Kaufkraftausgleich bei im Ausland beschäftigten Ortskräften des Bundes
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 612 BGB, § 138 BGB, § 55 BBesG, § 1 TVG, § 45 TVöD BT-V
Instanzenzug: Az: 21 Ca 20059/10 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 6 Sa 1422/11 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 850/14 Beschluss
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe eines Kaufkraftausgleichs für die Jahre 2007 bis 2010.
2Der Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, trat am als Wächter beim Generalkonsulat Rio de Janeiro in die Dienste der beklagten Bundesrepublik Deutschland. Er ist eine sog. nicht entsandte Ortskraft. Nach Nr. 1 Abs. 2 seines Arbeitsvertrags gilt der jeweils für das Auswärtige Amt maßgebende Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Auslandsvertretungen beschäftigten deutschen nicht entsandten Arbeiter. Das Entgelt wird in Euro geleistet. Der Kläger erhält neben dem Tabellenentgelt des § 15 TVöD-AT einen Auslandszuschlag, einen Kaufkraftausgleich und Zuschüsse zur Krankenversicherung und privaten Altersvorsorge.
3Aus Anlass der Kündigung der Tarifverträge Angestellte/Arbeiter Ausland zum konnten die betroffenen Arbeitnehmer ihre Arbeitsverträge auf das jeweilige Ortsrecht umstellen lassen. Der darüber informierte Kläger machte davon keinen Gebrauch. Seit November 2006 wird sein Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Tarifvertrags zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten deutschen nicht entsandten Beschäftigten vom (TV Beschäftigte Ausland) durchgeführt. Der TV Beschäftigte Ausland lautet in Art. 1 auszugsweise:
4Nach der bis anzuwendenden Fassung des Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland galten §§ 7 und 54 BBesG entsprechend. Aufgrund dieser Verweisung richtete sich die Berechnung des Kaufkraftausgleichs für den Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen zunächst nach den früheren Fassungen des § 7 BBesG vom und sowie des § 54 BBesG vom und (für alle diese Altfassungen der beiden Bestimmungen im Folgenden einheitlich: aF). Der Kaufkraftausgleich wurde auf der Grundlage der Auslandsdienstbezüge iSv. § 52 BBesG errechnet. Seit dem richtet sich die Berechnung des Kaufkraftausgleichs nach § 55 BBesG zunächst idF vom , seit dem idF vom und seit dem idF vom . § 55 BBesG in seinen drei letzten Fassungen fasst im Wesentlichen die Regelungen der §§ 7, 54 BBesG aF zusammen. § 55 BBesG idF vom lautet:
5Die beiden vorangegangenen Fassungen des aktuellen § 55 BBesG waren in den zitierten Passagen bis auf zwei Abweichungen wortgleich mit § 55 BBesG idF vom . In den beiden älteren Fassungen der Norm vom und hieß es ohne inhaltlichen Unterschied in Abs. 2 Satz 1 „Vomhundertsatz“ anstelle „Prozentsatz“ und in Abs. 3 Satz 2 „60 vom Hundert“ anstatt „60 Prozent“ (für alle drei jüngsten Fassungen des § 55 BBesG im Folgenden einheitlich: nF).
6Die Beklagte hatte den Beschäftigten aller Auslandsvertretungen die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des Kaufkraftausgleichs nach dem Bundesbesoldungsgesetz vom und die Verfahrensregelung zur Ermittlung der Teuerungsziffern für den Kaufkraftausgleich vom als Anlagen des Runderlasses 131-31 des Auswärtigen Amts vom bekannt gemacht.
7Mit Schreiben vom verlangte der Kläger, den Kaufkraftausgleich auf einer dem tatsächlichen Konsumverhalten einer Ortskraft annähernd entsprechenden Basis neu zu berechnen.
8Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland stehe ihm ein am realen Konsumverhalten von Ortskräften orientierter Kaufkraftausgleich zu. Die Beklagte habe den Kaufkraftausgleich zwar zutreffend nach den in Bezug genommenen beamtenrechtlichen Regelungen zunächst der §§ 7, 54 BBesG aF, später des § 55 BBesG nF festgesetzt. Die beamtenrechtlichen Regelungen seien jedoch auf entsandte Beschäftigte zugeschnitten. Der Kaufkraftausgleich werde anhand der Teuerungsziffer festgesetzt, die sich aus einem Preisvergleich bestimmter Waren und Dienstleistungen (Warenkorb) ergebe. Für 40 % dieses Warenkorbs werde kein Preisvergleich angestellt, weil von der Beschaffung dieser Güter in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werde. Dabei handle es sich zB um Möbel, elektronische Geräte oder Autos. Außerdem werde der Kaufkraftausgleich nur auf der Grundlage von 60 % des Grundentgelts berechnet, weil entsandte Mitarbeiter aufgrund ihrer begrenzten Aufenthaltsdauer im Gastland einen nicht unerheblichen Teil ihrer laufenden Zahlungsverpflichtungen (Lohn- und Einkommensteuer, Sozialversicherung oder Wohnkosten) im Inland abwickelten. Diese Art der Berechnung des Kaufkraftausgleichs benachteilige Ortskräfte, die dauerhaft im Ausland lebten und dort ihren Lebensunterhalt zu nahezu 100 % bestritten. Der Kläger hat behauptet, der reale Kaufkraftverlust liege seit Ende 2004 wegen der Verschlechterung des Wechselkurses und der brasilianischen Inflation bei 75 % bis 80 %. Der tatsächlich geleistete Kaufkraftausgleich decke demgegenüber nur 6 % bis 9 % der realen Verluste. Diese Umstände habe die Beklagte bei der Festsetzung des Kaufkraftausgleichs bislang ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt. Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland sehe lediglich die entsprechende Anwendung der beamtenrechtlichen Regelungen zum Kaufkraftausgleich vor und räume der Beklagten damit einen Ermessensspielraum bei der Rechtsanwendung ein. In Ausübung dieses Ermessens habe die Beklagte sich bei der Berechnung des Kaufkraftausgleichs am tatsächlichen Konsumverhalten der Ortskräfte zu orientieren. Für den gesamten Warenkorb sei daher eine Teuerungsziffer anzusetzen. Der Kaufkraftausgleich müsse ferner auf der Grundlage der gesamten Grundvergütung und nicht nur anteilig auf der Basis von 60 % des Grundentgelts errechnet werden. Seine höheren monatlichen Ansprüche folgten zudem aus Art. 3 Abs. 1 GG und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Gleichbehandlung von Ortskräften und entsandten Beschäftigten bei der Berechnung des Kaufkraftausgleichs sei nicht gerechtfertigt. Die Ansprüche seien nicht nach § 45 Nr. 15 TVöD-BT-V (Bund) iVm. § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen. Der Beklagten sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die neunmonatige Ausschlussfrist zu berufen, weil sie den Kaufkraftausgleich trotz Aufforderung weder gesondert errechnet noch die jeweiligen Festsetzungen begründet habe.
9Der Kläger hat für die Jahre 2007 bis 2010 deshalb die Nachzahlung eines Kaufkraftausgleichs von insgesamt 48.111,60 Euro geltend gemacht. Bei der Berechnung hat er den realen Kaufkraftverlust ermittelt und davon den tatsächlich erhaltenen Kaufkraftausgleich abgezogen. Er hat die verbleibenden Differenzbeträge um die monatlichen Unterschiedsbeträge, die 50 % der Grundvergütung überstiegen, gekürzt. Dieser „Sicherheitsabschlag“ sei geboten, weil der Beklagten ein Ermessensspielraum zustehe.
10Hilfsweise hat der Kläger die Anpassung seines Arbeitsvertrags verlangt und sich angesichts der realen nicht ausgeglichenen Kaufkraftverluste zunächst darauf berufen, die Geschäftsgrundlage sei entfallen iSv. § 313 BGB. In der Berufungsinstanz hat er ausgeführt, der nicht ausgeglichene Kaufkraftverlust habe mittlerweile zu einer so erheblichen Äquivalenzstörung geführt, dass die tarifliche Regelung des Kaufkraftausgleichs nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig geworden sei. Daraus ergäben sich Ansprüche auf die übliche Vergütung aus § 612 Abs. 2 BGB. Jedenfalls könne er verlangen, dass der Vertrag durch Umdeutung angepasst werde (§§ 140, 612 Abs. 2 BGB).
