Offenlegung des konsolidierten Jahresabschlusses von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen - Anwendung der Vorschriften über die Offenlegung dieser Abschlüsse auf Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen und zu einem Konzern gehören, dessen Muttergesellschaft dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt
Leitsatz
Art. 57 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen in der durch die Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die ein dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegendes Tochterunternehmen nur dann von den Bestimmungen der Richtlinie 78/660 über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses befreit, wenn das Mutterunternehmen ebenfalls dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegt.
Instanzenzug: ,
Entscheidungsgründe:
1Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV und Art. 57 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11) in der durch die Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 224, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 78/660).
2Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mömax Logistik GmbH (im Folgenden: Mömax Logistik) und dem Bundesamt für Justiz wegen der Pflicht, den Jahresabschluss zum Stichtag im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3Art. 47 Abs. 1 der Richtlinie 78/660 bestimmt:
"Der ordnungsgemäß gebilligte Jahresabschluss und der Lagebericht sowie der Bericht der mit der Abschlussprüfung beauftragten Person sind nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 der [Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8)] vorgesehenen Verfahren offenzulegen.
..."
4Art. 50b dieser Richtlinie sieht vor:
"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane der Gesellschaft kollektiv die Pflicht haben, sicherzustellen, dass der Jahresabschluss, der Lagebericht und, soweit sie gesondert vorgelegt wird, die Erklärung zur Unternehmensführung nach Artikel 46a entsprechend den Anforderungen dieser Richtlinie und gegebenenfalls entsprechend den internationalen Rechnungslegungsstandards, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. L 243, S. 1)] angenommen wurden, erstellt und veröffentlicht werden. Diese Organe handeln im Rahmen der ihnen durch nationales Recht übertragenen Zuständigkeiten."
5Art. 57 der Richtlinie bestimmt:
"Unbeschadet der [Richtlinie 68/151] und [der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1)] brauchen die Mitgliedstaaten die Bestimmungen der vorliegenden Richtlinie über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses nicht auf Gesellschaften anzuwenden, die ihrem Recht unterliegen und Tochterunternehmen im Sinne der [Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (ABl. L 193, S. 1)] sind, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) das Mutterunternehmen unterliegt dem Recht eines Mitgliedstaats;
b) alle Aktionäre oder Gesellschafter des Tochterunternehmens haben sich mit der bezeichneten Befreiung einverstanden erklärt; diese Erklärung muss für jedes Geschäftsjahr abgegeben werden;
c) das Mutterunternehmen hat sich bereit erklärt, für die von dem Tochterunternehmen eingegangenen Verpflichtungen einzustehen;
d) die Erklärungen nach Buchstaben b) und c) sind nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 3 der Richtlinie [68/151] offenzulegen;
e) das Tochterunternehmen ist in den von dem Mutterunternehmen nach der Richtlinie [83/349] aufgestellten konsolidierten Jahresabschluss einbezogen;
f) die bezeichnete Befreiung wird im Anhang des von dem Mutterunternehmen aufgestellten konsolidierten Abschlusses angegeben;
g) der unter Buchstabe e) bezeichnete konsolidierte Abschluss, der konsolidierte Lagebericht sowie der Bericht der mit der Prüfung beauftragten Person werden für das Tochterunternehmen nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 3 der Richtlinie [68/151] offengelegt."
Deutsches Recht
6§ 264 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs (im Folgenden: HGB) lautet in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung:
"Eine Kapitalgesellschaft, die Tochterunternehmen eines nach § 290 [HGB] zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichteten Mutterunternehmens ist, braucht die Vorschriften dieses Unterabschnitts und des Dritten und Vierten Unterabschnitts dieses Abschnitts nicht anzuwenden, wenn
1. alle Gesellschafter des Tochterunternehmens der Befreiung für das jeweilige Geschäftsjahr zugestimmt haben und der Beschluss nach § 325 offengelegt worden ist,
2. das Mutterunternehmen zur Verlustübernahme nach § 302 des Aktiengesetzes verpflichtet ist oder eine solche Verpflichtung freiwillig übernommen hat und diese Erklärung nach § 325 offengelegt worden ist,
3. das Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nach den Vorschriften dieses Abschnitts einbezogen worden ist und
4. die Befreiung des Tochterunternehmens
a) im Anhang des von dem Mutterunternehmen aufgestellten und nach § 325 durch Einreichung beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers offen gelegten Konzernabschlusses angegeben und
b) zusätzlich im elektronischen Bundesanzeiger für das Tochterunternehmen unter Bezugnahme auf diese Vorschrift und unter Angabe des Mutterunternehmens mitgeteilt worden ist."
7§ 290 Abs. 1 HGB sieht vor:
"Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland haben in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, wenn diese auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ist das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 325 Abs. 4 Satz 1, sind der Konzernabschluss sowie der Konzernlagebericht in den ersten vier Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen."
