BAG Urteil v. - 10 AZR 293/13

Wechselschichtzulage im feuerwehrtechnischen Dienst - Leitstelle der Feuerwehr

Gesetze: § 20 Abs 3 S 1 EZulV 1976, § 7 TV-L, § 9 TV-L, § 47 Nr 2 Abs 1 TV-L, Art 3 Abs 1 GG, § 20 Abs 1 EZulV 1976

Instanzenzug: Az: 58 Ca 14606/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 3 Sa 871/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Zahlung einer Wechselschichtzulage.

2Der Kläger ist für das beklagte Land als feuerwehrtechnischer Angestellter tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom (Angleichungs-TV Land Berlin) und danach grundsätzlich der TV-L Anwendung. Nach § 15 Angleichungs-TV Land Berlin (Maßgaben zu § 47 TV-L) gelten Sonderregelungen für Beschäftigte ua. im feuerwehrtechnischen Dienst. Nach § 47 Nr. 2 Abs. 1 TV-L finden die §§ 6 bis 9 und § 19 TV-L auf Beschäftigte im feuerwehrtechnischen Dienst keine Anwendung, sondern es gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten.

3Die Erschwerniszulagenverordnung, im Streitzeitraum in der Fassung vom (BGBl. I S. 160, im Folgenden: EZulV), regelte in § 20 Folgendes:

4Eine gleichlautende Regelung enthält die Erschwerniszulagenverordnung des Landes Berlin vom , gültig ab dem (GVBl. S. 266, im Folgenden: BEZulV).

5§ 6 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Land Berlin in der Fassung vom (GVBl. S. 114, im Folgenden: AZVO) regelt den Bereitschaftsdienst wie folgt:

6Nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Polizeivollzugsdienstes für das Land Berlin vom (GVBl. S. 6, im Folgenden: AZVO FuP) beträgt die regelmäßige Arbeitszeit für Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes unter Berücksichtigung der Bereitschaftsdienstzeiten im Durchschnitt 48 Stunden in der Woche.

7Der Kläger wird in der Leitstelle der Berliner Feuerwehr, der zentralen Koordinierungsstelle für alle Feuerwehreinsätze, eingesetzt. Die Mitarbeiter nehmen Notrufe in Empfang und koordinieren die Einsätze. Gearbeitet wird im Schichtdienst von 07:30 Uhr bis 19:30 Uhr und von 19:30 Uhr bis 07:30 Uhr des Folgetags. Da der Arbeitsanfall ungleichmäßig ist, befindet sich nach Einteilung des leitenden Beamten gewöhnlich ein Drittel der Mitarbeiter in Aufenthaltsräumen in Bereitschaft; bei steigendem Arbeitsaufkommen, etwa einer Großlage, haben sie sich unverzüglich im Einsatzraum einzufinden.

8Das beklagte Land zahlte dem Kläger bis Februar 2011 eine Wechselschichtzulage nach § 20 EZulV iHv. 102,26 Euro und stellte die Zahlung danach ein. Den in der Leitstelle nach demselben Schichtplan eingesetzten 40 Rettungsassistenten zahlt das beklagte Land die Zulage weiterhin auf der Grundlage von § 8 Abs. 7 TV-L.

9Mit der Klage macht der Kläger die Fortzahlung der Zulage ab März 2011 geltend. Er hat beantragt,

10Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

12Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger weder aus § 20 Abs. 1 EZulV/BEZulV noch wegen der Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage hat.

13I. Die Klage ist mit dem Zahlungsantrag zu 1. (Zulage für die Monate März bis September 2011) unbegründet.

141. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 20 Abs. 1 EZulV/BEZulV.

15a) Der Kläger ist Angestellter im feuerwehrtechnischen Dienst des beklagten Landes. Nach § 47 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TV-L iVm. § 15 Abs. 1 Angleichungs-TV Land Berlin gelten für Beschäftigte im feuerwehrtechnischen Dienst hinsichtlich der Arbeitszeit und des Entgelts die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Nach § 20 Abs. 1 EZulV/BEZulV erhalten Beamte eine Wechselschichtzulage von 102,26 Euro monatlich, wenn sie ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht, und sie dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Dienststunden entweder dienstplanmäßige oder betriebsübliche Nachtschicht leisten. Zeiten eines Bereitschaftsdienstes gelten nach § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV/BEZulV nicht als Arbeitszeit im Sinne der Vorschrift.

16b) Der Kläger leistet Wechselschichtarbeit.

