BGH Beschluss v. - 4 StR 499/13

Gesamtstrafenbildung: Wahrung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes; Zäsurwirkung nicht einbeziehungsfähiger Strafen

Gesetze: § 55 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Dresden Az: 4 KLs 414 Js 28405/06

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.     K.     wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, wegen versuchten Betrugs in drei Fällen und wegen Vortäuschens einer Straftat unter Einbeziehung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom verhängten Geldstrafen und unter Auflösung der dort verhängten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Wegen eines weiteren Betrugs hat es ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Entscheidung über die Anrechnung von Auslieferungshaft getroffen. Der Angeklagte wurde aufgrund von zwei Europäischen Haftbefehlen wegen der verfahrensgegenständlichen Taten am in Spanien festgenommen und am nach Deutschland überstellt.

2Die Angeklagte Kn.    ist wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr, wegen Betrugs, wegen versuchten Betrugs in drei Fällen und wegen veruntreuender Unterschlagung in zwei Fällen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Gegen die Angeklagte O.   ist wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr und wegen versuchten Betrugs in drei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten erkannt worden.

3Mit ihren gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts; die Angeklagten Kn.    und S.    K.    beanstanden zudem das Verfahren.

4Das Rechtsmittel des Angeklagten S.     K.    führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe, im Übrigen bleibt es wie die Rechtsmittel der Angeklagten Kn.     und O.   ohne Erfolg.

51. Die Verfahrensbeschwerden greifen aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom nicht durch.

62. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt hinsichtlich der Angeklagten Kn.    und O.   insgesamt und hinsichtlich des Angeklagten S.     K.     zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

7Zwar hat das Landgericht in den drei Fällen des versuchten Betrugs bei allen drei Angeklagten eine Verschiebung des Strafrahmens nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB nicht ausdrücklich erwogen. Es hatte aber den Umstand, dass der Betrug nur versucht war, bei allen drei Angeklagten im Blick. Die Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB wurde jeweils ausdrücklich „unter weiterer Berücksichtigung insbesondere des Umstandes, dass die Tat nicht vollendet wurde" bejaht. Die vom Landgericht verhängten Freiheitsstrafen liegen zwischen einem Jahr und drei Monaten und zwei Jahren und sechs Monaten, mithin jeweils deutlich über dem Mindestmaß und weit unter dem Höchstmaß beider Strafrahmen. Es ist deshalb auszuschließen, dass das Landgericht auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte, wenn es die Untergrenze des Strafrahmens mit einem Monat statt mit sechs Monaten und die Obergrenze mit sieben Jahren sechs Monaten statt mit zehn Jahren bestimmt hätte.

83. Bei dem Angeklagten S.     K.    gibt die Gesamtstrafenbildung Anlass zu rechtlichen Beanstandungen.

9Der Angeklagte ist vom Königreich Spanien aufgrund Europäischer Haftbefehle nur zur Verfolgung der in den Haftbefehlen des Amtsgerichts Dresden vom und vom dargelegten Straftaten ausgeliefert worden. Der das Auslieferungsrecht beherrschende Grundsatz der Spezialität verbietet es, die Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden mangels Zustimmung der spanischen Behörden in eine neue zu vollstreckende Gesamtfreiheitsstrafe einzubeziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 395/12, NStZ-RR 2013, 178; vom - 4 StR 303/11, NStZ 2012, 100; vom - 4 StR 345/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 7 jeweils mwN). Das führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten.

10Solange die Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden vom nicht in eine neue Gesamtstrafe einbezogen werden dürfen, ist aus allen hier verhängten Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu bilden (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 345/97, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 7; vom - 5 StR 36/81; ). Urteile, deren Strafen nicht nach § 55 StGB einbeziehungsfähig sind, entfalten keine Zäsurwirkung (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 55 Rn. 10 mwN).

11Der Senat verweist die Sache daher zur Bildung einer neuen Gesamtstrafe zurück. Der Aufhebung der Feststellungen zur Gesamtstrafenbildung bedarf es nicht; ergänzende Feststellungen bleiben zulässig.

12Sollten die Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dresden zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im Anschluss an ein Nachtragsersuchen, vollstreckbar werden, so ist nach § 460 StPO aus diesen Strafen und aus den im vorliegenden Verfahren für die vor dem begangenen Taten festgesetzten Einzelstrafen unter Berücksichtigung des § 358 Abs. 2 StPO nachträglich eine neue Gesamtstrafe zu bilden.

Sost-Scheible                       Roggenbuck                          Cierniak

                        Bender                              Quentin

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Fundstelle(n):
DAAAE-57074