11Der Kläger hat beantragt,
12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, dem Kläger stünden keine weiteren Ansprüche auf Kaufkraftausgleich zu. Die tarifliche Regelung lege bindend fest, dass der Kaufkraftausgleich auch für Ortskräfte nach der zu §§ 7, 54 BBesG aF und § 55 BBesG nF erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des Kaufkraftausgleichs nach dem Bundesbesoldungsgesetz vom zu berechnen sei. Ein Ermessensspielraum, der es ihr erlaube, Besonderheiten des Kaufverhaltens von Ortskräften zu berücksichtigen, bestehe nicht. Die tarifliche Regelung zum Kaufkraftverlust verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien hätten sich im Interesse der Vereinfachung bewusst für eine pauschale Verweisung auf die beamtenrechtlichen Regelungen und gegen eine Sonderregelung für Ortskräfte entschieden. Das sei sachgerecht und von der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien gedeckt. Der Kläger könne sich auch nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Ein Kaufkraftverlust sei allenfalls eine objektive Geschäftsgrundlage. Eine erhebliche Äquivalenzstörung sei jedoch nicht feststellbar. Die Höhe des vom Kläger für die letzten Jahre behaupteten Kaufkraftverlusts sei nicht nachvollziehbar. Die vom Statistischen Bundesamt anhand von Preisanstiegen und Wechselkursänderungen regelmäßig errechneten Teuerungsziffern für Brasilien lägen bei 5 % bis 11 %. Im Übrigen vernachlässige der Kläger, dass er immer noch ein um 20 % bis 30 % höheres Entgelt erziele, als es in Brasilien üblich sei.
13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich des Hauptantrags für unbegründet und bezüglich des Hilfsantrags für unzulässig gehalten. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Gründe
14Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist mit Blick auf den Hauptantrag unbegründet. Hinsichtlich des Hilfsantrags ist sie unzulässig.
15A. Der Hauptantrag ist unbegründet. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass sich der Kaufkraftausgleich am tatsächlichen Konsumverhalten einer Ortskraft orientiert. Die ihm zustehenden Ansprüche sind durch die erbrachten Leistungen erfüllt. Das haben die Vorinstanzen zutreffend erkannt.
16I. Die erhobenen Ansprüche beurteilen sich nach deutschem materiellen Arbeitsrecht.
171. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wird vollständig in Brasilien durchgeführt. Es handelt sich deshalb um einen Sachverhalt mit Bezug zu ausländischem Recht (Art. 3 EGBGB in der bis geltenden Fassung [EGBGB]). Das anzuwendende Arbeitsvertragsstatut bestimmt sich nach Art. 27 EGBGB. Diese Vorschrift gilt noch für alle Arbeitsverhältnisse, die bis zum begründet wurden (vgl. - zu II 1 der Gründe, BAGE 71, 297). Erst für Arbeitsverträge, die seit dem geschlossen wurden, ist die sog. ROM I-Verordnung anzuwenden (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht; vgl. ErfK/Schlachter 14. Aufl. Rom I-VO Rn. 1 mwN).
182. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss nicht ausdrücklich erfolgen. Sie kann sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Einzelfalls ergeben. Es gibt keinen abschließenden Katalog von Indizien. Für Schuldverhältnisse sind jedoch typische Hinweise auf eine konkludente Rechtswahl aus der Vereinbarung eines Gerichtsstands oder Schiedsverfahrens, einer vertraglichen Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht und der Vereinbarung eines gemeinsamen Erfüllungsorts für beide Parteien zu entnehmen. Die vertragliche Verweisung auf Tarifverträge und sonstige Regelungen am Sitz des Arbeitgebers ist ein gewichtiges Indiz für eine konkludente Rechtswahl (vgl. - Rn. 28; - 9 AZR 134/07 - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 24).
193. Nach diesen Grundsätzen haben sich die Parteien hier für die Geltung deutschen Rechts entschieden. Das folgt neben der Vertragssprache und der Vergütung in deutscher Währung vor allem aus der Verweisung auf den für das Auswärtige Amt jeweils maßgebenden Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Auslandsvertretungen beschäftigten deutschen nicht entsandten Arbeiter.
