Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Kaiserslautern Az: 7 Ca 854/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 9 Sa 684/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über den Fortbestand des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom (TV SozSich) für den Zeitraum vom bis .
2Der am geborene Kläger war vom bis zum bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis, auf das die Tarifverträge für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften Anwendung fanden, endete aus betriebsbedingten Gründen in Folge eines Truppenabbaus. Vom bis zum erhielt der Kläger Überbrückungsbeihilfe nach dem TV SozSich wegen bestehender Arbeitslosigkeit von zuletzt monatlich 2.318,48 Euro. Ab dem war der Kläger unstreitig grundsätzlich rentenberechtigt.
3Im TV SozSich heißt es auszugsweise wie folgt:
4Am begründete der Kläger zum ein Arbeitsverhältnis als „kaufmännische Hilfskraft im Bereich von EDV-Tätigkeiten“ mit einer Arbeitszeit von 22 Wochenstunden und einem Monatsgehalt von 500,00 Euro brutto, das durch Kündigung des Arbeitgebers zum endete. Die Beklagte lehnte die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe über den hinaus ab. Seit dem bezieht der Kläger auf seinen nach Beendigung des neuen Arbeitsverhältnisses gestellten Antrag eine vorgezogene gesetzliche Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
5Die Parteien haben darüber gestritten, ob der Rentenanspruch des Klägers wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze nicht entstanden ist.
6 Der Kläger hat beantragt
7Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Gründe
8Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Überbrückungsbeihilfe hat mit dem geendet.
9I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Entgegen der Annahme der Revision ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Die Revision macht geltend, die Höhe des Anspruchs auf Überbrückungsbeihilfe lasse sich aufgrund des begehrten Feststellungsurteils nicht berechnen, weil die im Arbeitsvertrag vom getroffene Entgeltabrede sittenwidrig sei, so dass dem Kläger die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zustehe. Deren Höhe stehe betragsmäßig aber nicht fest. Der Sache nach beruft sie sich darauf, das Feststellungsurteil könne nicht zu einer sachgemäßen und erschöpfenden Lösung des Streits zwischen den Parteien führen. Die Revision berücksichtigt dabei nicht, dass für das Feststellungsinteresse allein der begehrte Inhalt des Feststellungsurteils ausschlaggebend ist (vgl. -; vgl. - zu I 2 b der Gründe). Der Antrag stellt ausdrücklich auf das im Arbeitsvertrag vom vereinbarte Entgelt ab. Ein dem Antrag stattgebendes Urteil würde den Streit der Parteien erschöpfend klären und weitere gerichtliche Auseinandersetzungen um denselben Fragenkomplex ausschließen (vgl. - zu I 2 b der Gründe, BAGE 100, 43). Der Kläger musste deshalb sein Begehren nicht im Wege der Leistungsklage verfolgen. Ob die Überbrückungsbeihilfe tatsächlich wie vom Kläger begehrt zu berechnen ist oder ob die Berechnung unmöglich wäre, ist eine Frage der Begründetheit und nicht des Feststellungsinteresses.
10II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hatte seit dem Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns am keinen Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe mehr. Seit diesem Tag war er nicht mehr arbeitslos, so dass kein Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich mehr bestand. Ein Anspruch auf die Zahlung von Überbrückungsbeihilfe als Zuschuss zum Entgelt aus einer Beschäftigung außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich ist unabhängig davon, ob das zum begründete Arbeitsverhältnis die übrigen Voraussetzungen einer anderweitigen Beschäftigung im Sinne dieser Bestimmung erfüllte, nicht entstanden. Zum Stichtag des frühestmöglichen Rentenbeginns konnte kein Arbeitsverhältnis mehr begründet werden, das durch eine Überbrückungsbeihilfe nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich zu ergänzen war. Ab diesem Zeitpunkt war der tarifliche Sicherungszweck nicht mehr erfüllt.
111. Mit der Überbrückungsbeihilfe erhalten ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, die betriebsbedingt und damit wirksam entlassen worden sind, noch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus Unterstützungsleistungen durch ihren früheren Arbeitgeber. Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz unter den Voraussetzungen des § 2 TV SozSich verloren haben, soll der Lebensunterhalt gewährleistet werden. Nachteile, die sich aus einem geringeren Arbeitsverdienst in einem neuen Arbeitsverhältnis oder aus einer Arbeitslosigkeit ergeben, sollen überbrückt werden. Der TV SozSich geht dabei von einem zeitlich begrenzten Überbrückungsbedarf aus, der längstens bis zum Erwerb einer wirtschaftlichen Absicherung durch den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Die Ergänzung einer als unzureichend empfundenen gesetzlichen Altersrente ist nicht Zweck der Überbrückungsbeihilfe ( - zu II 3 c bb der Gründe). Die Kompensation von Rentennachteilen, die sich ua. aus Rentenabschlägen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente ergeben, liegt außerhalb des Regelungsplans der Tarifvertragsparteien ( - Rn. 23, BAGE 139, 226).
122. Ausgehend von diesem Regelungszweck hat der Senat angenommen, dass der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe gemäß § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich mit der Rentenberechtigung endet. Das gilt auch dann, wenn lediglich die Möglichkeit des Bezugs der vorzeitigen Altersrente unter Rentenabschlägen besteht. Darauf, ob der Berechtigte die Rente in Anspruch nimmt oder wenigstens beantragt hat, kommt es nicht an ( - Rn. 6, 13, 17, 23, BAGE 139, 226; - 6 AZR 631/05 - Rn. 11 f., BAGE 118, 196). Eine Rentenberechtigung iSd. § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich besteht allerdings nicht, wenn die Hinzuverdienstgrenzen des § 34 Abs. 3 SGB VI überschritten sind.
