, dass er mit den 1998 vorgelegten Nachweisen "seinerzeit" eine selbständige Tätigkeit nachgewiesen habe. Diese Feststellung habe jedoch nicht zur Folge, dass alle von ihm wahrgenommenen Arbeiten zwangsläufig als selbständige Tätigkeiten anzusehen seien. Vielmehr sei es auch ohne weiteres möglich, dass im Rahmen der künstlerischen Berufsausübung auch abhängige Beschäftigungsverhältnisse eingegangen würden. Auch könnten eine selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt werden. Seit Ende 1999 ist der Kläger als Kameramann auch für die Beigeladene zu 1. tätig. Diese sieht sich nach Maßgabe ihres Internetauftritts als "Full-Service-Dienstleister für TV und Neue Medien" und misst sich die Bedeutung "eines der führenden Sport-TV-Produzenten im deutschsprachigen Raum" bei. Insbesondere zeichnet sich die Beigeladene für die Produktion von Fernsehübertragungen bei Sportereignissen, und zwar namentlich auch bei Bundesligaspielen, verantwortlich. Bei diesen Sportübertragungen stellt die Beigeladene zu 1. auch die benötigte Zahl von Kameraleuten, wobei bei größeren Ereignissen bis zu etwa 15 Kameraleute an unterschiedlichen Kameras zum Einsatz kommen. In diesem Rahmen hat sie auch den Kläger insbesondere bei der Übertragung von Bundesligaspielen als Kameramann eingesetzt. Dabei hat sie mit dem Kläger für jede einzelne Veranstaltung eine gesonderte - im Regelfall telefonische - Vereinbarung getroffen. Diese Vereinbarung betraf im Regelfall nur einen einzelnen Drehtag, mitunter bei mehrtägigen Veranstaltungen auch mehrere aufeinanderfolgende Drehtage, etwa mehrere aufeinander folgende Tage eines Wochenendes. Der Kläger, der neben seinen Einsätzen für die Beigeladene zu 1. auch für andere Auftraggeber tätig wurde und wird, war und ist frei in seiner Entscheidung, ob er entsprechende Aufträge annimmt. Umgekehrt ist die Beigeladene zu 1. frei in ihrer Entscheidung, ob und mit welcher Häufigkeit sie dem Kläger entsprechende Drehaufträge erteilt. Hat der Kläger einen solchen Einzelauftrag angenommen, dann wird naturgemäß von der Beigeladenen zu 1. erwartet, dass er diesen persönlich verlässlich wahrnimmt. Nach dem Einsatz stellt der Kläger der Beigeladenen zu 1. das jeweils vereinbarte Honorar (in der Regel in der Größenordnung von anfangs etwa 300 EUR und später etwa 340 EUR je Drehtag) zuzüglich einer ggfs. vereinbarten Fahrtkostenerstattung (wobei der Kläger auf den Rechnungen allerdings oft auch vermerkt hat, dass die Wege im Rahmen einer Fahrgemeinschaft mit anderen Produktionsmitarbeitern zurückgelegt worden sind) und oftmals einer Spesenpauschale von 6 EUR (für einen mehr als 8- und weniger als 14stündigen Einsatz) sowie die gesetzliche Mehrwertsteuer in Rechnung. Insgesamt rechnete der Kläger gegenüber der Beigeladenen zu 1. entsprechend berechnete Honorare in einer Gesamthöhe von 371,44 EUR für Dezember 1999, 11.160,94 EUR im Jahr 2000, 14.161,90 EUR im Jahr 2001, 17.245,30 EUR im Jahr 2002, 21.371,01 EUR im Jahr 2003, 12.563,72 EUR im Jahr 2004, 6.986,33 EUR im Jahr 2005, 8.831,95 EUR im Jahr 2006, 1.786 EUR im Jahr 2007, 1.443,40 EUR im Jahr 2008, 2.004,62 EUR im Jahr 2009, 340 EUR im Jahr 2010, 706 EUR im Jahr 2011, 706 EUR im Jahr 2012, 1851,40 EUR im Jahr 2013 ab (vgl. wegen der Einzelheiten Schriftsatz vom 29. November 2013 nebst Anlagen). Im Januar 2014 war der Kläger am 3. und am 11. Januar 2014 für die Beigeladene tätig. Die Beigeladene zu 1. hat die abgerechneten Honorarzahlungen an den Kläger erbracht und überdies jedenfalls