BGH Urteil v. - II ZR 174/11

Austrittserklärung eines GmbH-Gesellschafters: Austrittsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes; Wirksamkeit des Austritts ohne wichtigen Grund bei Annahme durch die Gesellschaft; Abfindungsanspruch des Gesellschafters und Verwertung seines Geschäftsanteils nach Austritt ohne wichtigen Grund

Gesetze: § 723 BGB

Instanzenzug: Az: 23 U 750/11 Urteilvorgehend LG Traunstein Az: 7 O 1916/10nachgehend Az: 23 U 750/11 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger war einer von drei Gesellschaftern der Beklagten zu 1, einer mit der Planung und Herstellung von Tanküberwachungssystemen befassten GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist. Zugleich war der Kläger bei der Beklagten zu 1 als Vertriebs- und Projektleiter angestellt. Der Gesellschaftsvertrag enthält zum Ausscheiden einzelner Gesellschafter und der Einziehung von Geschäftsanteilen keine Regelung. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrags kann die auf unbestimmte Zeit errichtete Gesellschaft von jedem Gesellschafter mit einer Frist von einem Jahr zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.

2Mit Schreiben vom erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1, er kündige das bestehende Arbeitsverhältnis sowie „das Gesellschaftsverhältnis mit der G.  (= der Beklagten zu 1)" jeweils aus wichtigem Grund und mit sofortiger Wirkung unter Berufung darauf, dass er am Vortag aus der Gesellschaft ausgeschlossen und sein Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt worden sei.

3Nachdem der Kläger anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen und seinen Abfindungsanspruch vorläufig auf 114.000 € beziffert hatte, entgegnete die Beklagte zu 1 mit Anwaltsschreiben vom , am sei kein Beschluss über den Ausschluss des Klägers aus der Gesellschaft gefasst worden. Daher sei die fristlose Kündigung des Gesellschaftsvertrags durch den Kläger ohne wichtigen Grund erfolgt und insoweit unwirksam. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Sollte aus anderen Gründen eine unüberwindbare Zerrüttung des Gesellschafterverhältnisses vorliegen, so hat allein Ihr Mandant durch sein schädigendes Verhalten diese verursacht. Die darauf gestützte Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses nimmt unsere Mandantin zur Kenntnis." Zum geltend gemachten Abfindungsanspruch wurde „höchst vorsorglich" ausgeführt, ein Anspruch bestehe nicht, da der Geschäftsanteil des Klägers keinen positiven Verkehrswert habe.

4Am beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 1, den Geschäftsanteil des Klägers einzuziehen. Im Protokoll wurde festgehalten, dass der Kläger mit der Kündigung des Gesellschaftsvertrages zugleich die Zustimmung zur Einziehung seines Geschäftsanteils erklärt habe.

5Mit seiner im Juni 2010 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass der Einziehungsbeschluss nichtig ist, jedenfalls aber seine Wirkung verloren hat. Hilfsweise hat der Kläger von den Beklagten im Wege der Stufenklage - und in zweiter Instanz höchst hilfsweise mit einem gegen die Beklagte zu 1 auf Zahlung von 114.000 € nebst Zinsen seit dem gerichteten Antrag - die Zahlung einer Abfindung beansprucht. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom erkennenden Senat hinsichtlich des Hilfsbegehrens zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Abfindungsanspruch weiter.

Gründe

6Die Revision hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 1 richtet. Sie führt hinsichtlich der gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Hilfsanträge des Klägers auf Zahlung einer Abfindung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Gegenüber dem Beklagten zu 2 ist die Revision unbegründet.

7I. Das Berufungsgericht (OLG München, ZIP 2011, 2148) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

8In der mit Schreiben vom erklärten Kündigung liege ein außerordentlicher Austritt des Klägers, keine Kündigung der Gesellschaft. Ob ein wichtiger Grund für den Austritt vorgelegen habe, könne offen bleiben, da die Beklagte zu 1 den Austritt akzeptiert habe. Ansprüche des Klägers auf Abfindung und vorbereitende Auskunft, die sich nur gegen die Beklagte zu 1 richten könnten, seien jedoch verjährt. Ein Abfindungsanspruch sei bereits mit Zugang der Austrittserklärung des Klägers bei der Beklagten zu 1 am entstanden und sofort fällig geworden. Zudem habe die Beklagte zu 1 den Austritt des Klägers bereits im Jahr 2006 akzeptiert, wie sich aus ihrem Schreiben vom ergebe. Die dreijährige Verjährungsfrist habe somit am geendet und durch die am bei Gericht eingegangene Klage nicht mehr gehemmt werden können.

9II. Diese Ausführungen halten einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.

101. Der Abfindungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1 ist nicht verjährt. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts beruht auf der rechtsfehlerhaften Annahme, der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) habe bereits mit dem Schluss des Jahres 2006 begonnen, da der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung noch in 2006 entstanden und fällig geworden sei.

11a) Die Erklärung des Klägers in seinem Schreiben vom , er kündige das Gesellschaftsverhältnis mit der Beklagten zu 1, führte noch nicht zur Entstehung eines Abfindungsanspruchs.

