BAG Urteil v. - 4 AZR 590/11

Eingruppierung eines Lehrers - Bewährungsaufstieg

Leitsatz

Für die nach den Lehrer-Richtlinien der TdL eingruppierten Lehrkräfte ist der Bewährungsaufstieg nicht bereits mit dem Inkrafttreten des TV-L am , sondern erst mit der Neufassung der Lehrer-Richtlinien der TdL zum entfallen.

Gesetze: Anl 1a Nr 5 BAT, § 17 TVÜ-L, Anl 4 Teil B TVÜ-L

Instanzenzug: ArbG Ludwigshafen Az: 5 Ca 515/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 10 Sa 15/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

2Der Kläger ist staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger. Er ist seit September 2007 als pädagogische Fachkraft an einer Förderschule im Schuldienst des beklagten Landes beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), das beklagte Land ist Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL).

3Im letzten Formulararbeitsvertrag vom vereinbarten die Parteien ua.:

4Die Lehrer-Richtlinien der TdL (LRL-TdL) hatten in ihrer Fassung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags auszugsweise folgenden Wortlaut:

5Mit Schreiben vom machte der Kläger für die Zeit ab dem nach zweijähriger Bewährung erfolglos einen Anspruch auf Entgelt nach Entgeltgruppe 9 TV-L geltend. Der monatliche Unterschiedsbetrag zwischen den Entgeltgruppen 8 und 9 TV-L beträgt ca. 150,00 Euro brutto.

6Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 4 des Arbeitsvertrags fänden für seine Eingruppierung nur die LRL-TdL Anwendung, die - anders als der TV-L - nach wie vor einen Bewährungsaufstieg vorsähen. Die arbeitsvertraglich vereinbarten LRL-TdL könnten durch tarifvertragliche Regelungen nicht verschlechtert werden.

7Der Kläger hat beantragt

8Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags die Ansicht vertreten, der Arbeitsvertrag von März 2008 sehe genauso wenig wie der am in Kraft getretene TV-L einen Bewährungsaufstieg vor. Ein Anspruch auf Teilnahme am Bewährungsaufstieg und damit auf eine Höhergruppierung ergebe sich auch nicht aus dem Verweis auf die LRL-TdL. Vielmehr sei durch die Tarifreform im öffentlichen Dienst der Bewährungsaufstieg abgeschafft worden, was aufgrund der vertraglich in Bezug genommenen Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder zu berücksichtigen sei.

9Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land weiterhin die Abweisung der Klage.

10Nach der Verkündung des Berufungsurteils haben die Tarifvertragsparteien des TV-L zum eine neue Entgeltordnung (EntgeltO 2012) verabschiedet. Zum gleichen Termin sind nach einem Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom 19./ die neuen LRL-TdL 2012 in Kraft getreten, die einen Bewährungsaufstieg nicht mehr vorsehen. Gleichzeitig wurde eine neue eigenständige Entgeltgruppe „9*“ geschaffen, in der eine Zuordnung zu höheren Entwicklungsstufen erst nach längeren Laufzeiten in den jeweils unteren Stufen erfolgt als in der Entgeltgruppe 9 TV-L. Der Kläger hat bei der Beklagten den in den LRL-TdL 2012 vorgesehenen Antrag auf eine zum rückwirkende Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9* gestellt.

Gründe

11Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Rechtsfehler zurückgewiesen. Die Klage ist begründet.

12A. Die Klage ist nach der gebotenen Auslegung als sog. Eingruppierungsfeststellungsklage nach der Senatsrechtsprechung (vgl. nur  - Rn. 13 mwN; - 4 AZR 447/01 - zu I 1 der Gründe) zulässig.

13I. Der Antrag kann entsprechend der Klarstellung des Klägers in der Revisionsverhandlung als allgemein üblicher Eingruppierungsfeststellungsantrag dahin ausgelegt werden festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger nach der Entgeltgruppe 9 TV-L zu vergüten.