20II. Ansprüche des Klägers auf zusätzlichen Kaufkraftausgleich ergeben sich nicht aus der vertraglich in Bezug genommenen Regelung des Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland.
211. Nach Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland hat der Kläger Anspruch auf Kaufkraftausgleich nach §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF. Die Verweisung auf die beamtenrechtlichen Regelungen des Kaufkraftausgleichs ist wirksam.
22a) Tarifvertragsparteien können die ihnen verliehene Rechtsetzungsbefugnis zwar nicht an Dritte delegieren. Die ihnen durch Art. 9 Abs. 3 GG übertragene Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder sinnvoll zu ordnen, umfasst aber die Befugnis, in Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes auf die für Beamte geltenden gesetzlichen Vorschriften zu verweisen. Das setzt voraus, dass diese Bestimmungen eindeutig sind und mit der tariflichen Regelung in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. - Rn. 22 mwN). Bei solchen Verweisungen ist sichergestellt, dass der anzustrebenden sachgerechten tariflichen Regelung durch einen angemessenen Interessenausgleich Rechnung getragen wird. Die Tarifvertragsparteien können die Verweisung auf die gesetzlichen Bestimmungen jederzeit aufheben oder ändern (vgl. - Rn. 22; - 6 AZR 227/05 - Rn. 17, BAGE 116, 346).
23b) Das in Bezug genommene Besoldungsrecht weist den erforderlichen Sachzusammenhang mit der tariflichen Regelung in Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland auf. Der Kaufkraftausgleich nach dem Bundesbesoldungsgesetz passt die Dienstbezüge zur Erhaltung der Kaufkraft den durch das Währungs- und Preisgefälle bedingten veränderten Verhältnissen im Ausland an. Damit soll sichergestellt werden, dass der mit der Besoldung verfolgte Zweck, dem Beamten die dem jeweiligen Amt und seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Besoldung zu gewähren, auch bei einem dienstlichen Wohnsitz außerhalb des deutschen Währungsgebiets erhalten bleibt (vgl. - zu II 2 der Gründe; VI C 39.68 - BVerwGE 38, 139, 143 f.). Die Problematik eines unterschiedlichen Währungs- und Preisgefälles betrifft die im Ausland tätigen und in deutscher Währung vergüteten nicht entsandten Ortskräfte ebenso wie die entsandten Beamten.
24c) Die für den Tarifvertrag vorgeschriebene Schriftform des § 1 Abs. 2 TVG ist durch die Verkündung als Gesetz und die Veröffentlichung im Bundesanzeiger gewahrt (vgl. - Rn. 24 mwN).
252. Auf der Grundlage der wirksamen tariflichen Verweisung auf das Gesetzesrecht steht dem Kläger ein monatlicher Kaufkraftausgleich nach §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF zu. Diese Ansprüche hat die Beklagte erfüllt. Der Kläger rügt keine fehlerhafte Berechnung des Kaufkraftausgleichs nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen. Er beanstandet vielmehr, dass die Beklagte in fehlerfreier Ausübung ihres Ermessens von den beamtenrechtlichen Regelungen hätte abweichen müssen, um einer Benachteiligung der Ortskräfte bei der Berechnung des Kaufkraftausgleichs entgegenzuwirken. Diese Rüge greift nicht durch. Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland räumt der Beklagten keinen Ermessensspielraum bei der Anwendung von §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF auf Arbeitsverhältnisse nicht entsandter Ortskräfte ein.
26a) Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland ist nach den für Tarifnormen geltenden Maßstäben auszulegen und auf seine Rechtswirksamkeit zu überprüfen. Die Bezugnahme auf §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF wirkt wie eine wörtliche Übernahme dieser Regelungen in den Tarifvertrag. Die gesetzlichen Bestimmungen über den Kaufkraftausgleich gelten aufgrund der Verweisung als Tarifnormen (vgl. - Rn. 25; - 6 AZR 323/02 - zu I 3 der Gründe, BAGE 107, 272).
27b) Der Beklagten kommt kein Ermessen darin zu, ob die beamtenrechtlichen Regelungen anzuwenden sind.