zeitweilig aufgrund ihrer auch Beiträge unter der Annahme einer abhängigen Beschäftigung an die Rentenversicherung entrichtet. Das Finanzamt Hannover-Mitte hat dem Kläger mit Schreiben vom 15. März 2005 (Bl. 8 Verwaltungsvorgänge) mitgeteilt, dass die Betriebseinnahmen aus der Tätigkeit als Kameramann als Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG behandelt würden, wobei eine Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG gegeben sei. Bei den entsprechenden Einsätzen hat der Kläger ebenso wenig wie die weiteren eingesetzten Kameraleute Kameras oder anderweitig technische Aufnahmemittel mitzubringen, alle Aufnahmegeräte (die, soweit sich dies nach Maßgabe des Vortrages der Beteiligten beurteilen lässt, im Eigentum weiterer an der Fernsehproduktion beteiligter Unternehmen stehen) sind vielmehr vor Ort bereits vorhanden. Von den Kameraleuten wird lediglich erwartet, dass sie ihr persönliches Handy mitführen, um bei Bedarf auch auf diesem Wege jederzeit erreichbar zu sein. Aufgrund persönlicher Vorlieben bringen einzelne Kameraleute mitunter auch eigene kleinere Hilfsmittel, etwa individuelle Kopfhörer oder ein vertrautes Einbeinstativ für die Handkamera, mit; hierzu besteht jedoch weder eine Verpflichtung noch eine Notwendigkeit. Im Einzelnen läuft ein Drehtag für die beteiligten Kameraleute üblicherweise nach den Schilderungen des Klägers wie folgt ab: Es erfolgt zunächst eine telefonische Vorabsprache mit dem Disponenten, ob er an dem vorgesehenen Drehtag auch verfügbar und bereit ist, den Auftrag zu übernehmen. Bejahendenfalls erhält er dann nähere Angaben zum Ort und Zeitpunkt des Spieles und zu den beteiligten Mannschaften. Es wird von ihm erwartet, dass er etwa 2 1/4 Stunden vor Spielbeginn im Stadion eintrifft. Dort gibt es zunächst eine Besprechung mit den übrigen Beteiligten, d.h. insbesondere auch mit dem Regisseur und den weiteren Kameraleuten. Die vorgesehenen Kameras werden - soweit möglich einvernehmlich - auf die jeweiligen Kameraleute verteilt. Üblicherweise kennen sich die Beteiligten, so dass der Regisseur oftmals auch weiß, welcher Kameramann an welchen Positionen und mit welchen Kameras besondere Erfahrungen haben. Die Kameraleute erhalten im Rahmen dieser Vorbesprechung auch nähere Informationen, worauf voraussichtlich im Laufe des Spieles besonders zu achten ist. Verdiene beispielsweise der Trainer besondere Aufmerksamkeit, weil etwa über seine Entlassung diskutiert werde, pflegen die Kameraleute aufgrund entsprechender Hinweise namentlich drauf zu achten, dass der Trainer öfters im Bild zu sehen ist, soweit dies mit der Dokumentation des eigentlichen Spieles zu vereinbaren ist. Nach dieser Besprechung folgt noch eine technische Probe. Die Kameraleute richten ihre Kameras nach den persönlichen Bedürfnissen aus. Die Bildqualität wird überprüft. Wenn diese Probeaufzeichnungen keine Probleme ergeben haben, schließt sich üblicherweise noch eine Pause an. Etwa 35 Minuten vor dem Spiel begeben sich dann die Kameraleute auf ihre Positionen. Danach beginnt der Einlauf der Spieler und das Warmmachen vor dem Spiel. Dementsprechend starten dann auch die Aufzeichnungen, die bis zum Spielende fortgesetzt werden. An seiner jeweiligen Position entscheidet der Kameramann entsprechend seiner fachlichen und künstlerischen Ausbildung selbst über die konkrete Führung der Kamera. Er bestimmt den genauen Bildausschnitt und die technischen Einzelheiten seiner Aufnahme. Die Bilder aller Kameras werden in den