Wechselschichtzulage im feuerwehrtechnischen Dienst
Gesetze: § 20 Abs 1 EZulV 1976 vom , § 47 Nr 2 Abs 1 TV-L, § 1 TVG, § 20 Abs 1 EZulV BE
Instanzenzug: Az: 33 Ca 19421/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 16 Sa 1428/12 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Zahlung einer Wechselschichtzulage.
2Der Kläger ist für das beklagte Land als feuerwehrtechnischer Angestellter tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom (Angleichungs-TV Berlin) und danach grundsätzlich der TV-L Anwendung. Nach § 15 Angleichungs-TV Berlin (Maßgaben zu § 47 TV-L) gelten Sonderregelungen für Beschäftigte ua. im feuerwehrtechnischen Dienst. Nach § 47 Nr. 2 Abs. 1 TV-L finden die §§ 6 bis 9 und § 19 TV-L auf Beschäftigte im feuerwehrtechnischen Dienst keine Anwendung, sondern gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten.
3Die Erschwerniszulagenverordnung, im Streitzeitraum idF vom (BGBl. I S. 160, im Folgenden: EZulV), hatte in § 20 Folgendes geregelt:
4Eine gleichlautende Regelung enthält die Erschwerniszulagenverordnung des Landes Berlin vom , gültig ab (GVBl. I S. 266, im Folgenden: BEZulV).
5Der Kläger arbeitet als Rettungsassistent im Retterpool Nord in der Feuerwache F. Nach dem Dienstplan wird dort im Zweischichtmodell in der Frühschicht von 07:00 Uhr bis 19:00 Uhr und in der Nachtschicht von 19:00 Uhr bis 07:00 Uhr des Folgetags gearbeitet. Nach der Geschäftsanweisung GS-Nr. 15/2007 „Dienstablauf im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr“ ist für alle feuerwehrtechnischen Beamten und Angestellten in den Frühstücks- und Mittagspausen sowie von 20:00 Uhr bis 20:45 Uhr und von 22:00 Uhr bis 06:15 Uhr Bereitschaftsdienst angeordnet. Der Kläger wird im Zeitraum von jeweils fünf Wochen durchschnittlich mehr als dreimal in der Nachtschicht eingesetzt.
6Nach einer vom beklagten Land erstellten Belastungsanalyse leisteten die Mitarbeiter in der Feuerwache F in der Zeit vom 1. Januar bis innerhalb von 24 Stunden durchschnittlich zu 67,79 % und vom 1. Juni bis durchschnittlich zu 70,92 % Vollarbeit. In der Zeit vom 13. März bis betrug die tatsächliche Einsatzzeit des Klägers während beider Schichten zwischen 57,78 % und 98,19 %.
7Das beklagte Land zahlte bis einschließlich Mai 2011 eine monatliche Wechselschichtzulage in Höhe von 51,13 Euro brutto, stellte die Zahlung danach ein und verrechnete nach einer Ankündigung vom die Leistungen rückwirkend ab März 2011.
8Der Kläger begehrt mit dem Klageantrag zu 1. Zahlung einer Wechselschichtzulage in Höhe von 51,13 Euro für die Monate März bis Mai 2011 und in Höhe von 102,26 Euro von Juni bis November 2011 sowie mit dem Antrag zu 2. die Feststellung der Zahlungsverpflichtung.
9Der Kläger hat beantragt,
10Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
11Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.
Gründe
12Die Revision ist unbegründet.
13I. Die Klage ist mit dem Antrag zu 1. unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Wechselschichtzulage.
141. Nach § 47 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TV-L iVm. § 15 Abs. 1 Angleichungs-TV Berlin gelten für Beschäftigte im feuerwehrtechnischen Dienst hinsichtlich der Arbeitszeit und des Entgelts die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Nach § 20 Abs. 1 EZulV/BEZulV erhalten Beamte eine Wechselschichtzulage von 102,26 Euro monatlich, wenn sie ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt sind, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten (wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird) vorsieht, und sie dabei in je fünf Wochen durchschnittlich mindestens 40 Dienststunden entweder dienstplanmäßige oder betriebsübliche Nachtschicht leisten. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV/BEZulV gelten Zeiten eines Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit im Sinne der Vorschrift.