28aa) Nach dem Wortlaut des Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland gelten §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF entsprechend. Ein Wille, nach pflichtgemäßem Ermessen auch abweichende Regelungen des Kaufkraftausgleichs zuzulassen, ist und war im Wortlaut des Tarifvertrags nicht ausgedrückt.
29bb) Die Tarifsystematik bestätigt dieses Ergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben in Art. 1 § 2 Abs. 1 TV Beschäftigte Ausland grundsätzlich auf die Regelungen des § 45 TVöD-BT-V (Bund) verwiesen. Sie haben in der Folge jedoch zahlreiche Ausnahmen von der Geltung des § 45 TVöD-BT-V (Bund) aufgenommen. Zum Teil haben die Tarifvertragsparteien auf Regelungen des Bundesbesoldungsgesetzes oder der Heimaturlaubsverordnung verwiesen. Teilweise haben sie selbst den von § 45 TVöD-BT-V (Bund) abweichenden Regelungsgehalt niedergelegt. Der TV Beschäftigte Ausland enthält damit ein in sich geschlossenes System, das sich einerseits aus Verweisungen auf den TVöD-BT-V oder andere öffentlich-rechtliche Normen und andererseits aus eigenständigen Regelungen zusammensetzt. Abweichungen davon durchbrechen das System und stellen damit zugleich die inhaltliche Ausgewogenheit der tariflichen Regelungsstruktur infrage.
30cc) Sinn und Zweck der Tarifnorm stehen mit diesem Auslegungsergebnis in Einklang. Verweist ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes - wie hier Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland - auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen, soll den Arbeitnehmern dieselbe Rechtsstellung wie den Beamten eingeräumt werden (vgl. - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 107, 272; - 6 AZR 411/01 - zu 1 der Gründe, BAGE 104, 342). Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland dient dazu, Ansprüche auf Kaufkraftausgleich zu vereinheitlichen. Die Übernahme der für Beamte der Bundesrepublik Deutschland geltenden Bestimmungen soll gewährleisten, dass Arbeitnehmer hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und der Dauer der zu gewährenden Leistungen nicht schlechter-, aber auch nicht bessergestellt werden als vergleichbare Beamte. Die tarifliche Verweisung will zudem die Zahlung des Kaufkraftausgleichs vereinfachen. Der Arbeitgeber soll in den Stand versetzt werden, seine in verschiedenen Dienststellen zusammenarbeitenden Beschäftigten nach denselben Rechtsnormen zu behandeln (vgl. - zu II 2 b cc der Gründe mwN, aaO).
31c) Es besteht auch kein Ermessen der Beklagten in der Frage, wie die beamtenrechtlichen Regelungen anzuwenden sind.
32aa) Mit Blick auf den Zweck der tariflichen Verweisung, die Vereinheitlichung der Rechtsstellungen von Beamten und Arbeitnehmern, sind die für die Beamten geltenden Gesetze, Verordnungen und Durchführungserlasse auch für die Arbeitnehmer maßgebend. Steht es nach den für die Beamten geltenden Vorschriften im Ermessen des Dienstherrn, die Leistung zu gewähren, gelten deswegen auch für die Arbeitnehmer die für das Verwaltungsermessen entwickelten Grundsätze (vgl. - zu II 1 der Gründe mwN).
33bb) §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF gewähren der Beklagten jedoch auch im Verhältnis zu ihren Beamten kein Durchführungsermessen. Nach §§ 7, 54 BBesG aF bzw. § 55 BBesG nF wird die Höhe des Kaufkraftausgleichs durch das Auswärtige Amt im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium der Finanzen geregelt. Damit ist es ministerieller Bestimmung überlassen, die Höhe des jeweiligen Kaufkraftausgleichs festzulegen. Dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken (vgl. - zu II 2 der Gründe; 2 C 24.94 - BVerwGE 99, 355, 357).
34cc) Von dieser Ermächtigung hat der Bundesminister des Auswärtigen zuletzt durch Erlass der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Festsetzung des Kaufkraftausgleichs nach dem Bundesbesoldungsgesetz vom Gebrauch gemacht. Diese Verwaltungsvorschrift gibt der Beklagten die Art und Weise der Berechnung des Kaufkraftausgleichs bindend vor, ohne ihr Ermessen einzuräumen.
353. Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifnorm sieht keine sachwidrige Gleichbehandlung der nicht entsandten Ortskräfte mit den entsandten Beamten vor.
36a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte dennoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Unterscheidungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. - Rn. 43; - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).
37b) Verfassungsrechtlich erheblich ist nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. - Rn. 44; - 6 AZR 23/12 - Rn. 59). Bei einer personenbezogenen Gleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normdressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten gleichbehandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine gleiche Behandlung nicht rechtfertigen (vgl. für den umgekehrten Fall der sachwidrigen Ungleichbehandlung - Rn. 45; - 6 AZR 23/12 - Rn. 60).
38c) Nach diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragsparteien die nicht entsandten Ortskräfte mit den entsandten Beamten bei der Berechnung des Kaufkraftausgleichs nach Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland gleichbehandelt haben.
39aa) Dem liegt der Wille zugrunde, die nicht entsandten Ortskräfte hinsichtlich des Kaufkraftausgleichs weder besser- noch schlechterzustellen als die entsandten Beamten und zugleich die Zahlung des Kaufkraftausgleichs zu vereinfachen.
40bb) Diese Gleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt. Die Gemeinsamkeiten der Lebensverhältnisse beider Personengruppen überwiegen die Unterschiede. Beide Personengruppen sind durch ihre deutsche Staatsangehörigkeit und ihr Arbeits- oder Beamtenverhältnis, das sich nach deutschem Recht richtet, mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden. Aufgrund ihrer Tätigkeit im Ausland bei gleichzeitiger Vergütung in deutscher Währung sind sie einem Währungs- und Preisgefälle ausgesetzt. Anders als entsandte Beamte leben Ortskräfte zwar dauerhaft an ihrem ausländischen Arbeitsort. Sie kehren nicht regelmäßig durch Rotation in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Das geht bei typisierender Betrachtung entgegen der Annahme der Revision aber nicht zwingend mit einem erheblich abweichenden Konsumverhalten beider Personengruppen einher. Ortskräfte sind nicht gezwungen, auf den Import deutscher Waren oder eine Alters-, Gesundheits- oder Vermögensvorsorge nach deutschem Recht zu verzichten. Auch entsandte Beamte halten sich häufig über mehrere Monate hinweg ohne Unterbrechung am Dienstort auf. Es ist ihnen nicht ohne Weiteres möglich, stets bei Bedarf nach Deutschland zu reisen und den Kauf von Konsumgütern wie Kleidung, Schuhen oder elektronischen Geräten am ausländischen Dienstort zu vermeiden. Die Tarifvertragsparteien haben ihre Einschätzungsprärogative daher nicht überschritten, indem sie die Lebensverhältnisse von nicht entsandten Ortskräften und entsandten Beamten im Hinblick auf das regelmäßige Konsumverhalten am Dienstort für weitgehend vergleichbar gehalten und eine für beide Personengruppen einheitliche Berechnung des Kaufkraftausgleichs vorgesehen haben.
41III. Der Kläger kann zusätzlichen Kaufkraftausgleich auch nicht aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangen.
421. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz wird unabhängig von seiner umstrittenen dogmatischen Herleitung inhaltlich durch den Gleichheitssatz bestimmt. Er verbietet die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage und die sachfremde Gruppenbildung (vgl. nur - Rn. 72; - 6 AZR 619/11 - Rn. 42). Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn die Regelung mit anderen Worten für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung willkürlich ist (vgl. - Rn. 62). Der Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass die gleichheitswidrig benachteiligten Arbeitnehmer die vorenthaltene Leistung verlangen können, von der sie ohne sachlichen Grund ausgeschlossen wurden (vgl. ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 606; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 112 Rn. 31).
432. Der Kläger ist jedoch nicht von einer Begünstigung ausgenommen. Er fühlt sich vielmehr zu Unrecht gleichbehandelt und erstrebt eine Besserstellung gegenüber der Vergleichsgruppe der entsandten Beamten. Eine solche Rechtsfolge begründet der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht.
44IV. Die mit dem Hauptantrag geltend gemachten Ansprüche lassen sich schließlich nicht auf § 612 Abs. 2 BGB stützen.