Übertragungswagen übertragen. Dort sitzt der Regisseur und wählt anhand der Monitore, auf denen die Bilder aller eingesetzten Kameras übertragen werden, das Bild aus, das jeweils live übertragen wird. Mitunter übermittelt der Regisseur auch einzelne knappe Kommentare über Funk, etwa "Klasse Bild" oder ähnliches. Bei bis zu 15 Kameraleuten ist er aber naturgemäß gar nicht in der Lage, jedem der Kameraleute konkrete Einzelanweisungen zu erteilen. Er muss sich darauf verlassen, dass die Kameraleute als Fachleute die erforderlichen Bilder in der gewünschten Qualität liefern. Dem Spiel schließt sich eine kurze Abschlussbesprechung an. Bei dieser werden etwa eventuell aufgetretene technische Probleme angesprochen, die vor dem nächsten Spiel behoben werden müssen. Nach dieser Abschlussbesprechung ist der jeweilige Einsatz beendet. Im Dezember 2005 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungspflichtigen Status des Klägers. Die Beklagte stellte zunächst mit Bescheid vom 19. Juni 2006 das Verfahren im Hinblick auf die o.g. Entscheidung der zu 3. beigeladenen Künstlersozialkasse ein. Nachdem die Beigeladene zu 3. jedoch mitgeteilt hatte, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. gar nicht Gegenstand ihrer Prüfung gewesen sei, hob die Beklagte diesen Bescheid vom 19. Juni 2006 mit nachfolgendem - bestandskräftig gewordenen - Bescheid vom 10. Oktober 2008 gestützt auf § 45 Sozialgesetzgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wiederum auf. Nach weiterer Anhörung der Beteiligten und unter Berücksichtigung einer (irrtümlichen) telefonischen Auskunft der Beigeladenen zu 1., wonach der Kläger seine dortige Tätigkeit am 24. November 2001 aufgenommen habe, stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 27. November 2008 gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen fest, dass der Kläger seine Tätigkeit als Kameramann bei der Beigeladenen zu 1. seit dem 24. November 2001 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe; die "Versicherungspflicht dem Grunde nach" beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung. Die hiergegen vom Kläger und von der Beigeladenen zu 1. eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Bescheiden vom 17. September 2009 zurück. Mit der am 19. Oktober 2009 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er seine Dienstleistungen als Kameramann als freier Unternehmer auf dem Markt anbiete. Er könne frei darüber entscheiden, welche Aufträge er annehme. Die Beklagte habe versäumt, allen Umständen sachgerecht Rechnung zu tragen. Auch wenn es natürlich richtig sei, dass die Übertragung etwa eines Bundesligaspiels "eine Abfolge streng strukturierter Arbeitsprozesse" darstelle, sei er doch in der künstlerischen Gestaltung des Bildmaterials völlig weisungsfrei. Allerdings müsse er sich in der Praxis bemühen, den Vorlieben der einzelnen Kunden zu entsprechen, um die Chancen auf einen Folgeauftrag zu verbessern. Mit Urteil vom 7. März 2013, dem Kläger zugestellt am 18. März 2013, hat das Sozialgericht Hannover die Klage abgewiesen. Gestützt insbesondere auch auf ein Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28. März 2012 - L 8 R 156/09 (Juris) - hat es im Einzelnen dargelegt, dass die Beklagte zutreffend von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen sei. Mit der am 15. April 2013 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger unter Heranziehung insbesondere eines Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 23. November 