8§ 302 Abs. 1 des Aktiengesetzes vom (BGBl. 1965 I S. 1089) in der durch Art. 3 des Gesetzes vom (BGBl. 2012 I S. 2751) geänderten Fassung lautet:
"Besteht ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag, so hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind."
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
9Die Lutz Service GmbH (im Folgenden: Lutz Service) ist Mutterunternehmen von Mömax Logistik, die Logistik-Dienstleistungen für die hauptsächlich im Möbelhandel tätige Lutz-Gruppe erbringt.
10Mit am zugegangenem Schreiben vom setzte das Bundesamt für Justiz Mömax Logistik eine Frist von sechs Wochen, um die nach § 325 HGB erforderlichen Rechnungslegungsunterlagen zum Abschluss-Stichtag beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers einzureichen und in diesem Anzeiger bekannt machen zu lassen. Mömax Logistik legte mit Schreiben vom beim Bundesamt für Justiz Einspruch gegen diese Entscheidung ein. In ihrem Einspruch berief sie sich auf die Befreiung gemäß § 264 Abs. 3 HGB und machte dafür geltend, dass sie in den Konzernabschluss von Lutz Service mit Sitz in Wels (Österreich) einbezogen sei.
11Lutz Service stellte einen Konzernabschluss zum Geschäftsjahr vom bis zum auf, in den u. a. der Jahresabschluss von Mömax Logistik einbezogen war. Dieser Konzernabschluss von Lutz Service wurde durch Einreichung beim elektronischen Bundesanzeiger offengelegt. Die Befreiung von Mömax Logistik wurde im Anhang des Konzernabschlusses angegeben. Weiter verpflichtete sich Lutz Service gegenüber Mömax Logistik freiwillig zur Verlustübernahme entsprechend § 302 des Aktiengesetzes vom . Diese Erklärung wurde offengelegt. Zusätzlich wurde für Mömax Logistik im elektronischen Bundesanzeiger die Inanspruchnahme der Befreiung unter Bezugnahme auf § 264 Abs. 3 HGB und unter Angabe von Lutz Service als Mutterunternehmen mitgeteilt. Diese Mitteilung wurde mit dem Hinweis versehen, dass der Konzernabschluss von Lutz Service offengelegt worden sei. Die Gesellschafterin von Mömax Logistik stimmte der Inanspruchnahme der in § 264 Abs. 3 HGB vorgesehenen Befreiung für das Geschäftsjahr vom bis zum zu. Dieser Beschluss wurde offengelegt.
12Mit Entscheidung vom verwarf das Bundesamt für Justiz den Einspruch von Mömax Logistik und setzte gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 2 500 Euro fest, weil Mömax Logistik, da ihr Mutterunternehmen seinen Sitz nicht in Deutschland habe, nicht nach § 264 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 290 HGB von der Pflicht zur Offenlegung ihres Abschlusses befreit sei.
13Mit Schreiben vom legte Mömax Logistik gegen diese Entscheidung beim Bundesamt für Justiz Beschwerde ein. Zur Begründung dieser Beschwerde machte sie geltend, die Umsetzung von Art. 57 der Richtlinie 78/660 durch § 264 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 290 HGB verstoße gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Niederlassungsfreiheit.
14Das Bundesamt für Justiz half dieser Beschwerde nicht ab. Es führte hierzu u. a. aus, dass die Ungleichbehandlung zwischen einem Tochterunternehmen, dessen Mutterunternehmen seinen Sitz in Deutschland habe, und einem Tochterunternehmen, dessen Mutterunternehmen seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat habe, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erforderlich sei.
15Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Bonn beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist eine nationale Regelung mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) vereinbar, die die Bestimmungen des Art. 57 der Richtlinie 78/660 über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses nur dann nicht auf Gesellschaften anwendet, die dem Recht des Mitgliedstaats unterliegen, wenn das Mutterunternehmen dem Recht desselben Mitgliedstaats unterliegt und den Konzernabschluss nach seinem Recht durchgeführt hat?
Zur Vorlagefrage
Zur Zulässigkeit
16Das Bundesamt für Justiz und die deutsche Regierung sind der Auffassung, dass die Vorlagefrage hypothetisch und damit unzulässig sei. Sie machen insoweit geltend, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von § 264 Abs. 3 HGB im Ausgangsverfahren nicht erfüllt seien, da Mömax Logistik die Erklärung der Verlustübernahme durch das Mutterunternehmen für das fragliche Geschäftsjahr zwecks Inanspruchnahme der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist vorgelegt habe.
17Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das mit Art. 267 AEUV eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteil vom , Fish Legal und Shirley, C-279/12, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 29).
18Es spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil Fish Legal und Shirley, Rn. 30).
19Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht, wie sich aus Rn. 12 des vorliegenden Urteils ergibt, angegeben, dass das Bundesamt für Justiz den Einspruch von Mömax Logistik, mit dem die Befreiung von der im nationalen Recht vorgesehenen Pflicht zur Offenlegung des Jahresabschlusses geltend gemacht wurde, deshalb verwarf, weil das Mutterunternehmen von Mömax Logistik seinen Sitz nicht in Deutschland hatte. Das vorlegende Gericht hat auch ausgeführt, dass das gegen Mömax Logistik festgesetzte Ordnungsgeld aufzuheben wäre, sollten die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts gegen das Unionsrecht verstoßen.
20Das Vorabentscheidungsersuchen ist somit zulässig.
Zur Begründetheit
21Gemäß Art. 50b der Richtlinie 78/660 haben die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane der Gesellschaft die Pflicht, sicherzustellen, dass der Jahresabschluss, der Lagebericht und die Erklärung zur Unternehmensführung entsprechend den Anforderungen dieser Richtlinie und gegebenenfalls entsprechend den internationalen Rechnungslegungsstandards, die gemäß der Verordnung Nr. 1606/2002 angenommen wurden, erstellt und veröffentlicht werden.
22Art. 47 dieser Richtlinie bestimmt, dass "[d]er ordnungsgemäß gebilligte Jahresabschluss und der Lagebericht sowie der Bericht der mit der Abschlussprüfung beauftragten Person ... nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 der Richtlinie [68/151] vorgesehenen Verfahren offenzulegen [sind]". Diese zuletzt genannte Richtlinie wurde aufgehoben und durch die Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrags im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 258, S. 11), ersetzt.
23Gemäß Art. 57 der Richtlinie 78/660 brauchen die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses nicht auf Gesellschaften anzuwenden, die ihrem Recht unterliegen und Tochterunternehmen im Sinne der Richtlinie 83/349 sind, sofern die Voraussetzungen nach den Buchst. a bis g dieses Artikels erfüllt sind. In Art. 57 Buchst. a der Richtlinie 78/660 ist die Voraussetzung niedergelegt, dass das Mutterunternehmen dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegt.
24Es steht fest, dass die Bundesrepublik Deutschland von der in Art. 57 dieser Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Allerdings geht aus dem Wortlaut der §§ 264 Abs. 3 und 290 Abs. 1 HGB hervor, dass die Befreiung allein Konzernen vorbehalten ist, bei denen nicht nur ein Tochterunternehmen, sondern auch ein Mutterunternehmen seinen Sitz in Deutschland hat.
25Mit der Wendung "Recht eines Mitgliedstaats" bringt Art. 57 Buchst. a der Richtlinie 78/660 aber eindeutig zum Ausdruck, dass das Mutterunternehmen für die Zwecke der Anwendung der in diesem Artikel vorgesehenen Befreiung dem Recht irgendeines Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegen kann und nicht allein dem Recht des Mitgliedstaats des Tochterunternehmens, das diese Befreiung in Anspruch nehmen möchte.
26Die vorstehende Auslegung dieser Wendung findet darin Bestätigung, dass es im Unterschied zu dieser das Mutterunternehmen betreffenden Formulierung im einleitenden Satz von Art. 57 der Richtlinie 78/660 heißt, dass die Mitgliedstaaten Tochterunternehmen befreien können, die "ihrem Recht" unterliegen.
27Darüber hinaus darf ein Mitgliedstaat, wenn er sich für die genannte Befreiung entschieden hat, in den Anwendungsvoraussetzungen für diese Befreiung keine Ungleichbehandlung zwischen den in diesem Staat niedergelassenen Mutterunternehmen und den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Mutterunternehmen einführen.
28Damit laufen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Bestimmungen, die die Befreiung von der Offenlegung des Jahresabschlusses auf Tochterunternehmen beschränken, deren Mutterunternehmen in demselben Mitgliedstaat wie sie niedergelassen ist, dem Wortlaut von Art. 57 Buchst. a der Richtlinie 78/660 zuwider.
29Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Vorschriften gegen die in Art. 49 AEUV niedergelegte Niederlassungsfreiheit verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Centrosteel, C-456/98, Slg. 2000, I-6007, Rn. 18).
30Unter diesen Umständen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 57 der Richtlinie 78/660 dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die ein dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegendes Tochterunternehmen nur dann von den Bestimmungen dieser Richtlinie über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses befreit, wenn das Mutterunternehmen ebenfalls dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegt.
Kosten
31Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 57 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen in der durch die Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die ein dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegendes Tochterunternehmen nur dann von den Bestimmungen der Richtlinie 78/660 über den Inhalt, die Prüfung und die Offenlegung des Jahresabschlusses befreit, wenn das Mutterunternehmen ebenfalls dem Recht dieses Mitgliedstaats unterliegt.
Fundstelle(n):
YAAAE-56218