14II. Entsprechend der weiteren Klarstellung des Klägers in der Revisionsverhandlung beschränkt sich der Zeitraum, für den er ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 verlangt, nun auf die Zeit vom bis zum . Der Kläger hat von der nach der Neufassung der Lehrer-Richtlinien der TdL ab dem bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Antrag auf zu diesem Datum rückwirkende Eingruppierung in die neue Entgeltgruppe 9* LRL-TdL 2012 zu stellen.

15III. Das notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO liegt vor. Es ist bei Eingruppierungsfeststellungsklagen, die die Vergangenheit betreffen, in der Regel gegeben, wenn von der begehrten Feststellung Rechte oder Ansprüche des Klägers abhängen (vgl. zB  - BAGE 108, 224). Dies ist hinsichtlich des hier noch in Rede stehenden streitigen Zeitraums der Fall.

16B. Mit diesen Maßgaben ist die Klage begründet. Der Kläger war im Zeitraum vom bis zum in der Entgeltgruppe 9 TV-L eingruppiert und hat demzufolge einen Anspruch auf die entsprechende Vergütung.

17I. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ausschließlich nach den materiell-rechtlichen Regelungen der Abschnitte A und B der LRL-TdL in ihrer im Streitzeitraum geltenden Fassung. Das folgt aus der Auslegung des Arbeitsvertrags. Der TV-L und der TVÜ-Länder, die für die Parteien wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit auch normativ gelten, enthalten keine eigenständige Eingruppierungsregelung für Lehrkräfte.

181. § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien verweist für die Eingruppierung des Klägers auf die LRL-TdL in ihrer jeweiligen Fassung. Danach sind für den Streitzeitraum die Regelungen der LRL-TdL in ihrer Fassung vom , zuletzt geändert durch Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom , maßgebend. Dieses aus dem eindeutigen Wortlaut der arbeitsvertraglichen Klausel folgende Ergebnis entspricht dem allgemeinen Verständnis und der praktischen Durchführung der Eingruppierung von Lehrkräften an öffentlichen Schulen und Einrichtungen. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen, auch wenn es eine ältere Fassung der LRL-TdL zugrunde gelegt hat; die hier maßgebenden Vorschriften waren von den zwischenzeitlichen Änderungen nicht betroffen.

19a) Die Eingruppierung von Lehrkräften haben die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes seit langem den Arbeitsvertragsparteien und damit im Ergebnis dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Arbeitgeberseite überlassen.

20aa) Mit dieser Gestaltung wollen die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit einer weitgehenden Gleichstellung von angestellten und verbeamteten Lehrern erreichen. Nach den Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT kamen bei den Lehrkräften deshalb weder die Regelungen der §§ 22 bis 24 BAT (siehe jetzt § 12 Abs. 1 TV-L) noch die Anlage 1a zum BAT zur Anwendung ( -; - 4 AZR 524/93 - BAGE 77, 23). An deren Stelle traten über eine entsprechende einzelarbeitsvertragliche Bezugnahme die jeweiligen vergütungsrechtlichen Landesregelungen, wie bspw. im vorliegenden Fall die nicht auf Arbeitsvorgänge iSv. § 22 Abs. 2 BAT abstellenden „Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte“. Dabei unterscheiden die LRL-TdL grundsätzlich zwischen angestellten Lehrern, die die Anforderungen für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis erfüllten (sog. Erfüller) und den Angestellten, bei denen dies nicht der Fall war (sog. Nichterfüller). Die Regelungen für die „Erfüller“ bestehen zumeist in einer tabellenähnlichen Verweisung auf die jeweiligen Besoldungsgruppen nach den Beamtenbesoldungsgesetzen. Die „Nichterfüller“ sind regelmäßig aufgrund bestimmter Tätigkeitsmerkmale Vergütungsgruppen zugeordnet, die sich in der LRL-TdL-Fassung bis zum zumeist an den Bezeichnungen der Anlage 1a zum BAT orientierten (im Erg. grundsätzlich ebenso für die neuen Bundesländer § 2 Nr. 3 ÄndTV Nr. 1 zum BAT-O iVm. den Lehrer-Richtlinien-O der TdL).

