Eingruppierung - Reinigung von Krankenhausbetten
Gesetze: § 7 Abs 1 AEntG, § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 4 Ca 1072/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Saarland Az: 2(1) Sa 79/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über tarifliche Entgeltansprüche der Klägerin.
2Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und seit dem bei der Beklagten, die nicht kraft Verbandsmitgliedschaft tarifgebunden ist, zu einem Stundenlohn von 7,87 Euro brutto beschäftigt.
3Die Beklagte, die überwiegend Gebäudereinigungsleistungen erbringt, unterhält im Krankenhaus St. in S eine sog. Bettenzentrale. Die dort tätige Klägerin holt benutzte Betten - sog. Schmutzbetten - von den Krankenhausstationen ab und bringt sie zur Aufbereitung in die Bettenzentrale, in der sie sie aufarbeitet und sie dann zur Station zurückbringt. Die einzelnen Tätigkeiten ergeben sich aus der „Zeitstudie Bettenaufbereitung KH-St. S“:
4Nach erfolgloser Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage für die Monate Mai 2010 bis März 2011 die Differenz zwischen dem gezahlten und dem im Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom (TV Mindestlohn) festgelegten Stundenlohn für die Lohngruppe 1 iHv. zunächst 8,40 Euro brutto und ab iHv. 8,55 Euro brutto begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, sie übe eine Tätigkeit der „Innen- und Unterhaltsreinigung“ iSd. Lohngruppe 1 TV Mindestlohn aus. Die neben den eigentlichen Reinigungstätigkeiten - Reinigen des Bettgestells, der Seitengitter, des Bettgalgens, Reinigen bzw. Austausch der Matratze, Austausch der Bettwäsche - anfallenden Transport-, Aufbau- und Umbauarbeiten sowie die Funktionskontrolle seien notwendige, mit der Reinigung verbundene Zusammenhangstätigkeiten.
5Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Bettenaufbereitung in der Bettenzentrale einer medizinischen Einrichtung sei keine Unterhaltsreinigung iSd. TV Mindestlohn. Kernaufgabe sei eine logistische Tätigkeit, nämlich die Konfiguration und der Transport der Betten. Überwiegend fielen reinigungsfremde Tätigkeiten an. Zudem gehöre der Austausch von Matratzen und Bettwäsche zum eigenständigen Gewerbe der Textilreinigung. Die Betten würden nur anlässlich ihrer Ausrüstung zentral in der Bettenzentrale gereinigt; lediglich fünf Minuten der 18-minütigen Arbeitszeit für eine Bettenaufbereitung entfielen auf Reinigungsarbeiten.
7Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
8Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet. Die von der Klägerin überwiegend ausgeübte Tätigkeit erfüllt das Tätigkeitsmerkmal „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn.
9I. Die von der Klägerin erbrachten Arbeitsstunden in den Monaten Mai 2010 bis einschließlich März 2011 sind nach den Stundenlohnsätzen der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn zu vergüten.
101. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt im Klagezeitraum gemäß § 7 Abs. 1 AEntG iVm. der Zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Gebäudereinigung vom (BAnz. Nr. 37 vom S. 951, in Kraft vom bis ) dem TV Mindestlohn. Der betriebliche Geltungsbereich (§ 1 TV Mindestlohn iVm. § 1 Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom (RTV)) ist nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gegeben. Dies räumt die Beklagte ohne weiteres ein.
112. Die für die Eingruppierung maßgebenden tariflichen Bestimmungen des TV Mindestlohn lauten:
123. Danach kann die Klägerin eine Vergütung nach der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn in Höhe der unstreitigen Entgeltdifferenz von insgesamt 645,63 Euro brutto beanspruchen. Die von ihr überwiegend ausgeübte Tätigkeit in der Bettenzentrale erfüllt die Voraussetzungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals der Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten.
13a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit der Reinigung und Aufbereitung von Krankenhausbetten sowie die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten ihre überwiegend ausgeübte Tätigkeit iSv. § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn ist und damit der Eingruppierung zugrunde liegt. Eine Aufteilung der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten in - weitere - Teiltätigkeiten ließe unberücksichtigt, dass diese insgesamt auf die Reinigung und weitere Verwendbarkeit der Krankenhausbetten gerichtet ist.
14aa) Dabei ist nicht jeder Arbeitsschritt einer Arbeitnehmerin in der Gebäudereinigung tariflich eigenständig zu bewerten. Ob ihre Tätigkeit eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit ist oder sie aus mehreren jeweils eine Einheit bildenden Einzeltätigkeiten besteht, die tariflich jeweils gesondert zu bewerten sind und daraus die überwiegende Gesamttätigkeit zu bilden ist, richtet sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Bei der Bestimmung der Einzeltätigkeiten hat das Tatsachengericht einen Beurteilungsspielraum (vgl. nur - Rn. 36 mwN, BAGE 122, 244).