152. Der Kläger hat keine Wechselschichtarbeit geleistet.
16a) Nach dem tariflichen Verständnis von Wechselschichtarbeit (§ 7 Abs. 1 Satz 2 TV-L) fehlt es an dem Merkmal der ununterbrochenen Arbeit von 24 Stunden, wenn beispielsweise an Sonn- und Feiertagen keine Schichtarbeit anfällt oder die tägliche Arbeit, sei es auch in geringfügiger Form, unterbrochen wird. Eine Unterbrechung der Arbeit liegt dabei nicht nur bei völliger Arbeitsruhe, sondern auch dann vor, wenn Bereitschaftsdienst für alle Beschäftigten des Arbeitsbereichs, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, angeordnet ist ( - Rn. 13, 14 [zu § 7 Abs. 1 und § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD]; - 10 AZR 990/08 - Rn. 17 ff. [zu § 7 Abs. 1 TV Charité]).
17b) § 20 Abs. 1 EZulV/BEZulV folgt diesem tariflichen Verständnis von Wechselschichtarbeit; nach § 20 Abs. 1 Satz 2 EZulV/BEZulV gelten Zeiten eines Bereitschaftsdienstes nicht als Arbeitszeit im Sinne der Vorschrift. Die Verordnungsgeber haben klargestellt, dass die Wechselschichtzulage Beamten, deren nach Dienstplan zu leistende Dienstzeit auch Bereitschaftsdienste und Ruhezeiten enthält, nicht zusteht, da die Belastung geringer ist als in den Fällen, in denen bei wechselndem Beginn der Dienstschichten ununterbrochen gearbeitet werden muss (vgl. Beschluss des Bundesrates vom , BR-Drucks. 187/98 S. 5).
18c) Die Geschäftsanweisung GS-Nr. 15/2007 weist für alle Beschäftigten im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr einheitlich von 08:30 Uhr bis 09:15 Uhr, von 12:00 Uhr bis 15:00 Uhr, von 20:00 Uhr bis 20:45 Uhr sowie von 22:00 Uhr bis 06:15 Uhr Bereitschaftsdienst aus. Selbst wenn die als Bereitschaftsdienst deklarierten arbeitszeitrechtlich vorgeschriebenen Pausen gemäß § 4 Abs. 2 der Berliner Arbeitszeitverordnung (AZVO) idF vom (GVBl. S. 114) das Vorliegen von Wechselschichtarbeit nicht ausschließen, so bewirkt jedenfalls der Bereitschaftsdienst von 22:00 Uhr bis 06:15 Uhr, dass nicht ununterbrochen Vollarbeit geleistet wird und deshalb kein Anspruch auf Zahlung der Wechselschichtzulage besteht.
193. Die Anordnung von Bereitschaftsdienst im Streitzeitraum ist rechtmäßig erfolgt. Der für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, nicht dargelegt, dass Bereitschaftsdienst angeordnet wurde, obwohl dessen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben.
20a) Nach § 6 Abs. 2 AZVO liegt Bereitschaftsdienst vor, wenn sich der Beamte in seiner Dienststelle oder an einem anderen von seiner Dienstbehörde oder seinem Dienstvorgesetzen bestimmten Ort außerhalb seiner Häuslichkeit aufzuhalten hat, um bei Bedarf zur Dienstleistung herangezogen werden zu können, und die Zeitdauer seiner Inanspruchnahme erfahrungsgemäß durchschnittlich weniger als 50 vom Hundert der Bereitschaftsdienstzeiten beträgt. Bereitschaftsdienst darf deshalb nur angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt (vgl. - Rn. 22 [zu § 10 Abs. 1 Satz 2 TV-Ärzte/VKA]). Darin unterscheidet er sich seinem Wesen nach sowohl von voller Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt, als auch von Bereitschaftszeiten, die innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegen (vgl. - Rn. 18). Erforderlich ist eine Prognose, dass erfahrungsgemäß Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.
