BGH Beschluss v. - 1 StR 523/13

Pflicht zur Mitteilung von Verständigungsgesprächen im Strafverfahren: Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen die Mitteilungspflicht

Gesetze: § 202a StPO, § 212 StPO, § 243 Abs 4 S 1 StPO, § 257c StPO

Instanzenzug: LG Weiden Az: 1 KLs 23 Js 8672/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und einem Monat verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

2Der Erörterung bedarf lediglich die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge wegen eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO:

31. Der Angeklagte macht geltend, der Kammervorsitzende habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben, ob vor der Hauptverhandlung mündliche oder schriftliche Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist.

42. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Rüge, denn der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben (vgl. , zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHSt 58, 315).

53. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Es kann letztlich dahinstehen, ob hier ein Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO vorliegt. Das Urteil könnte in der festgestellten Sachverhaltskonstellation nicht darauf beruhen, dass das Protokoll kein entsprechendes Negativattest enthält.

6Der Senat hat im Freibeweisverfahren von den beteiligten Berufsrichtern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dienstliche Äußerungen sowie von der Verteidigerin eine Erklärung dazu eingeholt, ob ihnen Erörterungen i.S.v. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bekannt geworden sind. Auch dem Angeklagten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von den Berufsrichtern wurden derartige Erörterungen unter ihrer Beteiligung verneint. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er vor Beginn der Hauptverhandlung mit der Verteidigerin die jeweiligen Strafvorstellungen ausgetauscht habe, dass es aber zu keinem Gespräch mit der Strafkammer gekommen sei. Der Senat versteht die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter dahingehend, dass diese von dem Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung keine Kenntnis erlangt hatten. Auch die Verteidigerin behauptet nicht, dass unter ihrer Beteiligung Gespräche mit der Strafkammer stattgefunden haben. Es entziehe sich jedoch ihrer Kenntnis, ob gegebenenfalls Gespräche zwischen Strafkammer und Staatsanwaltschaft stattgefunden hätten. Dass dies nicht der Fall war, ergibt sich gleichfalls aus den dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft.

7Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit der von den Verfahrensbeteiligten abgegebenen Erklärungen. Es steht somit fest, dass es keine Gespräche unter Beteiligung der Strafkammer gegeben hat, in denen die Möglichkeit einer Verständigung im Raum stand, und dass die Strafkammer auch keine Kenntnis von dem Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung erlangt hat (vgl. zur Offenlegung und Dokumentation , NStZ 2013, 353 m. Anm. Kudlich; , NStZ 2012, 347). Mithin schließt der Senat ein Beruhen des Urteils auf dem Umstand aus, dass der Kammervorsitzende in der Hauptverhandlung nicht öffentlich mitgeteilt hat, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben (zum Ausschluss des Beruhens vgl. , StV 2013, 740; u.a., Rn. 98, NStZ 2013, 295).

Raum                       Wahl                            Graf

               Jäger                      Mosbacher

Fundstelle(n):
AO-StB 2015 S. 14 Nr. 1
wistra 2014 S. 193 Nr. 5
RAAAE-56482