2011 - L 5 R 5703/09 (Juris) - sein Begehren weiter. Er hebt hervor, dass nicht die Beigeladene zu 1., sondern die jeweilige Fernsehanstalt federführend bei der Übertragung von Sportereignissen sei. Letztere bediene sich mehrerer Subunternehmen, zu denen auch die Beigeladene zu 1. zähle, wohingegen beispielsweise das für die Aufnahmen und die Übertragung erforderliche technische Equipment von einem anderen Unternehmen gestellt werde. Schon dies mache deutlich, dass er nicht in den Betrieb der Beigeladenen zu 1. eingegliedert sein könne, zumal diese auch nicht die Regie stelle. Soweit der Kläger zu Beginn des Berufungsverfahrens noch geltend gemacht hat, dass er von Seiten der Beigeladenen zu 1. "regelmäßig" bei Heimspielen der norddeutschen Fußballmannschaften eingesetzt werde, musste er im weiteren Verlauf einräumen, dass er ohnehin nur noch eher sporadisch zum Einsatz kommt. Die Aufträge seien insgesamt so stark rückläufig, dass er bereits Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Anspruch nehmen müsse. Dabei werde er in seiner beruflichen Tätigkeit auch dadurch nachhaltig beeinträchtigt, dass die Beklagte ihm gegenüber auf der Durchsetzung einer Versicherungspflicht bestehe, wohingegen viele Konkurrenten Bescheinigungen der Sozialversicherungsträger vorlegen könnten, wonach sie nicht der Sozialversicherungspflicht unterfielen. Viele potentielle Auftraggeber würden vorzugsweise Aufträge an Kameraleute mit entsprechenden Freistellungsbescheinigungen erteilen. Mit Bescheiden vom 21. Januar 2014 hat die Beklagte ihre Bescheide vom 27. November 2008 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 17. September 2009 dahingehend geändert, dass sie eine Versicherungspflicht des Klägers in der vom ihm "seit dem 24. 11. 2001 ausgeübten Beschäftigung als Kameramann" bei der Beigeladenen zu 1. als unständig Beschäftigter in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie in der sozialen Pflegeversicherung festgestellt hat, und zwar bezogen auf die Zeiträume 24. November bis 20. Dezember 2001, 26. Januar bis 29. Mai 2002, 11. August 2002 bis 25. Mai 2003, 27. Juni 2003, 2. August 2003 bis 25. Mai 2004, 3. Juli 2004, 17. August 2004, 11. September 2004, 26. bis 28. August 2005, 7. Oktober bis 18. November 2005, 21. März bis 27. Juni 2006, 9. bis 28. November 2006, 14. Juli 2007, 13. September bis 7. Oktober 2007, 2. bis 11. Dezember 2007, 23. Juni 2008, 30. Oktober bis 12. November 2008, 21. Dezember 2008, 19. bis 26. Februar 2009, 21. Oktober 2009, 16. Oktober 2010, 25. Februar 2011, 3. April 2011, 4. Oktober 2012, 8. November 2012, 3. bis 28. Januar 2013, 13. Juni 2013 und 9. September 2013. Soweit in diesen Bescheiden Zeiträume von mehreren Wochen bzw. Monaten aufgeführt sind, handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Zusammenfassung der Beklagten von Zeiträumen, in denen in relativ engem zeitlichen Abstand mehrere Drehaufträge von dem Kläger für die Beigeladene zu 1. verrichtet wurden. Auch in diesen Zeiträumen verständigten sich der Kläger und die Beigeladene zu 1. jedoch über jeden einzelnen Drehauftrag für jeden Drehtag (bzw. für die Dauer der einzelnen nur mehrere Tage umfassenden Veranstaltung) gesondert. Es gab keine Rahmenvereinbarung, mit der sich der Kläger zur regelmäßigen Übernahme oder die Beigeladene zu 1. zur regelmäßigen Erteilung entsprechender Aufträge verpflichtet hätte.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
OAAAE-68092

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