12Allerdings ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dieser Äußerung des Klägers in tatrichterlicher Auslegung eine (fristlose) Austrittserklärung entnommen hat; dies wird von den Parteien im Revisionsverfahren auch nicht angegriffen. Weiter ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Gesellschafter einer GmbH das Recht hat, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus der Gesellschaft auszutreten, sofern die zum Austritt führenden Umstände nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen bereinigt werden können. Dieses Recht besteht auch, wenn es im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen ist; es kann dort auch nicht wirksam ausgeschlossen werden (, BGHZ 116, 359, 369).

13Das Berufungsgericht hat jedoch offen gelassen, ob ein wichtiger Grund zum Austritt vorlag, und keine Feststellungen getroffen, die dem Senat eine eigene Beurteilung dieser Frage ermöglichen. Revisionsrechtlich ist daher zu Gunsten des Klägers zu unterstellen, dass kein wichtiger Austrittsgrund bestand. Schon deshalb konnte die Austrittserklärung noch keinen Abfindungsanspruch begründen und die Verjährungsfrist nicht in Lauf setzen.

14b) Ein Abfindungsanspruch des Klägers ist vor dem Ende des Jahres 2006 auch nicht dadurch entstanden und fällig geworden, dass die Beklagte zu 1 mit dem Austritt des Klägers einverstanden war. Der Gesellschafter einer GmbH kann zwar auch unabhängig vom Vorliegen eines wichtigen Grundes wirksam aus der Gesellschaft austreten, wenn die Gesellschaft den Austritt annimmt (vgl. , ZIP 2010, 324 Rn. 10). Dies ist aber bis Ende 2006 nicht geschehen.

15aa) Die erforderliche Annahmeerklärung der Beklagten zu 1 ergibt sich nicht aus dem Anwaltsschreiben vom , wie das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft annimmt. Unabhängig von der Frage, ob der Annahmeerklärung ein Gesellschafterbeschluss zugrunde liegen muss und ob das hier der Fall war, lässt sich dem Schreiben schon inhaltlich nicht entnehmen, dass die Beklagte zu 1 den Austritt des Klägers annimmt.

16Das Berufungsgericht hat die an eine Annahmeerklärung zu stellenden Anforderungen verkannt. Die Annahme eines Gesellschafteraustritts, der ohne wichtigen Grund erklärt wurde, bewirkt, dass dem Gesellschafter eine Abfindung zu zahlen und sein Geschäftsanteil durch Einziehung oder Abtretung zu verwerten ist. Wegen dieser weitreichenden Folgen muss der Annahmewille der Gesellschaft mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen. Dem genügt das Schreiben vom nicht. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 habe die Kündigung des Klägers akzeptiert, da sie der Kündigung selbst nicht widersprochen, sondern sie „zur Kenntnis" genommen habe. Hierbei lässt das Berufungsgericht außer Acht, dass mit der schlichten Erklärung der Kenntnisnahme weder eine Ablehnung noch eine Zustimmung verbunden ist und eine Entscheidung für eine der beiden Optionen gerade vermieden wird.

17bb) Die Annahme des Austritts durch die Beklagte zu 1 kann sich aus der Einziehung des Geschäftsanteils ergeben, die aber erst nach Ablauf des Jahres 2006 am beschlossen wurde. Eine (etwa) auf den Zeitpunkt des Zugangs der Austrittserklärung zurückbezogene Wirkung ist dem hier gefassten Einziehungsbeschluss nicht zu entnehmen.

182. Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Stufenklage hat das Berufungsgericht zu Recht abgewiesen. Der Beklagte zu 2 ist nicht Schuldner eines möglichen Abfindungsanspruchs des Klägers.

19III. Das Berufungsurteil ist danach unter Zurückweisung der gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Revision aufzuheben, soweit die auf Zahlung einer Abfindung gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Hilfsanträge des Klägers abgewiesen wurden (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

20Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob ein wichtiger Grund zum Austritt tatsächlich vorlag, keiner Klärung mehr bedarf. Denn die Beklagte zu 1 kann sich hinsichtlich des Verjährungsbeginns gegenüber dem Kläger, der seinen Abfindungsanspruch nach dem Verkehrswert seines Geschäftsanteils zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses bemessen möchte, nicht darauf berufen, dass der Abfindungsanspruch durch eine wirksame Austrittserklärung schon im Oktober 2006 entstanden und fällig geworden sei, so dass dem nachfolgenden Einziehungsbeschluss vom keine eigenständige anspruchsbegründende Wirkung mehr zukomme. Andernfalls setzte sie sich in treuwidriger Weise in Widerspruch zu ihrer Erklärung vom , mit der sie einen wichtigen Grund zum Austritt unter Berichtigung des vom Kläger damals zugrunde gelegten Sachverhalts abgestritten und damit zugleich die Voraussetzungen eines allein durch die Austrittserklärung begründeten Abfindungsanspruchs des Klägers verneint hatte (§ 242 BGB).

Bergmann                      Caliebe                         Drescher

                     Born                        Sunder

Fundstelle(n):
DStR 2014 S. 12 Nr. 16
GmbH-StB 2014 S. 232 Nr. 8
GmbHR 2014 S. 534 Nr. 10
NWB-Eilnachricht Nr. 20/2014 S. 1486
StuB-Bilanzreport Nr. 14/2014 S. 547
ZIP 2014 S. 873 Nr. 18
WAAAE-61705