15bb) Das Landesarbeitsgericht ist auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten, unstreitigen Arbeitszeitaufteilung „Zeitstudie Bettenaufbereitung KH-St. S“ zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitsauftrag der Klägerin und damit die überwiegend ausgeübte Tätigkeit iSd. Tarifnorm die Reinigung verschmutzter Krankenhausbetten und die Aufbereitung zu einem Bett für den Stationsgebrauch einschließlich der tatsächlichen Rückführung auf die Station ist. Diese Zeitstudie unterscheidet selbst zwischen der „unreinen“ und der „reinen Seite“ und veranschaulicht damit, dass der Zweck der Tätigkeit darin liegt, das jeweilige Krankenhausbett (das sog. „Schmutzbett“) durch Reinigung von der „unreinen Seite“ auf die „reine Seite“ zu überführen und als „frisches Bett“ zum Stationsgebrauch zurückzubringen.
16Die Reinigung und Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit eines Krankenhausbettes nimmt dabei nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts regelmäßig 13,5 Minuten von insgesamt 18 Minuten Arbeitszeit pro Bett in Anspruch. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Reinigung der Seitengitter (eine Minute), der Matratze (eine Minute) und des Bettgestells (drei Minuten) als Reinigungsarbeiten berücksichtigt. Als untrennbare, für die Reinigung erforderliche Zusammenhangstätigkeiten hat es weiter zutreffend das Entfernen der Abdeckfolie (eine Minute) und von Seitengitter und Galgen (eine halbe Minute), die Funktionskontrolle (eine Minute) sowie das Beziehen des fertigen Bettes mit neuer Abdeckfolie (eine halbe Minute) hinzugerechnet. Weiterhin hat es auch die aus Gründen der Arbeitsorganisation erforderliche Transportzeit (fünfeinhalb Minuten) hinzugezählt.
17cc) Demgegenüber hat die Revision keinen Rechtsfehler aufgezeigt.
18Die Beklagte begründet nicht, warum neben den unstreitig von der Klägerin ausgeübten unmittelbaren Reinigungstätigkeiten in dem genannten zeitlichen Ausmaß die vom Landesarbeitsgericht als Zusammenhangstätigkeiten beurteilten Verrichtungen keine solchen sein sollen. Soweit die Revision den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts demgegenüber den „Zweck der Bettenzentrale“ als einer arbeitsorganisatorischen Betriebseinheit entgegenhält, liegt darin weder eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsgerichts noch mit der allein festgestellten, maßgeblichen „ausgeübten Tätigkeit“ der Klägerin iSd. § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn. Der Hinweis, das Betreiben einer Bettenzentrale sei eine spezialisierte Servicetätigkeit auf einem eigenen gewerblichen Markt, kann nicht eine Auseinandersetzung mit der Bestimmung der Einzeltätigkeiten der Klägerin und der „überwiegenden Tätigkeit“ iSd. § 2 Nr. 3 TV Mindestlohn ersetzen. Aus den Ausführungen der Revision und anhand der für die Tätigkeit der Klägerin vorgelegten Arbeitszeitaufteilung wird auch nicht ersichtlich, dass die Konfiguration und der Transport von Betten „logistische Kernaufgaben“ der Klägerin sind. Im Übrigen steht es der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Bewertung nicht entgegen, wenn einzelne Tätigkeitsanteile auch in einem anderen Gewerbe vorkommen. So kann ein „Reinigen der Matratze“ sowohl Bestandteil der „Reinigung eines Krankenhausbettes“ sein wie auch im eigenständigen Gewerbe der Textilreinigung vorkommen. Ist es, wie hier, Teil der „Reinigung eines Krankenhausbettes“, ist es nicht gesondert zu bewerten.
19b) Die damit „überwiegende Tätigkeit“ der Klägerin, die „Krankenhausbettreinigung“ einschließlich der Gebrauchswiederherstellung, erfüllt die Voraussetzungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ der Lohngruppe 1 TV Mindestlohn. Dieses umfasst ausdrücklich die Reinigung von Gegenständen der Raumausstattung. Zudem erstreckt sich, wie die Auslegung der tariflichen Regelungen ergibt (zu den Maßstäben etwa - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238), die Tätigkeit der Unterhaltsreinigung als Bestandteil der Gebäudereinigung auf „Einrichtungsgegenstände“ (näher sowohl zur Lohngruppe 1 RTV als auch zur Lohngruppe 1 TV Mindestlohn bereits - Rn. 17 bis 20).
20Die von der Klägerin zu reinigenden und gebrauchsfertig wieder herzustellenden Krankenhausbetten sind Gegenstände der Raumausstattung eines Krankenhauses. Ihre Reinigung einschließlich des An- und Abtransports als Zusammenhangstätigkeiten ist eine Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeit, die als notwendige Unterhaltsmaßnahme die weitere bestimmungsgemäße Verwendung der Betten ermöglicht.
214. Die Verfallfrist des § 2 Nr. 6 TV Mindestlohn ist gewahrt. Die streitgegenständlichen Entgeltdifferenzen sind jeweils nach Fälligkeit (§ 2 Nr. 5 TV Mindestlohn) innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht worden.
22II. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
23III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Fundstelle(n):
FAAAE-57056