OT-Mitgliedschaft - Anforderungen an die Satzung eines Arbeitgeberverbands
Gesetze: § 3 Abs 1 TVG, § 3 Abs 3 TVG
Instanzenzug: ArbG Lüneburg Az: 4 Ca 67/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 8 Sa 985/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über tarifliche Entgeltansprüche.
2Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di und seit 1998 bei der Beklagten beschäftigt. Diese ist Mitglied im Einzelhandelsverband Lüneburger Heide e. V. (nachfolgend EHV-LH), dessen Satzung idF vom ua. lautet:
3Beim EHV-LH besteht weder eine Tarifkommission noch wurde ein sog. Streik- und Aussperrungsfonds eingerichtet. Der Verband ist Mitglied des Unternehmensverbands Einzelhandel Niedersachsen e.V. (nachfolgend UVE-NS), bei dem eine Tarifkommission gebildet ist. Dieser Verband schließt für seine Mitgliedsverbände Tarifverträge ab. In § 5 der Satzung des UVE-NS (idF vom ) heißt es:
4Die Geschäftsordnung der Tarifkommission des UVE-NS (vom ) bestimmt in Nr. 1:
5Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom gegenüber dem EHV-LH, dass sie ihre Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit fortsetzen möchte. Der EHV-LH bestätigte mit Schreiben vom , die Beklagte ab dem als Mitglied ohne Tarifbindung (OT-Mitglied) zu führen.
6Am vereinbarten die Tarifvertragsparteien des niedersächsischen Einzelhandels einen neuen Manteltarifvertrag, einen Gehalts- und Lohntarifvertrag sowie einen Tarifvertrag über Urlaubsgeld, Sonderzuwendungen und Entgeltfortzahlung, die rückwirkend zum in Kraft traten.
7Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen den von der Beklagten geleisteten Zahlungen und den sich aus den Tarifverträgen des Jahres 2009 ergebenden Entgeltansprüchen. Er ist der Auffassung, die Beklagte sei weiterhin tarifgebunden. Die Satzung des EHV-LH sehe keine ausreichende Trennung der Befugnisse von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Mitgliedern vor. So sei es etwa möglich, OT-Mitglieder in Tarifkommissionen des UVE-NS zu entsenden.
8Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,
9Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, sie sei als OT-Mitglied nicht mehr an die im Jahre 2009 geschlossenen Tarifverträge gebunden. Die Satzung des EHV-LH enthalte eine hinreichend klare Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifgebundenheit. Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen sei ausgeschlossen.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Gründe
11Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger, der sein Begehren in der Revisionsinstanz allein auf eine Tarifgebundenheit der Beklagten stützt, hat keine Entgeltansprüche nach den im Jahre 2009 geschlossenen Tarifverträgen des niedersächsischen Einzelhandels. Diese galten nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien, da die Beklagte als OT-Mitglied nicht mehr an diese nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden war.
121. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Satzung des EHV-LH den Anforderungen genügt, mit der ein Status als OT-Mitglied (zur Zulässigkeit einer sog. OT-Mitgliedschaft im sog. Stufenmodell - Rn. 27, BAGE 130, 264; - 4 AZR 419/07 - Rn. 25 ff., BAGE 127, 27) wirksam begründet werden kann. Sie sieht eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne Tarifgebundenheit vor (zu den Anforderungen an eine Verbandssatzung ausf. - Rn. 14 mwN zur Rspr.).
13a) § 3 Nr. 2 Satz 1 der Satzung des EHV-LH regelt sowohl eine Mitgliedschaft mit „Tarifbindung“ als auch eine ohne „Tarifbindung“, indem er die Möglichkeit der Erklärung eines „Ausschlusses der Tarifbindung insgesamt“ für nicht für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge vorsieht. § 3 Nr. 2 Satz 3 der Satzung regelt den Wechsel von einer dieser Formen zur anderen. Die Satzungsregelung in § 3 Nr. 2 Satz 3 iVm. Satz 1 kann nach Sinn, Zweck und tariflichem Gesamtzusammenhang nur als Hinweis auf die sich aus § 3 Abs. 3 TVG ohnehin ergebende Rechtslage begriffen werden. Das hat der Senat anhand einer gleichlautenden Satzungsregelung bereits ausführlich begründet ( - Rn. 34).
14b) Im Gesamtgefüge der Satzungsregelungen des EHV-LH wird vor allem durch die Regelung in § 3 Nr. 2 Satz 6, die bei Beschlussfassung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen für „Mitglieder ohne Tarifbindung“ das Stimmrecht ausschließt, die erforderliche Kongruenz von Mitentscheidungsrecht und Bindung an die Tarifabschlüsse hinreichend klar und deutlich sowie einschränkungslos hergestellt. Geschäftsführung und jegliches Handeln des EHV-LH müssen diesen Vorgaben genügen. Dies zeigt für das geschäftsführende Präsidium darüber hinaus § 10 Nr. 4 der Satzung, der die Regelung des § 3 Nr. 2 Satz 6 in Bezug nimmt (s. auch - Rn. 18).
15c) Es ist weiter nicht erforderlich, dass der Ausschluss der Rechte von OT-Mitgliedern in Tarifangelegenheiten in jeder einzelnen Norm der Satzung ausdrücklich wiederholt wird. § 3 Nr. 2 Satz 6 der Satzung des EHV-LH gilt einschränkungslos und damit für alle in der Satzung geregelten Bereiche und Befugnisse. Deshalb bedurfte es zur Wirksamkeit der in der Satzung vorgesehenen OT-Mitgliedschaft keiner weiteren Regelungen für die in § 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c der Satzung genannte Verbandsaufgabe des „Abschlusses von Tarifverträgen“, für eine - in der Satzung ohnehin nicht vorgesehene - Tarifkommission oder für die Einrichtung oder Verwaltung eines Streik- und Aussperrungsfonds sowie zur Vertretungsbefugnis nach außen iSv. § 26 BGB für den - hypothetischen - Fall, dass alle Präsidiumsmitglieder zugleich OT-Mitglieder sind. Das hat der Senat bereits ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ( - Rn. 18 bis 25; weiterhin - 4 AZR 256/09 - Rn. 31 bis 33; - 4 AZR 230/08 - Rn. 80).
16d) Dem durch die Satzung wirksamen begründeten Status als OT-Mitglied steht schließlich nicht die beim UVE-NS gebildete Tarifkommission entgegen. § 5 der Satzung des UVE-NS differenziert ebenfalls klar und eindeutig zwischen Mitgliedern mit und ohne Tarifgebundenheit. Diese Bestimmung verhindert, dass OT-Mitglieder des EHV-LH in der Tarifkommission stimmberechtigt mitwirken können. Dieser in der Satzung vorgesehene Ausschluss des Stimmrechts gilt zugleich für die Tarifkommission des UVE-NS, der in Nr. 1.3. der Geschäftsordnung der Kommission nochmals inhaltlich aufgegriffen wird.
172. Die Beklagte ist als OT-Mitglied an die im Jahre 2009 geschlossenen Tarifverträge nicht mehr gebunden. Ihre mitgliedschaftlich begründete Tarifgebundenheit endete aufgrund ihrer schriftlichen Erklärung vom gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 und Satz 2 der Satzung des EHV-LH bereits im November 2002.
183. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Fundstelle(n):
NAAAE-59259