21b) Nach der Prognose des beklagten Landes haben die Voraussetzungen für die Anordnung von Bereitschaftsdienst vorgelegen. Hinreichenden Sachvortrag dafür, dass demgegenüber von überwiegender Vollarbeit auszugehen war, hat der Kläger nicht gebracht. Aus der Belastungsanalyse, die im Erhebungszeitraum innerhalb von 24 Stunden Vollarbeit zwischen 67,79 % und 70,92 % ausweist, ergibt sich nicht, dass von überwiegender Vollarbeit während des täglichen insgesamt ca. 12-stündigen Bereitschaftsdienstes auszugehen war. Da bereits die im Dienstplan vorgesehene Vollarbeit zu einem Anteil von 50 % pro Arbeitstag führt, hätte allenfalls ein Arbeitszeitanteil von insgesamt mehr als 75 % die Behauptung des Klägers stützen können, dass während des Bereitschaftsdienstes Zeiten der Arbeitsleistung überwiegen. Auch dann wäre aber eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Bereitschaftsdienstzeiten notwendig gewesen, dazu trägt der Kläger nichts vor. Macht der Arbeitnehmer geltend, es sei in Zeiten angeordneten Bereitschaftsdienstes von überwiegender Vollarbeit auszugehen, so muss er bezogen auf die Zeiten des Bereitschaftsdienstes entsprechenden Sachvortrag leisten; eine undifferenzierte Gesamtbetrachtung unter Einbezug von Zeiten angeordneter Vollarbeit ist regelmäßig unergiebig. Erst nach entsprechendem Sachvortrag des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber verpflichtet, substanziiert zu erwidern und darzulegen, aus welchen Gründen er dennoch von einem Überwiegen der Zeit ohne Arbeitsleistungen ausgehen konnte. Dass nach Vortrag des Klägers an einzelnen Tagen der Anteil von Vollarbeit deutlich höher war, ist unerheblich; maßgeblich ist, ob regelmäßig zu mindestens 50 % Vollarbeit anfällt.
224. Die weiteren Angriffe der Revision sind unbehelflich.
23a) Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Tarifvertragsparteien nach § 15 Abs. 1 Angleichungs-TV Berlin iVm. § 47 Nr. 2 TV-L Angestellte im feuerwehrtechnischen Dienst den Regelungen für vergleichbare Beamte unterstellt haben.
24aa) Tarifvertragsparteien steht es grundsätzlich frei, die Voraussetzungen für die Zahlung von Zulagen festzulegen ( - Rn. 21). Sie können ihre Rechtssetzungsbefugnis auch im Wege einer Verweisung auf Vorschriften des Beamtenrechts ausüben ( - Rn. 22; - 6 AZR 227/05 - Rn. 16 ff., BAGE 116, 346), diese Vorschriften gelten dann regelmäßig als tarifliche Rechtsnormen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 FeuerwehrG Berlin vom (GVBl. S. 457) gelten für Angehörige der Berufsfeuerwehr die beamtenrechtlichen Vorschriften; es ist deshalb besonders naheliegend, die in einem Angestelltenverhältnis tätigen Angehörigen der Berufsfeuerwehr in Bezug auf den arbeitszeitrechtlichen Rahmen und damit zusammenhängende Zulagen ihren beamteten Kollegen gleichzustellen.
25bb) Der Kläger verkennt zudem, dass er auch keinen tariflichen Anspruch auf eine Wechselschichtzulage hätte. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 TV-L liegen Wechselschichten nur vor, wenn ununterbrochen in Schichten gearbeitet wird, bei angeordnetem Bereitschaftsdienst besteht kein Anspruch ( -; - 10 AZR 990/08 -). Soweit der Kläger die Entscheidung des - 10 AZR 669/07 - BAGE 128, 29) heranzieht, verkennt er, dass dort Bereitschaftszeiten anfielen und nicht Bereitschaftsdienst angeordnet war.
26b) Unionsrechtliche Vorgaben verhelfen der Klage entgegen der Auffassung des Klägers nicht zum Erfolg.
27aa) Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom S. 9) gebietet nicht, Bereitschaftsdienst als zulagenbegründende Arbeitszeit iSv. § 20 Abs. 1 EZulV bzw. § 8 Abs. 7, § 7 Abs. 1 TV-L anzusehen ( - Rn. 34 ff., BAGE 128, 42; vgl. auch - Rn. 22). Tarifvertragsparteien und Gesetzgeber dürfen Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen und eine unterschiedliche Vergütung vorsehen. Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. -) kann allenfalls im Fall der Überschreitung der nach Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeit ein unionsrechtlicher Entschädigungsanspruch bestehen, sofern der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Umsetzungsermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381).
28bb) Der Kläger begehrt nicht den Ausgleich von im Hinblick auf die Bereitschaftsdienste etwa geleisteter Zuvielarbeit; Streitgegenstand ist nach seiner Erklärung zu Protokoll des Arbeitsgerichts ausschließlich die Wechselschichtzulage nach der EZulV/BEZulV.
29II. Aus vorstehenden Erwägungen ist die Klage auch mit dem Feststellungsantrag zu 2. abzuweisen.
30III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Fundstelle(n):
AAAAE-57062