21bb) Eine beiderseitige Tarifgebundenheit von öffentlichem Arbeitgeber und Lehrkraft ist für die Eingruppierung ebenso ohne Bedeutung wie eine arbeitsvertragliche Verweisung auf den BAT ( - BAGE 76, 44; - 8 AZR 551/03 -) oder den TV-L. Die Zuordnung der Tätigkeit einer Lehrkraft zu einem bestimmten Tätigkeitsmerkmal war und ist allein in außertariflichen Regelungen festgehalten, die nur dann auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart sind. Fehlt es an einer solchen arbeitsvertraglichen Verweisung, bleiben die LRL-TdL ohne Bedeutung für das Arbeitsverhältnis ( -; ebenso bereits - 4 AZR 69/69 - BAGE 23, 83; s. auch - 4 AZN 370/86 -). Ist eine dynamische Verweisung vereinbart - wie in der Regel -, werden die späteren Änderungen der LRL-TdL auch ohne eine weitere Vereinbarung unmittelbar Inhalt des Arbeitsverhältnisses ( -).

22cc) Die Verbindlichkeit der LRL-TdL für das Arbeitsverhältnis führt dazu, dass die nach diesen eingeordnete Lehrkraft nicht nur die Vergütung aus der - regelmäßig im Arbeitsvertrag gesondert genannten - Vergütungsgruppe, sondern - wie bei einer tarifvertraglichen Vergütungsordnung - auch die Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe fordern kann, wenn die Tätigkeit die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale einer höheren Vergütungsgruppe der LRL-TdL erfüllt, wie es zB bis zum nach einer erfolgreichen Bewährungszeit vorgesehen war ( -; - 4 AZR 658/94 -). Dabei gab es in den LRL-TdL für die „Nichterfüller“ kaum ein Tätigkeitsmerkmal, das keinen Bewährungsaufstieg vorsah. Der jeweils maßgebende Zeitraum der Bewährung war unterschiedlich (von fünfzehn über sechs und vier Jahre bis zu „mehrjähriger Bewährung“ oder „langjähriger Bewährung“).

23Auf die allgemeinen tariflichen Regelungen zum Bewährungsaufstieg konnte sich eine Lehrkraft hingegen nicht berufen, da § 23a BAT für sie nicht galt. Dem stand bereits der Ausschluss der Eingruppierungsregelungen nach der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT entgegen ( -; - 4 AZR 194/00 -; ebenso für § 24 BAT: - 8 AZR 281/00 -).

24b) Die Tarifreform im öffentlichen Dienst hat mit der Inkraftsetzung des TV-L und des TVÜ-Länder zum an dieser Regelungstechnik und den daraus folgenden Eingruppierungsregelungen grundsätzlich nichts geändert.

25aa) Der TV-L und der TVÜ-Länder haben ua. die bisher nach der Anlage 1a zum BAT bestehenden tariflichen Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund von Bewährung, Zeitablauf oder Tätigkeit abgeschafft (§ 17 Abs. 5 TVÜ-Länder) und für die am 31. Oktober/ übergeleiteten Arbeitnehmer Übergangsbestimmungen ua. zur Eingruppierung bis zur Erstellung einer neuen Entgeltordnung geschaffen, indem bspw. bei den unmittelbar nach Anlage 1a zum BAT eingruppierten Arbeitnehmern deren erreichte Besitzstände auch hinsichtlich der - noch nicht vollendeten - Bewährungszeit mittels einer pauschalierenden Regelung bei der Überleitung in die neuen Entgeltgruppen berücksichtigt wurden. Dabei wurden Bewährungszeiten, die einen bestimmten Stand erreicht hatten (so etwa die Hälfte der noch in der Anlage 1a zum BAT vorgesehenen Bewährungszeit), aufgrund von Sonderregelungen auch nach dem fiktiv weiterentwickelt (vgl. bspw. § 8 Abs. 1 TVÜ-Länder).

