BAG Urteil v. - 5 AZR 918/12

Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 10 Ca 2397/11 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 3 Sa 250/12 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay.

2Der 1967 geborene Kläger war vom bis zum bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, beschäftigt und der L GmbH als Helfer im Bereich Lager überlassen. Der Kläger erhielt einen Bruttostundenlohn von zunächst 6,00 Euro, ab Juli 2010 von 6,40 Euro, und eine „Einsatz-/Tarifzulage“ von zuletzt 0,66 Euro brutto.

3Dem Arbeitsverhältnis lag ein Formulararbeitsvertrag vom zugrunde, in dem es ua. heißt:

„§ 1 Vertragsgrundlagen

2. R wendet auf das Arbeitsverhältnis die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. (AMP) einerseits und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP), der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV), dem Beschäftigtenverband Industrie, Gewerbe, Dienstleistung (BIGD), dem Arbeitnehmerverband land- und ernährungswirtschaftlicher Berufe (ALEB), medsonet.Die Gesundheitsgewerkschaft (medsonet) andererseits geschlossenen Tarifverträge, derzeit bestehend aus Manteltarifvertrag, Manteltarifvertrag für die Auszubildenden, Entgeltrahmentarifvertrag, Entgelttarifverträge West und Ost sowie Beschäftigungssicherungstarifvertrag, in jeweils gültiger Fassung an.

§ 4 Vergütung

3. Der Lohn wird als Monatslohn am 15. Banktag des folgenden Kalendermonats überwiesen. Lohnzahlungen sind erst fällig, wenn der Arbeitnehmer den ihm bei Abschluss des Arbeitsvertrages ausgehändigten Zeitnachweisblock beim Arbeitgeber vorlegt. Die eingetragenen Arbeitszeiten müssen mindestens wöchentlich vom Kunden unterzeichnet sein. Sie sind wöchentlich bei R einzureichen.

§ 14 Ausschlussfristen

1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, verfallen ersatzlos.

2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat ab Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser Anspruch, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

3. Diese Ausschlussfristen gelten nicht bei einer Haftung wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit. Sie gelten ebenfalls nicht bei Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit.

…“

4Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom hat der Kläger mit der am eingereichten und der Beklagten am zugestellten Klage für den Zeitraum Juni 2010 bis März 2011 unter Berufung auf § 10 Abs. 4 AÜG die Differenz zwischen der von der Beklagten erhaltenen Vergütung und dem Arbeitsentgelt, das die Entleiherin im Streitzeitraum vergleichbaren Stammarbeitnehmern nach einer Auskunft gemäß § 13 AÜG gewährt hat, verlangt und geltend gemacht, die einzelvertragliche Ausschlussfristenregelung sei intransparent. Außerdem habe die Ausschlussfrist erst mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur fehlenden Tariffähigkeit der CGZP zu laufen begonnen.

5Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.953,22 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem zu zahlen.

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie habe aufgrund der Inbezugnahme des mehrgliedrigen Tarifvertrags zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen vom von dem Gebot der Gleichbehandlung abweichen dürfen. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche des Klägers wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung nach der vertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen.

7Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und dem Kläger 773,95 Euro brutto nebst Zinsen als Differenzvergütung für die Monate Februar und März 2011 zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

8Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Der Anspruch des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt ist für den Zeitraum Juni bis Dezember 2010 wegen nicht rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung verfallen. Insoweit ist die Klage unbegründet. Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zu Recht stattgegeben.

9I. Die Beklagte war nach § 10 Abs. 4 AÜG verpflichtet, dem Kläger für die Zeit der Überlassung an die L GmbH das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, wie es die Entleiherin ihren Stammarbeitnehmern gewährte. Eine nach § 9 Nr. 2 AÜG zur Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung berechtigende Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Die Bezugnahmeklausel des § 1 Nr. 2 Arbeitsvertrag, mit der die Geltung der vom Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen geschlossenen Tarifverträge vom (AMP-TV 2010) vereinbart werden sollte, ist mangels Kollisionsregelung intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (vgl. dazu im Einzelnen  - Rn. 26 ff.; zur zwischenzeitlich festgestellten fehlenden Tariffähigkeit von medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft siehe  -).

10II. Der Anspruch des Klägers auf gleiches Arbeitsentgelt ist, soweit er Differenzvergütung für die Monate Juni bis Dezember 2010 betrifft, nach § 14 Nr. 1 Arbeitsvertrag verfallen.

111. Der Kläger war allerdings nicht gehalten, Ausschlussfristen aus dem nicht wirksam in das Arbeitsverhältnis einbezogenen AMP-TV 2010 einzuhalten. Diese sind auch nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung Inhalt des Arbeitsvertrags geworden ( - Rn. 34 f.).

122. Der Kläger musste die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung in § 14 Nr. 1 Arbeitsvertrag beachten.

