BGH Beschluss v. - 4 StR 479/13

Betrug: Voraussetzungen eines Wettbetruges im Falle von Sportwetten

Gesetze: § 263 StGB

Instanzenzug: LG Bochum Az: II-2 KLs 35 Js 94/11 - 18/11nachgehend Az: 4 StR 479/13 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs und Beihilfe zum Betrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt sowie eine Feststellung nach § Abs. 2 StPO getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner - nach Gewährung von Wiedereinsetzung zur Anbringung formgerechter Verfahrensrügen - auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen zu Fall II. 2 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte vor dem Spiel der österreichischen Bundesliga zwischen SV K.      und SK R.     , das am Abend des in K.       stattfand, in dem von ihm betriebenen "Café    in B.    von unbekannter Seite einen "Tipp". Danach hätten Spieler der Heimmannschaft zugesagt, durch unsportliche Spielzurückhaltung auf eine Niederlage des eigenen Vereins mit mindestens zwei Toren Unterschied hinzuwirken. Ob die Begegnung tatsächlich manipuliert war, konnte das Landgericht nicht feststellen. Der Angeklagte stufte den "Tipp" zwar nicht als sicher ein, allerdings hielt er eine Manipulation für möglich. Er wettete bei dem auf Gibraltar registrierten Buchmacher d.     im Rahmen von Kombinationswetten mit zwei Wettscheinen auf einen Sieg von SK R.     . Den Umstand, dass er mit einer Manipulation rechnete, hielt er vor den Mitarbeitern der Wettbörse geheim. Da das Spiel mit einem 0:1 - Auswärtssieg von SK R.      endete, gewann der Angeklagte einen höheren Geldbetrag.

32. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betrugs begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4a) Das Landgericht hat sich hierzu in der rechtlichen Würdigung wie folgt verhalten:

"Wetten auf zum eigenen Vorteil manipulierte Fußballspiele erfüllen zumindest insoweit, als Wettgewinne ausgezahlt werden, den Tatbestand des Betruges zum Nachteil des Wettanbieters, § 263 Abs. 1 StGB (BGH, NStZ 2013, 234). Dem zum eigenen Vorteil manipulierten Spiel steht der Fall, dass der Wettspieler sein Insiderwissen über eine Manipulation Dritter ausnutzt, gleich. ... Die Wetten des Angeklagten auf das nur vermeintlich - manipulierte - Spiel zwischen SV K.        und SK R.       (Fall 2) sind als - untauglicher - Betrugsversuch zu werten (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB)."

5b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts tragen seine Feststellungen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betrugs. Denn der Angeklagte hat nicht nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung dieses Tatbestands unmittelbar angesetzt (§§ 22, 23 Abs. 1, § 263 Abs. 1 und 2 StGB). Ihm fehlte der Vorsatz, die Mitarbeiter des Wettbüros zu täuschen.

6aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, dass ein Wettteilnehmer, der den Gegenstand des Wettvertrags zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Vertrags verschweigt: Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (, BGHSt 29, 165, 167 f.; vom - 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 169, 171 f.; vom - 4 StR 55/12, BGHSt 58, 102, 106 f.; vom - 4 StR 125/12, wistra 2013, 186, 187; Beschluss vom - 4 StR 580/11, BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich 3). Diese Auslegung beruht auf einer Bewertung des konkret zu beurteilenden Geschäftstyps und der dabei typischen Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. , BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22). Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. , BGHR StGB § 284 Abs. 1 Glücksspiel 4; Hofmann/Mosbacher, NStZ 2006, 249, 251 mwN), ist Gegenstand des Vertrags das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug ( und vom , jew. aaO).

7bb) So liegt der Fall hier jedoch nicht: Das Landgericht hat nicht festzustellen vermocht, ob das Spiel überhaupt manipuliert worden war. Der Angeklagte hatte jedenfalls an einer etwaigen Beeinflussung des Spielergebnisses nicht mitgewirkt. Ihm war lediglich von unbekannter Seite ein "Tipp" im "Cafe    ", in dem ein an Fußball- und sonstigen Sportwetten interessiertes Publikum verkehrte, zugetragen worden. Er ging bei seinem Wettverhalten nicht von einer mit Sicherheit zutreffenden Information aus. Das Verhalten des Angeklagten ist daher lediglich als der Versuch einer straflosen Ausnutzung eines - wirklichen oder vermeintlichen - Informationsvorsprungs zu bewerten. Dies ist kein Eingriff in das Wettereignis selbst, in dessen Geschäftsgrundlage; vielmehr gehört die Nutzung solcher Informationsvorsprünge zum allgemeinen und daher straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten (Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 364; Radtke, Jura 2007, 445, 450 f.). Der Angeklagte akzeptierte bei seinem Vorgehen die für Wetten typische Unsicherheit und überschritt nicht die identitätswesentlichen Merkmale einer Wette (Kubiciel, HRRS 2007, 68, 70 f.; a.A. Krack, ZIS 2007, 103, 105). Wie es sich verhält, wenn der Wettende die sichere Information erhält, dass das Spiel manipuliert ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

8Dieser Begründung steht das Urteil des 5. Strafsenats vom (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 172) nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die straffreie Nutzung von Informationsvorsprüngen nicht auf solche aus allgemein zugänglichen Quellen beschränkt (missverständlich insoweit Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 364).

9cc) Mangels einer Garantenstellung hat sich der Angeklagte auch nicht wegen versuchten Betrugs durch Unterlassen strafbar gemacht (vgl. , BGHSt 16, 120, 122; Schlösser, NStZ 2005, 423, 426 f.).

103. Da in einer neuen tatrichterlichen Hauptverhandlung keine weiter gehenden Feststellungen zu erwarten sind, hat der Senat den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen und die auf den in Fall II. 2 der Urteilsgründe erzielten Erlös gestützte Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO entfallen lassen (§ 354 Abs. 1 StPO).

11Er hat die verbleibende Verurteilung des Angeklagten im Tenor klargestellt.

124. Ob hinsichtlich der die Freiheitsstrafe von vier Monaten übersteigenden Dauer der Untersuchungshaft eine Entscheidung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG erforderlich ist (vgl. hierzu BeckOK-StPO/Cornelius, § 8 StrEG Rn. 6 mwN), wird das Landgericht zu entscheiden haben (vgl. auch ).

Mutzbauer                     Roggenbuck                      Cierniak

                  Bender                             Quentin

Fundstelle(n):
wistra 2014 S. 2 Nr. 6
wistra 2014 S. 269 Nr. 7
AAAAE-61721