17aa) § 20 Abs. 1 EZulV/BEZulV folgt in Bezug auf das Vorliegen von Wechselschichtarbeit grundsätzlich dem tariflichen Verständnis des § 7 Abs. 1 TV-L/TVöD ( - Rn. 17). Es muss in dem jeweiligen Arbeitsbereich ununterbrochen „rund um die Uhr“ 24 Stunden gearbeitet werden. Wechselschichtarbeit liegt nicht vor, wenn an Sonn- und Feiertagen keine Schichtarbeit anfällt bzw. die tägliche Arbeit, sei es auch nur in geringer Form, unterbrochen wird ( - Rn. 25, BAGE 128, 42; - 10 AZR 255/10 - Rn. 13, 14 [zu § 7 Abs. 1 TVöD]; - 10 AZR 990/08 - Rn. 17 ff. [zu § 7 Abs. 1 TV Charité]). Eine zulagenschädliche Unterbrechung der Arbeit liegt nach § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV/BEZulV auch vor, wenn Bereitschaftsdienst für alle Beschäftigten des Arbeitsbereichs, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, angeordnet ist ( - Rn. 16; vgl. - 10 AZR 255/10 - Rn. 13, 14 [zu § 7 Abs. 1 TVöD]).

18bb) Im Arbeitsbereich der Feuerwehrleitstelle des beklagten Landes wird „rund um die Uhr“ Volldienst geleistet, eine Wechselschichtarbeit ausschließende Unterbrechung durch einen im Dienstplan ausgewiesenen Bereitschaftsdienst gibt es nicht (abweichend in den Feuerwachen des beklagten Landes, vgl.  -). Der Kläger wird in allen Schichten „rund um die Uhr“ eingesetzt (vgl.  - Rn. 13).

19c) Der Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage ist aber nach § 20 Abs. 3 Satz 1 EZulV/BEZulV ausgeschlossen. Danach gelten die Absätze 1 und 2 nicht, soweit der Schichtplan (Dienstplan) eine Unterscheidung zwischen Volldienst und Bereitschaftsdienst nicht vorsieht.

20aa) Soweit die Erschwerniszulagenverordnungen Rechtsfolgen an einzelne Formen der Dienstausübung wie den Bereitschaftsdienst knüpfen, nehmen sie Bezug auf das allgemeine arbeitszeitrechtliche Verständnis dieser Dienstform im Beamtenrecht ( 2 C 90.07 - Rn. 13). Nach dem für das beklagte Land geltenden § 6 Abs. 1 AZVO kann die regelmäßige Arbeitszeit entsprechend den dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden, wenn sie ganz oder teilweise in „Bereitschaft“ besteht; nach § 6 Abs. 2 AZVO liegt „Bereitschaftsdienst“ vor, wenn sich der Beamte in seiner Dienststelle oder an einem anderen von seiner Dienstbehörde oder seinem Dienstvorgesetzten bestimmten Ort außerhalb seiner Häuslichkeit aufzuhalten hat, um bei Bedarf zur Dienstleistung herangezogen werden zu können, und die Zeitdauer seiner Inanspruchnahme erfahrungsgemäß durchschnittlich weniger als 50 vom Hundert der Bereitschaftsdienstzeiten beträgt. § 6 AZVO differenziert nicht zwischen Bereitschaftszeiten und Bereitschaftsdienst, die Anordnung von Bereitschaft(-sdienst) eröffnet die Möglichkeit der Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit. Im Gegensatz hierzu ist nach § 7 Abs. 3 TV-L Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten und zu Bereitschaftszeiten nach § 9 TV-L abzugrenzen; Zeiten der Bereitschaft schließen einen Anspruch auf Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 5 TVöD nicht aus (vgl.  - Rn. 21 ff., BAGE 128, 29).

21bb) Ein Schichtplan (Dienstplan) sieht eine Unterscheidung zwischen Volldienst und Bereitschaftsdienst nicht vor, wenn er nicht regelt, wann die nach Schichtplan eingesetzten Mitarbeiter (im Rahmen der verlängerten Arbeitszeit) Bereitschaftsdienst und wann sie Volldienst zu leisten haben. Der Dienstplan der Leitstelle regelt dies nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht. Es ist zwar nach der Geschäftsanweisung eine Aufteilung zwischen Arbeits- und Bereitschaftsdienstzeit im Verhältnis zwei zu eins vorgesehen, die konkrete Einteilung erfolgt jedoch entsprechend dem Arbeitsanfall durch den leitenden Beamten und nicht durch den Schichtplan.