26Für die nach dem neu eingestellten Arbeitnehmer galt nur der TV-L, nicht jedoch die Übergangsregelungen des TVÜ-Länder. Sie sollten nur dann dem TVÜ-Länder unterliegen, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist (§ 1 Abs. 2 TVÜ-Länder). Dies war nach § 17 Abs. 1 TVÜ-Länder bei den Bestimmungen zur Eingruppierung bis zum der Fall. Damit regelte der TVÜ-Länder (mit Ausnahme der neuen Entgeltgruppe 1 - „Beschäftigte mit einfachsten Tätigkeiten“ -, der früheren Vergütungsgruppe I BAT und der Eingruppierung von Ärzten, vgl. § 17 Abs. 2 TVÜ-Länder) bis zu diesem Zeitpunkt die Weitergeltung der §§ 22, 23 BAT und der vergleichbaren Eingruppierungsregelungen der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes; „die den Vergütungs- und Lohngruppen zugrunde liegenden Tätigkeitsmerkmale werden durch die Zuordnung zu Entgeltgruppen des TV-L nicht zu deren Tätigkeitsmerkmalen“ (Durchführungshinweise der TdL zu § 17 Abs. 7 TVÜ-Länder, hervorgeh. im Orig.). Dementsprechend mussten neu eingestellte Arbeitnehmer mit ihren Tätigkeiten weiterhin zunächst den entsprechenden Fallgruppen der Vergütungsgruppen des BAT zugeordnet werden, um daran anschließend die so ermittelte Vergütungsgruppe des BAT über die Tabelle in Anlage 4 (Teil A) TVÜ-Länder einer Entgeltgruppe des TV-L zuzuordnen. Dabei haben die Tarifvertragsparteien die nach der Vergütungsordnung zum BAT seinerzeit möglichen Aufstiege, die den Tätigkeitsmerkmalen bzw. Fallgruppen zugeordnet waren, pauschaliert, bei der Zuordnung zu den Entgeltgruppen des TV-L berücksichtigt und damit gewissermaßen „eingearbeitet“. Eine fiktive weitere „Beobachtung“ der Arbeitsverhältnisse unter dem Gesichtspunkt etwa einer noch zu vollendenden Bewährungszeit ist - anders als bei den übergeleiteten Arbeitnehmern - bei neu eingestellten Arbeitnehmern ausgeschlossen. Für sie ist die Entgeltgruppe mit der erstmaligen (und insoweit eigentlich „einmaligen“) Zuordnung der ermittelten BAT-Vergütungsgruppe zur TV-L-Entgeltgruppe festgeschrieben.

27Insoweit hatten die Tarifvertragsparteien bereits vor der Tarifreform ihre Regelungsmacht ausgeübt; sie veränderten damit zulässigerweise lediglich den von ihnen vorher selbst geschaffenen Normenbestand.

28bb) Das bis 2006 praktizierte System der Eingruppierung von Lehrkräften wurde mit dem Inkrafttreten des TV-L und des TVÜ-Länder nicht grundsätzlich modifiziert.

29(1) Hinsichtlich der Eingruppierung von Lehrkräften hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes - ausdrücklich und nachhaltig und durch die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hierin immer wieder bestätigt - keine eigenen Regelungen getroffen und treffen wollen. Mit der regelmäßig und durchgängig vereinbarten dynamischen Anwendung der LRL-TdL bestand eine gegenüber den anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes abweichende Ausgangssituation. Die vertraglich in Bezug genommenen Regelungen galten über den hinaus unverändert fort und waren für den Streitzeitraum gerade nicht angepasst worden.

30(2) Die Anpassung der Eingruppierungsregelungen für Lehrkräfte in den LRL-TdL ist tatsächlich erst fünf Jahre später erfolgt. Diese grundsätzliche Struktur ist durch die zum in Kraft getretenen Neuregelungen nicht verändert worden. Sowohl die seitdem geltende neue Entgeltordnung zum TV-L als auch die zeitgleich erfolgte Neufassung der LRL-TdL entsprechen in ihrer Regelungstechnik - bis ins Detail - dem bisherigen Zustand.