13a) Diese Klausel enthält eine eigenständige arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung. Das folgt aus dem grundsätzlichen Vorrang einer ausdrücklich in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Klausel vor einer nur durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung ( - Rn. 40; - 5 AZR 778/12 - Rn. 14). Belassen es nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien nicht dabei, ihr Arbeitsverhältnis pauschal einem bestimmten Tarifregime zu unterwerfen, sondern vereinbaren zu einzelnen Gegenständen darüber hinaus im Arbeitsvertrag ausformulierte Regelungen, bringen sie damit typischerweise zum Ausdruck, dass unabhängig von dem in Bezug genommenen Tarifwerk jedenfalls (auch) die in den Arbeitsvertrag aufgenommenen Bestimmungen für das Arbeitsverhältnis gelten sollen.

14Zu dem vom Landesarbeitsgericht angenommenen Widerspruch arbeitsvertraglicher und tariflicher Ausschlussfristenregelungen kann es nicht kommen, weil die Bezugnahmeklausel des § 1 Nr. 2 Arbeitsvertrag unwirksam ist und deshalb tarifliche Ausschlussfristenregelungen nicht in das Arbeitsverhältnis inkorporiert werden (vgl. - Rn. 16). Zudem geben weder der Wortlaut der Bezugnahmeklausel noch der der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung Anhaltspunkte für die Annahme, letztere müsse nicht beachtet werden.

15b) Die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung hält der AGB-Kontrolle stand.

16aa) Die Klausel ist nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB und damit Vertragsbestandteil geworden. Die Vereinbarung von Ausschlussfristen entspricht einer weitverbreiteten Übung im Arbeitsleben. Die Regelung findet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle. Sie ist vielmehr in einem mit „Ausschlussfristen“ betitelten eigenen Paragraphen enthalten, dessen Überschrift durch Fettdruck hervorgehoben ist.

17bb) Die Klausel ist nicht mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Arbeitnehmer kann ersehen, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, „verfallen“, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen in der in der Klausel bezeichneten Weise geltend gemacht werden ( - Rn. 48 f.).

18cc) Die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung ist nicht unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie lässt dem Gläubiger eine faire Chance, seine Ansprüche durchzusetzen. Eine schriftliche Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 4 AÜG „dem Grunde nach“ reicht nach dem Wortlaut der Klausel aus und ermöglicht es auch dem Leiharbeitnehmer, der die Entgeltregelung für vergleichbare Stammarbeitnehmer noch nicht im Einzelnen kennt, innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist sich für jede Überlassung den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt zu sichern (vgl.  - Rn. 50 ff.).

19dd) Die wegen ihrer Kürze nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksame zweite Stufe der Ausschlussfristenregelung (§ 14 Nr. 2 Arbeitsvertrag) berührt nach dem sog. blue-pencil-Test die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl.  - Rn. 26 ff. mwN; - 5 AZR 251/11 - Rn. 37, BAGE 141, 340).

203. Der Kläger hat die erste Stufe der Ausschlussfristenregelung nach § 14 Nr. 1 Arbeitsvertrag nur hinsichtlich der Differenzvergütung für die Monate Januar bis März 2011 eingehalten. Er hat den Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt, der mit der Überlassung entsteht und ratierlich zu dem im Arbeitsvertrag für die Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig wird ( - Rn. 42), erstmals mit Schreiben vom geltend gemacht. Damit konnte er die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung nur für Differenzvergütung ab Januar 2011 wahren. Dass Lohnzahlungen für frühere Monate des Streitzeitraums gemäß § 4 Nr. 3 Arbeitsvertrag später als am 15. Banktag des folgenden Kalendermonats fällig geworden wären, hat der Kläger nicht behauptet.

214. Dem Verfall steht § 14 Nr. 3 Arbeitsvertrag nicht entgegen. Der Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt betrifft keinen der dort genannten Ausnahmetatbestände.

22III. Zur Ermittlung der Höhe des nicht verfallenen Teils des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen (zum Begriff des Arbeitsentgelts vgl.  - Rn. 26 f.). Bei einem teilweisen Verfall des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt wie im Streitfall beschränkt sich der Gesamtvergleich auf das „für“ den nicht verfallenen Zeitraum zu beanspruchende und erhaltene Arbeitsentgelt ( - Rn. 33).

23Das Landesarbeitsgericht hat das Entgelt, das der Kläger erhalten hätte, wenn er unmittelbar bei der Entleiherin beschäftigt gewesen wäre, für den nicht verfallenen Zeitraum auf insgesamt 4.943,33 Euro brutto festgestellt. Dagegen hat die Revision Angriffe nicht erhoben. Demgegenüber hat der Kläger für die Monate Januar bis März 2011 nach den Lohnabrechnungen der Beklagten insgesamt 3.757,53 Euro brutto erhalten. Dass die Beklagte in diesem Zeitraum über das abgerechnete hinaus weiteres Arbeitsentgelt geleistet hätte, hat sie nicht behauptet. Damit ergibt sich für den nicht verfallenen Zeitraum - die Monate Januar bis März 2011 - ein Anspruch auf Differenzvergütung iHv. 1.185,80 Euro brutto.

24IV. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

25V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
VAAAE-56044