22cc) Dieses Normverständnis entspricht dem Willen der Verordnungsgeber. § 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 EZulV wurden durch die Verordnung zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom (Besoldungsänderungsverordnung 1998 - BesÄndV 98, BGBl. I S. 1378) eingefügt bzw. neu gefasst. Die Gewährung von Wechselschichtzulagen an Beamte sollte ausgeschlossen werden, sofern der Dienst auch Bereitschafts- und Ruhezeiten enthält (vgl. Beschluss des Bundesrats vom , BR-Drucks. 187/98 S. 5); nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtszustand vor Änderung der EZulV ( 2 C 36.96 -; insbesondere - 2 C 24.95 - Rn. 29) führten Zeiten des Bereitschaftsdienstes nicht zum Ausschluss von Ansprüchen auf Wechselschicht- und Schichtzulagen. Die Verordnungsgeber wollten durch § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV/BEZulV sicherstellen, dass ein Anspruch nicht besteht, wenn Bereitschaftsdienst im Dienstplan ausgewiesen ist; durch § 20 Abs. 3 Satz 1 EZulV/ BEZulV sollte ein Anspruch ausgeschlossen werden, wenn Bereitschaftsdienst nicht im Dienstplan ausgewiesen ist.

23d) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die Verweisung in § 47 Nr. 2 TV-L iVm. § 15 Abs. 1 Angleichungs-TV Land Berlin auf die beamtenrechtlichen Vorschriften nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Den Tarifvertragsparteien steht es grundsätzlich frei, die Voraussetzungen für die Zahlung von Zulagen festzulegen ( - Rn. 21). Sie können ihre Rechtssetzungsbefugnis auch im Wege einer Verweisung auf Vorschriften des Beamtenrechts ausüben ( - Rn. 22; - 6 AZR 227/05 - Rn. 16 ff., BAGE 116, 346), diese Vorschriften gelten dann regelmäßig als tarifliche Rechtsnormen. Da nach § 5 Abs. 1 Satz 2 FeuerwehrG Berlin vom (GVBl. S. 457) für Angehörige der Berufsfeuerwehr die beamtenrechtlichen Vorschriften gelten, ist es nicht zu beanstanden, die in einem Angestelltenverhältnis beschäftigten Angehörigen der Berufsfeuerwehr mit ihren beamteten Kollegen gleichzubehandeln. Anders als die Revision meint, unterliegt es allein der Beurteilung der Tarifpartner, für Beschäftigte im feuerwehrtechnischen Dienst, deren Arbeitszeit Bereitschaftszeiten enthält, keine Wechselschichtzulagen vorzusehen, sie aber anderen Beschäftigten nach Maßgabe der §§ 7 ff. TV-L zu gewähren.

242. Der Kläger hat keinen Anspruch wegen einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, er hat nicht ausreichend substanziiert, dass das beklagte Land eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vornimmt, indem es nur den ebenfalls in der Feuerwehrleitstelle beschäftigten Rettungsassistenten eine Wechselschichtzulage nach § 8 Abs. 7 TV-L zahlt.

25a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleichzubehandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe. Er findet stets Anwendung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (st. Rspr., zuletzt  - Rn. 17 mwN). Im bloßen Normvollzug oder einer Erfüllung vertraglicher Pflichten liegt keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers; eine solche trifft dieser erst dann, wenn er in Kenntnis einer unwirksamen Rechtsgrundlage Leistungen (weiter) gewährt ( - Rn. 17 mwN).

26b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob den in der Leitstelle eingesetzten Rettungsassistenten ein tariflicher Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage nach § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 7 TV-L zusteht. Vortrag dazu, dass das beklagte Land den Rettungsassistenten bis zu dem für das vorliegende Revisionsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts in Kenntnis der Rechtslage übertariflich eine Wechselschichtzulage gezahlt hat, hat der Kläger nicht gehalten; die Revision trägt lediglich vor, das beklagte Land sei diesbezüglich einem vermeidbaren Rechtsirrtum unterlegen. Ein etwaiger Rechtsirrtum begründet keinen Anspruch auf Gleichbehandlung.

27II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageanträge zu 2. und zu 3. dahingehend ausgelegt, dass mit dem Antrag zu 2. die Zahlung der Zulage bis November 2012 geltend gemacht und im Übrigen Feststellung einer Leistungspflicht begehrt wird. Mit diesem zutreffenden Verständnis sind die Anträge zwar zulässig, die Klage ist aus vorstehenden Erwägungen aber auch insoweit unbegründet.

28III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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Fundstelle(n):
JAAAE-62904