31(a) Die EntgeltO 2012 enthält nunmehr - wie früher die Vergütungsordnung zum BAT - eine allgemeine Vorbemerkung (jetzt: Nr. 4) „zu allen Teilen der Entgeltordnung“, die wie folgt lautet:

32Die Tarifvertragsparteien haben also erneut und bewusst keinerlei Tätigkeitsmerkmale für Lehrkräfte vereinbart. Für deren Eingruppierung erklären sie sich damit selbst nach wie vor als „unzuständig“.

33(b) Auf der anderen Seite hat die TdL in ihren Durchführungshinweisen zum Änderungstarifvertrag Nr. 4 zum TV-L, durch den die neue Entgeltordnung zum TV-L mit Wirkung ab eingeführt wurde, formuliert:

34Die neu gefassten LRL-TdL 2012 orientieren sich damit zwar nicht mehr am Vergütungsgruppensystem des BAT, sondern am Entgeltgruppensystem des TV-L. Sie sind aber wieder als eine eigenständige Vergütungsordnung ausgestaltet worden. Da sie nunmehr - analog zur Entgeltordnung und im Einklang mit den allgemeinen tariflichen Eingruppierungsbestimmungen - keinen Bewährungsaufstieg mehr formulieren, kann ihnen unmittelbar entnommen werden, welche Tätigkeit nach welcher Entgeltgruppe des TV-L zu vergüten ist.

35Damit bestätigen die neuen LRL-TdL 2012 und die EntgeltO 2012 nicht nur die bisherige Regelungstechnik, sondern zugleich, dass eine grundlegende Veränderung der Eingruppierung von Lehrkräften, vor allem in Bezug auf das Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien einerseits und dem Normgeber der Richtlinien andererseits weder gewollt war noch letztlich durchgeführt worden ist. Im Gegenteil ist gerade in Bezug auf dieses Verhältnis die jedenfalls bis zum bestehende Rechtslage perpetuiert worden.

36(3) Für den Zwischenzeitraum vom bis zum wird damit deutlich, dass von einer kontinuierlichen Weitergeltung der bisherigen Eingruppierungsregelungen auszugehen ist. So war die Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT, in der der „Verzicht“ der Tarifvertragsparteien auf die Regelung materiell-rechtlicher Eingruppierungsregelungen für Lehrkräfte festgeschrieben war, auch während dieses Zeitraums gültiges Tarifrecht. Das ergibt sich zum einen aus dem allgemeinen Verweis zur Weiteranwendung der Anlage 1a zum BAT in § 17 Abs. 1 und - für Neueingestellte - Abs. 7 TVÜ-Länder, der auch deren Vorbemerkungen erfasst. Zum anderen sehen die Sonderregelungen für Lehrer im TVÜ-Länder, zB in der Anlage 4 Teil B und in § 8, in ihren Anwendungsbereichsvoraussetzungen ausdrücklich vor, dass sie (nur) für Lehrkräfte gelten, „für die nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen die Anlage 1a zum BAT/BAT-O nicht gilt“ (so die Überschrift von Anlage 4 Teil B und § 8 Abs. 5 Satz 1 TVÜ-Länder). Ferner wurde die im Streitzeitraum maßgebende Fassung der LRL-TdL noch am , also nach Inkrafttreten des TVÜ-Länder mit seinen oben behandelten Regelungen, in Teilen geändert, im Übrigen aber unverändert gelassen. Zu den unveränderten Teilen gehörten aber gerade die Eingruppierungsregelungen mit den vielfältigen Möglichkeiten eines Bewährungsaufstiegs für „Nichterfüller“ und die Bezugnahme auf § 23b BAT. Damit wurde die grundsätzliche Alleinzuständigkeit der LRL-TdL für die Eingruppierung von Lehrkräften sieben Monate nach Inkrafttreten des TVÜ-Länder von jedenfalls einer der Tarifvertragsparteien festgeschrieben (vgl. auch  -, im Ergebnis geht auch der Zehnte Senat von der Kontinuität der besonderen Eingruppierungsregelungen für Lehrkräfte aus, die nunmehr durch die Anpassungen in der EntgeltO 2012 und den LRL-TdL 2012 weiter fortgeschrieben worden sind).

