Keine AfaA bei einer allgemein marktbedingten Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines Gebäudes (hier: wegen deutlich geminderter Mieterlöse)
Leitsatz
1. Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) setzen entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden Wirtschaftsgutes (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus. Die außergewöhnliche "Abnutzung" geschieht durch Einwirken auf das Wirtschaftsgut (hier Gebäude) im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung.
2. So verhält es sich z.B., wenn bei Beendigung eines Mietverhältnisses erkennbar wird, dass das Gebäude wegen einer auf den bisherigen Mieter ausgerichteten Gestaltung nicht oder nur eingeschränkt an Dritte vermietbar ist. Nicht ausreichend ist hingegen eine bloße Wertminderung.
3. Die Voraussetzungen einer AfaA sind demgegenüber nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige ein bereits mit Mängeln behaftetes Gebäude erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende Wirtschaftsgut in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Ist aber ein Mangel in diesen Maßstabszustand mit eingegangen, so kann er ihn nicht ändern und das Wirtschaftsgut nicht in seiner Nutzbarkeit mindern.
4. Eine AfaA kommt nicht in Betracht, wenn die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines Gebäudes in Gestalt deutlich geminderter Mieterlöse nicht überwiegend auf eine auf die bisherige Hauptmieterin zugeschnittene Ausgestaltung des Objekts, sondern primär auf andere Umstände zurückzuführen ist.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 1, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, EStG § 7 Abs. 1 Satz 7
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) für ein im Teileigentum der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stehendes Gewerbeobjekt im Streitjahr 2007.
2 Die Klägerin erwarb das Teileigentum 1999 vom Konkursverwalter des Bauträgers, der die gesamte Gewerbeeinheit 1996 fertiggestellt hatte, für insgesamt 2.804.880 DM. Das Teileigentum besteht aus einer im Kellergeschoss gelegenen, von der Hofseite ebenerdig zu begehenden Einheit mit drei Ladenlokalen (Nutzfläche von 860 qm) sowie dem zugehörigen Miteigentumsanteil an der Straßenparzelle und drei Garagen. Das größte der drei Ladenlokale hat eine Gesamtfläche von ca. 783 qm, wovon ca. 602 qm auf die Verkaufsfläche, ca. 153 qm auf das Lager sowie ca. 28 qm auf Sozialräume entfallen. Die beiden anderen Ladenlokale haben eine Größe von insgesamt 114 qm.
3 Mit Erwerb des Teileigentums gingen die für die Objekte bestehenden Mietverträge auf die Klägerin über, insbesondere der seit 1993 bestehende Vertrag über die größte Gewerbeeinheit, in dem auch die bauliche und technische Ausstattung des Objekts geregelt wurde. Die Mieterin (Hauptmieterin) dieser Gewerbeeinheit betrieb dort einen Lebensmitteldiscount. Das Mietverhältnis sollte mit Übergabe des bezugsfertigen Objekts beginnen und am enden. Die Mieterin hatte jedoch ein Optionsrecht zur Verlängerung des Mietverhältnisses durch einseitige Erklärung sechs Mal um je drei Jahre.
4 Unter dem teilte die Hauptmieterin der Klägerin mit, dass sie den Mietvertrag bis zum verlängere und auf die nachfolgenden Optionsrechte verzichte.
5 Die Klägerin erklärte im Streitjahr negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 706.236,46 €, wovon 702.470 € auf eine AfaA des von der Hauptmieterin angemieteten Objekts entfielen, das zum mit einem Buchwert von 975.418 € geführt wurde. Die AfaA begründete die Klägerin damit, dass bis zur Kündigung der Hauptmieterin im Jahr 2006 Mieten in Höhe von 103.908 € pro Jahr erzielt worden seien, aktuell hingegen —trotz intensiver Bemühungen und einjährigem Leerstand— lediglich noch 20.460 € erwirtschaftet werden könnten.
6 Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lediglich einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 3.766 €. Der Einspruch der Klägerin, im Rahmen dessen sie nunmehr einen Verlust in Höhe von 822.006 € geltend machte, hatte keinen Erfolg.