451. Nach § 612 Abs. 2 BGB ist immer dann die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Im Streitfall ist die Vergütungshöhe aber durch die vertragliche Bezugnahme auf den TV Beschäftigte Ausland bestimmt.
462. Die Vergütungsvereinbarung ist nicht nach § 138 Abs. 1 BGB infolge unzureichenden Kaufkraftausgleichs nichtig.
47a) Die Frage, ob Tarifverträge am Maßstab des § 138 BGB überprüft werden können, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden (offengelassen von - BAGE 44, 268, 278). In § 138 Abs. 1 BGB kommen elementare Gerechtigkeitsanforderungen, die der gesamten Rechtsordnung zugrunde liegen, zum Ausdruck. Sie sind Ausfluss der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit und des Sozialstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 1 GG. Daran sind auch Tarifabschlüsse zu messen (vgl. - zu I 2 a bb der Gründe, BAGE 110, 79).
48b) Sittenwidrigkeit des Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland käme allerdings nur in Betracht, wenn die Höhe des Arbeitsentgelts für die geschuldete Arbeitsleistung aufgrund des unzureichenden Kaufkraftausgleichs dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspräche. Davon kann nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht ausgegangen werden. Ausweislich der vorgelegten Verdienstabrechnungen erreicht die monatlich gezahlte Grundvergütung nebst Auslandszuschlag sowie Zuschüssen zur Krankenversicherung und zur privaten Altersvorsorge bei Weitem nicht die Grenze eines sittenwidrigen „Hungerlohns“.
49V. Da alle vom Kläger mit dem Hauptantrag erhobenen Ansprüche auf zusätzlichen Kaufkraftausgleich für die Zeit von Januar 2007 bis Dezember 2010 schon nicht entstanden sind, kann offenbleiben, ob die Ansprüche für die Monate Januar 2007 bis März 2010 zudem aufgrund der neunmonatigen Ausschlussfrist des Art. 1 § 2 Abs. 1 TV Beschäftigte Ausland iVm. § 45 Nr. 15 TVöD-BT-V (Bund), § 37 Abs. 1 TVöD-AT verfallen wären.
50B. Die gegen die Verwerfung der Berufung hinsichtlich des Hilfsantrags gerichtete Revision ist unzulässig. Sie gibt die Revisionsgründe nicht ausreichend an iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO.
51I. Bei Verfahrensrügen iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO muss der Mangel, den die Revision geltend macht, genau bezeichnet werden. Dabei sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. nur - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden Streitgegenstand eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (vgl. - Rn. 17). Vertretbar oder auch nur einleuchtend braucht die Rüge nicht zu sein. Die Revision muss sich jedoch mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese Erwägungen bekämpfen will. Das erfordert, dass in der Revisionsbegründung konkret darlegt wird, aus welchen Gründen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers die Berufungsentscheidung mit Blick auf das Rechtsmittel überprüft und die Rechtslage durchdenkt (vgl. zB - Rn. 10).
52II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung für den Hilfsantrag nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen die Abweisung des Hilfsantrags für unzulässig gehalten. Das hat der Kläger in der Revisionsbegründung als nicht nachvollziehbar angesehen und in der Folge seine materiell-rechtliche Begründung des Hilfsantrags unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit von Art. 1 § 4 Abs. 3 TV Beschäftigte Ausland wiederholt. Darin liegt keine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des Berufungsurteils. Hat das Landesarbeitsgericht ein Prozessurteil erlassen, genügt eine Auseinandersetzung ausschließlich mit materiell-rechtlichen Fragen nicht (vgl. GK-ArbGG/Mikosch Stand Juli 2011 § 74 Rn. 56). Die Revisionsbegründung muss in einem solchen Fall vielmehr erkennen lassen, aus welchen Gründen es fehlerhaft war, die Berufung gerade als unzulässig zu verwerfen. Der prozessuale Mangel der Revisionsbegründung bestand am Ende der Revisionsverhandlung fort. Der Kläger hat erst mit Schriftsatz vom und damit erheblich nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zu der Frage der Zulässigkeit der Berufung gegen die Abweisung des Hilfsantrags Stellung genommen.
53C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Fundstelle(n):
ZAAAE-59255