37In dieser Zeit zwischen 2006 und 2011 bestanden die LRL-TdL in der bisherigen Form fort und bildeten - nach wie vor - die einzige materiell-rechtliche Grundlage für die Eingruppierung von Lehrkräften. Entgegen der Auffassung der Revision kann angesichts dessen allein aus der vertraglichen Bezugnahme (§ 4 des Arbeitsvertrags) auf die Überleitungstabelle in der Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder keine eigenständige tarifliche, materiell-rechtliche Regelung entnommen werden. Wegen des Weiterbestehens der bisher hierfür allein maßgebenden LRL-TdL wäre es ansonsten zu einer Kollision der unterschiedlichen Regelungssysteme gekommen, die in ihrem Nebeneinander als solche offensichtlich von den beteiligten Tarifvertragsparteien und der TdL gewollt waren. Auch hätten sich die Tarifvertragsparteien damit angemaßt, ohne jede ausdrückliche Bezugnahme Bestimmungen der LRL-TdL, die überdies einzelvertraglich Inhalt der Arbeitsverhältnisse von Lehrkräften waren, abweichend zu regeln.

38(4) Im Übrigen wäre eine eigenständige tarifliche Modifizierung der einzelvertraglich vereinbarten Lehrereingruppierung, wenn die Tarifvertragsparteien eine solche mit den Regelungen im TVÜ-Länder beabsichtigt haben sollten, wegen einer Überschreitung der tariflichen Regelungsmacht unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt entschieden, dass tarifliche Regelungen, die einzelvertraglich vereinbarte Entgeltbestandteile der Verfügung der Arbeitsvertragsparteien entziehen, in unzulässiger Weise in deren Vertragsbeziehungen eingreifen (zB  - Rn. 49; - 4 AZR 408/03 - BAGE 111, 108; grdl. - 4 AZR 275/67 - BAGE 20, 308 zur sog. Effektivklausel). Nichts anderes gilt auch für einzelvertraglich vereinbarte außertarifliche Eingruppierungsregelungen. Mit der dynamischen Verweisung auf die LRL-TdL ist auch deren Änderung dem dafür vorgesehenen Verfahren durch die dafür zuständigen Gremien unterworfen. Mit dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht korrespondiert dabei sowohl eine vollständige Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB als auch eine gerichtliche Billigkeitskontrolle nach §§ 315 ff. BGB ( - BAGE 77, 23; - 4 AZR 619/89 -). Der mit der Eingruppierung verbundene Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers (vgl. dazu nur für den konkreten Fall § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien) ist zudem für die Leistungspflicht des Arbeitnehmers entscheidend. Diese individualvertraglich geregelte Konstellation können Tarifvertragsparteien nicht durch Einzelbestimmungen umgestalten, sondern allenfalls durch die Schaffung normativ geltender Mindestarbeitsbedingungen insgesamt - nach Maßgabe des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) - verdrängen (vgl. zB JKOS/Jacobs 2. Aufl. § 7 Rn. 82; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1893, 1895). Die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder haben aber keine eigene Regelung zur Eingruppierung von Lehrkräften getroffen, sondern greifen allenfalls ganz punktuell und für eine begrenzte Zeit in das geschlossene komplexe System der einzelvertraglich vereinbarten Eingruppierungsregelungen ein. Wegen der darin liegenden Überschreitung der tariflichen Regelungsmacht würden deshalb die entsprechenden Regelungen selbst dann keine normative Wirkung für das einzelne Arbeitsverhältnis entfalten, wenn dies von den Tarifvertragsparteien beabsichtigt worden wäre (vgl. dazu auch Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 531).