7 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 605 veröffentlichten Urteil ab. Die Voraussetzungen für eine AfaA lägen nicht vor. Es handele sich um eine Rentabilitätseinbuße, die eine AfaA nicht rechtfertige. Nach dem Auszug der Hauptmieterin habe sich nicht aufgrund der nach den Vorgaben der Mieterin erfolgten Ausgestaltung des Objekts eine eingeschränkte Vermietbarkeit an Dritte ergeben. Die Schwierigkeiten der erneuten Vermietung seien auf andere Umstände, u.a. auf die Lage des Objekts, zurückzuführen. Auch die Tatsache, dass das Objekt der Klägerin den aktuellen Anforderungen der Lebensmittelbranche nicht mehr entspreche, sei kein unmittelbar körperlich auf das Objekt einwirkendes Ereignis, das eine AfaA rechtfertige.
8 Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie u.a. die Widersprüchlichkeit der Sachverhaltsfeststellungen des FG rügt.
9 Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer AfaA in Höhe von 818.240 € niedriger festgesetzt werden.
10 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
11 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht die Anerkennung von AfaA im Streitjahr versagt.
12 1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Streitjahres sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , BFHE 220, 264, BStBl II 2008, 572). Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG auch Absetzungen für Abnutzung, wozu nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG auch AfaA gehören.
13 AfaA setzen entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden Wirtschaftsgutes (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus (vgl. ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteile vom IX R 23/92, BFHE 176, 327, BStBl II 1995, 306, und vom IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21). Die außergewöhnliche „Abnutzung” geschieht durch Einwirken auf das Wirtschaftsgut (hier Gebäude) im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung (, BFHE 205, 79, BStBl II 2004, 592, unter II.1.a, m.w.N.).
14 So verhält es sich z.B., wenn bei Beendigung eines Mietverhältnisses erkennbar wird, dass das Gebäude wegen einer auf den bisherigen Mieter ausgerichteten Gestaltung nicht oder nur eingeschränkt an Dritte vermietbar ist (, BFHE 223, 53, BStBl II 2009, 301; vom VIII R 34/76, BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161, unter I.2.b; vgl. zu weiteren Fällen Blümich/ Brandis, § 7 EStG Rz 532, m.w.N.). Nicht ausreichend ist hingegen eine bloße Wertminderung (, BFHE 220, 366, BStBl II 2009, 449).
15 Die Voraussetzungen einer AfaA sind demgegenüber nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige ein bereits mit Mängeln behaftetes Gebäude erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende Wirtschaftsgut in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Ist aber ein Mangel in diesen Maßstabszustand mit eingegangen, so kann er ihn nicht ändern und das Wirtschaftsgut nicht in seiner Nutzbarkeit mindern (vgl. BFH-Urteil in BFHE 205, 79, BStBl II 2004, 592).
16 Ob im Einzelfall die Voraussetzungen von AfaA vorliegen, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall durch tatrichterliche Würdigung festzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 223, 53, BStBl II 2009, 301, m.w.N.).
17 2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht keine AfaA anerkannt.
18 Ist eine AfaA bei einer schon im Zeitpunkt der Anschaffung bestehenden Beschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit nicht zu gewähren, so ist im Streitfall eine seit der Fertigstellung im Jahr 1996 bestehende, wesentlich durch den ursprünglichen Mietvertrag bestimmte bauliche und technische Ausstattung des Objekts schon im Ansatz nicht geeignet, eine außergewöhnliche Abnutzung nach der im Jahr 1999 durch die Klägerin erfolgten Anschaffung zu begründen.
19 Im Übrigen war nach den möglichen und gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden Feststellungen des FG die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des streitbefangenen Objekts in Gestalt der deutlich geminderten Mieterlöse nicht überwiegend auf eine auf die bisherige Hauptmieterin zugeschnittene Ausgestaltung des Objekts, sondern primär auf andere Umstände zurückzuführen. Es ist insbesondere auch nicht widersprüchlich, wenn das FG davon ausgeht, dass das Objekt den Anforderungen der Lebensmittelbranche im Streitjahr nicht entsprach, ihm aber gleichzeitig die Grundstruktur zum Betrieb eines Verbrauchermarktes nicht abspricht.
20 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2017 S. 2028 Nr. 35
BFH/NV 2014 S. 1202 Nr. 8
EStB 2014 S. 257 Nr. 7
HFR 2014 S. 783 Nr. 9
StBW 2014 S. 527 Nr. 14
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2014 S. 499
PAAAE-67435