Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung: Wert der Berufungsbeschwer des beklagten Mieters
Gesetze: § 522 Abs 1 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 558b BGB
Instanzenzug: Az: 311 S 16/13vorgehend Az: 41 C 81/12
Gründe
I.
1Die während des Prozesses verstorbene Rechtsvorgängerin des Beklagten war Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Hamburg.
2Mit Schreiben vom bat die Klägerin die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden: Beklagter) unter Darlegung des Erhöhungsgrundes, einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 €/Monat auf 393,60 €/Monat ab zuzustimmen. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom ausdrücklich ab und führte im folgenden Text unter anderem aus: "Einer Erhöhung meiner Netto-Kaltmiete von 362,88 € auf 371,84 € würde ich zustimmen". Zu einer Vereinbarung über eine Nettokaltmiete in Höhe von 371,84 € kam es in der Folge nicht; auch Zahlungen in dieser Höhe leistete der Beklagte nicht.
3Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten, der Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 € auf 393,60 € ab zuzustimmen. In den Instanzen hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses teilweise unzulässig, weil er einer Mieterhöhung auf 371,84 € in dem Schreiben vom zugestimmt habe.
4Das Amtsgericht hat den Beklagten verurteilt, einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 € auf 385,28 € ab zuzustimmen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
5Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € nicht übersteige. Der Wert sei vorliegend nach § 9 ZPO mit dem 42-fachen Wert der von dem Beklagten beanstandeten Mieterhöhung zu bemessen. Da der Beklagte, wie er selbst vortrage, bereits vorprozessual einer Mieterhöhung auf monatlich 371,84 € zugestimmt habe, liege die von ihm beanstandete Mieterhöhung lediglich in der Differenz zwischen 371,84 € und der vom Amtsgericht ausgeurteilten neuen Miete von 385,28 €, mithin bei 13,44 €. Der 42-fache Wert dieses Betrags liege mit 564,48 € unter dem vom Gesetz in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgeschriebenen Wert des Beschwerdegegenstands von 600 €.
II.
61. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil gemäß den nachstehenden Ausführungen die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
72. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen und damit den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, denn es hat dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom - VIII ZB 45/12, NJW 2013, 2361 Rn. 7 mwN). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes den nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Betrag von 600 €.
8a) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, bemisst sich im auf unbestimmte Zeit geschlossenen Wohnraummietverhältnis die Berufungsbeschwer für Klagen auf Mieterhöhung am dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Mietererhöhungsbetrags (Senatsbeschluss vom - VIII ZB 9/06, WuM 2007, 32 unter II 2).
9b) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, im Streitfall betrage die Beschwer des Beklagten in Anwendung dieser Vorgaben lediglich 564,48 €.
10Mit der rechtlichen Wertung, der Wert des Beschwerdegegenstandes betrage deshalb nur 564,48 €, weil der Beklagte dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin bereits vorprozessual zugestimmt habe, verkennt das Berufungsgericht, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes des Beklagten dem Wert seiner Verurteilung in erster Instanz entspricht (materielle Beschwer; vgl. , NJW-RR 2007, 765, Rn. 6). Da das Amtsgericht den Beklagten verurteilt hat, einer Erhöhung der Nettokaltmiete von 362,88 € auf 385,28 € ab zuzustimmen und der Beklagte diese Verurteilung mit seiner Berufung in vollem Umfang zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt hat, beträgt im Streitfall der Wert des Beschwerdegegenstandes 940,80 € (= 42 x 22,40 €).
11Der angefochtene Beschluss kann mithin keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles
Dr. Schneider Kosziol
Fundstelle(n):
IAAAE-67284