392. Weder der im Zusammenhang mit der Bezugnahmeklausel stehende arbeitsvertragliche Verweis (§ 4 des Arbeitsvertrags) auf die Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder („… in Verbindung mit …“) noch die in § 4 des Arbeitsvertrags genannten Regelungen des § 17 Abs. 3 und Abs. 4 TVÜ-Länder ändern etwas an der unmittelbaren Anwendung der LRL-TdL und einer darauf aufbauenden Eingruppierung. Diese Tarifregelungen enthalten keine materiellen Eingruppierungsbestimmungen. Insbesondere die Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder hat keine eigene Bedeutung für die Zuordnung der Tätigkeit des Klägers zu den für ihn verbindlichen Tätigkeitsmerkmalen der LRL-TdL, sondern ordnet lediglich die sich aus den LRL-TdL ergebende Eingruppierung in eine BAT-Vergütungsgruppe einer der im TV-L zugrunde gelegten Entgeltgruppen zu.

40a) Im Ausgangspunkt noch zutreffend meint die Revision, bei einer Auslegung des Arbeitsvertrags und einer Eingruppierung des Klägers sei auch die vertraglich einbezogene Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder zu berücksichtigen. Weiter gehend ist sie aber der unzutreffenden Auffassung, bereits aus der Überschrift zur Anlage 4 TVÜ-Länder („Vorläufige Zuordnung …“) folge, dass bei der nach den Tabellen vorgenommenen Ersteingruppierung der früher mögliche Bewährungsaufstieg bei der Zuordnung zu den neuen Entgeltgruppen des TV-L berücksichtigt und deshalb auch für die Eingruppierung von Lehrkräften kein Bewährungsaufstieg und keine sich daraus ergebende höhere Eingruppierung für nach dem eingestellte Lehrkräfte mehr möglich sei; ansonsten würde der Wille der Tarifvertragsparteien konterkariert.

41b) Diese Auffassung ist schon deshalb unzutreffend, weil durch die vertragliche Formulierung „in Verbindung mit der Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder“ keine materiell-rechtliche Eingruppierungsregelung in Bezug genommen wird, die der Tätigkeit des Klägers Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung zuordnen würde.

42aa) Die Anlage 4 TVÜ-Länder hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

43bb) Der Aussagewert der Tabelle in Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder ist im Zusammenhang mit der Verweisungsklausel - wie früher und ab dem die gesamte tarifliche Entgeltordnung - darauf beschränkt, die einer Lehrkraft nach der einzelvertraglich vereinbarten Vergütungsordnung zustande gekommene Vergütungsgruppe in die entsprechende Entgeltgruppe des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes, hier: TV-L, zu „übersetzen“. Die originäre Vergütungsgruppe ist dabei nach wie vor der Vergütungsordnung der LRL-TdL zu entnehmen. Aus der Tabelle ergibt sich gleichsam rein „arithmetisch“ die dieser zugeordnete Entgeltgruppe. Ein eigener materiell-rechtlicher Regelungsgehalt, der wichtige Teile der ausdrücklich vereinbarten differenzierten Vergütungsordnung konstitutiv verändert und insbesondere ausdrücklich geregelte Aufstiegsmöglichkeiten de facto beseitigt, lässt sich hieraus - und im Übrigen auch für den Kläger hinreichend erkennbar (vgl. nur die Unklarheitenregel gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) - nicht entnehmen.

44c) Auch die im Arbeitsvertrag vereinbarten Verweisungen auf § 17 Abs. 3 und Abs. 4 TVÜ-Länder führen zu keinem anderen Ergebnis.

45aa) In § 17 Abs. 3 TVÜ-Länder ist der Ausschluss eines Vertrauensschutzes für die vor dem Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung vorgenommenen Eingruppierungen geregelt. § 17 Abs. 4 TVÜ-Länder, der im Übrigen durch § 1 Nr. 6 Buchst. c des Änderungstarifvertrags Nr. 4 zum TVÜ-Länder vom mit Wirkung zum aufgehoben worden ist, regelte im Wesentlichen Besitzstandszulagen, die aufgrund von finanziellen Nachteilen bei der Eingruppierung nach einer neuen Entgeltordnung entstehen können.

46bb) Bei keiner der beiden Bestimmungen handelt es sich um eine materiell-rechtliche Eingruppierungsregelung über die Zuordnung einer Tätigkeit zu einem Tätigkeitsmerkmal aus einer Vergütungs- oder Entgeltordnung. Sie sind deshalb für die Eingruppierung des Klägers ohne Bedeutung.