13a) Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung unterscheidet zwischen dem Stammrecht und dem Recht auf die jeweils fällig werdenden Einzelleistungen. Das Stammrecht auf die Rente entsteht unabhängig von einer Antragstellung des Berechtigten in dem Zeitpunkt, in dem alle materiellen Voraussetzungen für eine Rentenberechtigung vorliegen. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB VI besteht vor Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf eine Rente wegen Alters nur, wenn die in § 34 Abs. 3 SGB VI festgelegten Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten werden. Die Einhaltung dieser Grenzen ist negative Anspruchsvoraussetzung des Rentenanspruchs ( - zu II 2 b und c aa der Gründe).
14b) Der Senat hat vor diesem rechtlichen Hintergrund angenommen, die Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen zum Bezug der Überbrückungsbeihilfe auch vorlägen, wenn eine Rente wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres nur deshalb nicht gewährt werde, weil die Hinzuverdienstgrenze überschritten sei, sei nicht klärungsbedürftig. Der Ausschlusstatbestand des § 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich liege in diesem Fall nicht vor ( -). In dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Rechtsstreit war das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei den Stationierungsstreitkräften zum gekündigt worden. Nach einer Arbeitslosigkeit bis Mitte Oktober 2005 erzielte die Klägerin in einem neuen Arbeitsverhältnis durchgängig einen Verdienst, der über der Hinzuverdienstgrenze lag. Sie hätte grundsätzlich ab dem vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können ( -). Die Klägerin war jedoch nicht rentenberechtigt, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten waren. Etwas anderes kann nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nur dann gelten, wenn sich der ehemalige Arbeitnehmer der Stationierungsstreitkräfte so behandeln lassen muss, als sei er rentenberechtigt. Das kommt etwa dann in Betracht, wenn im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem theoretisch frühestmöglichen Rentenbeginn auf Initiative des Arbeitnehmers der Inhalt eines bereits außerhalb des Bereichs der Stationierungsstreitkräfte bestehenden Arbeitsverhältnisses geändert wird, so dass nunmehr die Hinzuverdienstgrenzen des § 34 SGB VI überschritten sind.
153. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich von den bisher vom Senat entschiedenen Fällen. Es geht nicht darum, ob der Anspruch auf die Überbrückungsbeihilfe von Anfang an wegen einer Rentenberechtigung des ehemaligen Arbeitnehmers der Stationierungsstreitkräfte nicht entsteht (§ 2 Ziff. 2 Buchst. d TV SozSich) bzw. ob der auf unveränderter Grundlage zu erfüllende Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erlischt, sobald der Arbeitnehmer rentenberechtigt ist (§ 8 Ziff. 1 Buchst. c TV SozSich). Streitentscheidend ist allein, ob der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe auf einer neuen Rechtsgrundlage weiter besteht. Der Kläger begehrt für den streitbefangenen Zeitraum die Zahlung der Überbrückungsbeihilfe nicht mehr wie bis zum Dezember 2010 als Zuschuss zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich), sondern als Zuschuss zu einer anderweitigen Beschäftigung iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich, die er im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Eintritt der Rentenberechtigung begründet hat. Entgelt, das aus einer solchen, erst zum Stichtag der Rentenberechtigung begründeten anderweitigen Beschäftigung erzielt wird, ist nach dem Regelungszweck des TV SozSich nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. In einem solchen Fall besteht unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer nicht rentenberechtigt ist, weil die Hinzuverdienstgrenzen überschritten sind, der zeitlich begrenzte Sicherungsbedarf für die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe nicht mehr. Die Überbrückungsbeihilfe soll, wie ausgeführt, nicht eine als unzureichend empfundene Altersrente ergänzen, sondern den Arbeitnehmer bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn absichern. Nach seinem Regelungszweck eröffnet der TV SozSich die vom Kläger in Anspruch genommene Gestaltungsmöglichkeit, ein nach § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich durch Überbrückungsbeihilfe zu ergänzendes Arbeitsverhältnis erst zu dem Zeitpunkt zu begründen, ab dem er ohne dieses Arbeitsverhältnis Rente hätte beantragen können und deshalb der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe erloschen wäre, nicht. Das liefe auf ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der vorgezogenen Rente oder der Fortzahlung der Überbrückungsbeihilfe bis zum regulären Rentenbeginn hinaus. Ein solches Wahlrecht besteht jedoch nach der Konzeption der Tarifvertragsparteien gerade nicht (vgl. - Rn. 11, BAGE 118, 196).
164. Das vom Kläger zum begründete Arbeitsverhältnis war nach diesen Grundsätzen kein Arbeitsverhältnis iSd. § 4 Ziff. 1 Buchst. a TV SozSich. Das aus diesem Arbeitsverhältnis erzielte Entgelt war nicht durch Zahlung von Überbrückungsbeihilfe zu ergänzen. Auch eine Ergänzung von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV SozSich kam für den streitbefangenen Zeitraum nicht mehr in Betracht. Der Kläger war nach seinem eigenen Vorbringen nicht mehr arbeitslos. Es fehlte an der erforderlichen Beschäftigungslosigkeit, weil er in einem Beschäftigungsverhältnis, dh. in einem Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden, stand (§ 138 Abs. 3 SGB III).
17III. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
UAAAE-57064