AEAO Zu § 34

Zu § 34 Pflichten der gesetzlichen Vertreter und der Vermögensverwalter:

1.  Allgemeines

Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen sowie rechtsfähiger Personenvereinigungen, die Geschäftsführer von Vermögensmassen (§ 34 Abs. 1 AO), die Mitglieder, Gesellschafter oder Gemeinschafter einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung (§ 34 Abs. 2 AO) sowie die Vermögensverwalter im Rahmen ihrer Verwaltungsbefugnis (§ 34 Abs. 3 AO) treten in ein unmittelbares Pflichtenverhältnis zur Finanzbehörde. Sie haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen auferlegt sind. Dazu gehören z. B. die Buchführungs-, Erklärungs-, Mitwirkungs- oder Auskunftspflichten (§§ 140 ff., 90, 93 AO), die Verpflichtung, Steuern zu zahlen und die Vollstreckung in dieses Vermögen zu dulden (§ 77 AO).

2.  Gesetzliche Vertretung einer Personenhandelsgesellschaft oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft

2.1  Offene Handelsgesellschaften (OHG)

Zur Vertretung einer OHG ist jeder Gesellschafter befugt, wenn er nicht durch den Gesellschaftsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist (§ 124 HGB).

Im Gesellschaftsvertrag kann vereinbart werden, dass alle oder mehrere Gesellschafter nur gemeinsam zur Vertretung der OHG befugt sein sollen. Die zur Gesamtvertretung befugten Gesellschafter können einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen.

Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der OHG einschließlich der Veräußerung und Belastung von Grundstücken sowie der Erteilung und des Widerrufs einer Prokura. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam.

Zur Bekanntgabe von Steuer- und Feststellungsbescheiden siehe den AEAO zu § 122, Nr. 2.4.1.1 und Nr. 2.5.2.

Nach handelsrechtlicher Auflösung der OHG findet die Liquidation statt, sofern nicht über das Vermögen der OHG das Insolvenzverfahren eröffnet ist (§ 143 Abs. 1 HGB). Ist die OHG durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst, findet eine Liquidation nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass noch Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt.

Mit der handelsrechtlichen Auflösung der OHG erlischt die einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung. Diese Befugnis steht von der Auflösung an allen Liquidatoren gemeinsam zu (§ 146 Abs. 1 HGB).

Zur Bekanntgabe von Steuer- und Feststellungsbescheiden an eine OHG in Liquidation siehe den AEAO zu § 122, Nr. 2.7.2.

2.2  Kommanditgesellschaften (KG)

Bei einer KG sind nur die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre), nicht aber die Kommanditisten befugt, die Gesellschaft zu vertreten (§ 170 Abs. 1 HGB). Im Übrigen sind die für eine OHG geltenden Bestimmungen des HGB auf die KG grundsätzlich entsprechend anzuwenden (siehe Nr. 2.1 des AEAO zu § 34).

2.3  Rechtsfähige Personengesellschaften (rechtsfähige GbR)

Zur Vertretung einer rechtsfähigen GbR (§ 705 BGB) sind alle Gesellschafter gemeinsam befugt (Gesamtvertretung), es sei denn, der Gesellschaftsvertrag bestimmt etwas anderes (§ 720 Abs. 1 BGB).

Die zur Gesamtvertretung befugten Gesellschafter können einzelne von Gesellschafter zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen (§ 720 Abs. 2 BGB).

Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter erstreckt sich auf alle Geschäfte der rechtsfähigen GbR; eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsbefugnis ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 720 Abs. 3 BGB).

Die Vertretungsbefugnis kann einem Gesellschafter allerdings ganz oder teilweise entzogen werden (§ 720 Abs. 4 BGB).

Zur Bekanntgabe von Steuer- und Feststellungsbescheiden siehe den AEAO zu § 122, Nr. 2.4.1.1 und Nr. 2.5.2.

Nach zivilrechtlicher Auflösung der rechtsfähigen GbR (vgl. § 729 BGB) findet die Liquidation statt, sofern nicht über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist (§ 735 Abs. 1 BGB) oder die Gesellschafter anstelle der Liquidation eine andere Art der Abwicklung vereinbart haben (§ 735 Abs. 2 BGB).

Zur Liquidation sind grundsätzlich alle Gesellschafter berufen (§ 736 Abs. 1 bis 3 BGB). Durch Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter können auch einzelne Gesellschafter oder andere Personen zu Liquidatoren berufen werden (§ 736 Abs. 4 BGB).

Mit der zivilrechtlichen Auflösung der rechtsfähigen GbR erlischt die einem Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung; diese Befugnis steht von der Auflösung an allen Liquidatoren gemeinsam zu (§ 736b Abs. 1 BGB).

Zur Bekanntgabe von Steuer- und Feststellungsbescheiden an eine GbR in Liquidation siehe den AEAO zu § 122, Nr. 2.7.2.

2.4  Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen

Bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen (§ 14a Abs. 3 und 4 AO) kann sich die Finanzbehörde unmittelbar an jedes Mitglied, jeden Gesellschafter oder jeden Gemeinschafter halten. Die Finanzbehörde kann aber auch mehrere oder alle Mitglieder, Gesellschafter oder Gemeinschafter zugleich zur Pflichterfüllung auffordern.

3.  Vertretung einer GmbH oder AG ohne Geschäftsführer

Hat eine GmbH keinen Geschäftsführer (führungslose GmbH) und befindet sie sich nicht in Liquidation oder im Insolvenzverfahren, wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch die Gesellschafter vertreten.

Hat eine AG keinen Vorstand (führungslose AG) und befindet sie sich nicht in Liquidation oder im Insolvenzverfahren, wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, nach § 78 Abs. 1 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten. Diese Vertretung gilt auch für die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten (vgl. AEAO zu § 122, Nr. 2.8.1.2).

Die besonderen Vertreter einer führungslosen GmbH oder AG sind allerdings nur Passivvertreter und dürfen grundsätzlich keine aktiven Handlungen vornehmen. Daher liegt keine umfassende gesetzliche Vertretung der Gesellschaft i. S. d. § 34 Abs. 1 AO vor. Sobald aktive Handlungen der Gesellschaft – wie z. B. die Begleichung einer Steuerschuld – erforderlich sind, müssen die besonderen Vertreter einen Geschäftsführer bzw. Vorstand bestellen. Gegebenenfalls kann die Finanzbehörde beim Registergericht auch die Bestellung eines Notgeschäftsführers beantragen. Von dieser Möglichkeit sollte aber nur Gebrauch gemacht werden, wenn kein Verfügungsberechtigter i. S. d. § 35 AO vorhanden ist (vgl. AEAO zu § 35, Nr. 1), die Gesellschaft nicht vermögenslos ist und auch künftig Steuerverwaltungsakte gegenüber der Gesellschaft zu vollziehen sind. Das Amt des Notgeschäftsführers endet mit der Bestellung des ordentlichen Geschäftsführers, der Erledigung der dem Notgeschäftsführer zugewiesenen Aufgabe oder mit der Abberufung durch das bestellende Gericht. Zur Inanspruchnahme des bisherigen Geschäftsführers als Haftungsschuldner vgl. AEAO zu § 69.

4.  Vertretung im Insolvenzverfahren

Wegen der steuerlichen Pflichten des Insolvenzverwalters und des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist (§ 22 Abs. 1 InsO), vgl. den AEAO zu § 251, Nr. 4.2.

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RAAAE-63814