47d) Auch die weiteren vom beklagten Land angezogenen Sonderbestimmungen für Lehrkräfte im TV-L und im TVÜ-Länder enthalten keine materiell-rechtlichen Regelungen, die sich mit der Zuordnung der Tätigkeit einer Lehrkraft zu einem konkreten Tätigkeitsmerkmal befassen, und sind deshalb für den Streitfall ohne Belang.

48aa) So stellt § 44 TV-L Sonderregelungen für Lehrkräfte an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen auf, die jedoch nicht die Eingruppierung betreffen, sondern deren Arbeitszeit, die Stufen der Entgelttabelle, den Urlaub und die Befristung (entspr. der früheren SR 2l l zum BAT).

49bb) Der weitere Verweis der Revision auf § 20 TVÜ-Länder („Anwendung der Entgelttabelle auf Lehrkräfte“) erweist sich schon deshalb als unbegründet, weil die Regelung Sachverhalte betrifft, die eine Eingruppierung der Lehrkräfte notwendig voraussetzt, sie aber nicht eigenständig begründet oder gestaltet. Die Entgelttabelle enthält - auch für Lehrkräfte - tarifliche Normen, die durch die Tarifvertragsparteien gestaltet worden sind und deshalb auch geändert werden dürfen, aber keine Bestimmungen zur Zuordnung von Tätigkeiten einer Lehrkraft zu Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsordnung.

50II. Unter Anwendung der Eingruppierungsregelungen der LRL-TdL erfüllt der Kläger seit dem und damit im Streitzeitraum das Tätigkeitsmerkmal der Vergütungsgruppe Vb LRL-TdL, die der Entgeltgruppe 9 TV-L entspricht.

511. Der Kläger ist als pädagogische Unterrichtshilfe tätig und verfügt über eine einschlägige Ausbildung als staatlich anerkannter Heilerziehungspfleger. Er hat sich seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses und damit auch „mehrjährig“ in dieser Tätigkeit und in der maßgebenden Vergütungsgruppe Vc bewährt. Der Begriff „mehrjährige Bewährung“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zB  -) und nach übereinstimmender Auffassung der Tarifvertragsparteien (so Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT VergO BL Stand August 2008 Anlage 1a Teil I Allg. Teil Erl. 10) bereits durch eine mindestens zweijährige Bewährung erfüllt. Im Falle des Klägers war sie mit Ablauf des absolviert. Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

522. Unter Anwendung der Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder hat der Kläger damit einen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 TV-L.

53Der Vergütungsgruppe Vb LRL-TdL entspricht die Entgeltgruppe 9 TV-L. Das ergibt sich unmittelbar aus der „Nichterfüller“-Tabelle in der Anlage 4 Teil B TVÜ-Länder. Dort ist bei den „Ausgangsgruppen“ die Vergütungsgruppe Vb in verschiedenen Varianten („mit Aufstieg …“, „ohne Aufstieg …“) der Entgeltgruppe 9 TV-L zugeordnet.

54Ob ein in die Überleitungstabelle eingearbeiteter möglicher Bewährungsaufstieg bei anderen Lehrkräften, insbesondere Nichterfüllern, deren bisherige Vergütungsgruppe je nach einzelnen Maßgaben nicht derselben, sondern unterschiedlichen Entgeltgruppen zugeordnet wird, bei einem während der Zeit zwischen dem und dem erfolgten Bewährungsaufstieg nach den LRL-TdL zu berücksichtigen ist, muss vorliegend nicht entschieden werden. Die für den Kläger maßgebenden Vergütungsgruppen Vc und Vb LRL-TdL werden in der Überleitungstabelle jeweils nur einer einzigen Entgeltgruppe zugeordnet, so dass auch bei einer originären Eingruppierung in die höhere Vergütungsgruppe eine Zuordnung zu der entsprechend höheren Entgeltgruppe erfolgt wäre.

55C. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Fundstelle(n):
DB 2014 S. 8 Nr. 7
KAAAE-54834