Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer Urteilsbegründung; keine Abzweigung bereits ausgezahlten Kindergeldes
Gesetze: FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, EStG § 74 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Der im Februar 2002 geborene Kläger und Antragsteller (Kläger) lebt im Haushalt seiner Mutter, die für ihn laufend Kindergeld bezieht. Der Vater des Klägers lebt in einem eigenen Haushalt und erbringt für den Kläger monatliche Barunterhaltszahlungen in Höhe von 327 €, zu denen er aufgrund einer Urkunde des zuständigen Jugendamtes verpflichtet ist. Im Haushalt der Mutter leben zwei weitere minderjährige Kinder und der Lebensgefährte der Mutter, welcher der Vater dieser Kinder ist.
2 Das zuständige Jobcenter behandelte alle Haushaltsangehörigen als Bedarfsgemeinschaft und erbrachte für die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. In dem Leistungsbescheid wurden für den Kläger keine Leistungen festgesetzt, weil sein in sozialrechtlicher Hinsicht bestehender Bedarf durch die Unterhaltsleistungen seines Vaters und einen Anteil in Höhe von 42,35 € des für ihn zugunsten der Mutter festgesetzten Kindergeldes gedeckt werde. Das verbleibende Kindergeld für den Kläger (141,65 €) wurde als Einkommen der Mutter bedarfsmindernd berücksichtigt.
3 Einen u.a. als gesetzliche Vertreterin des Klägers gestellten Antrag der Mutter des Klägers auf Abzweigung des Kindergeldes an den Kläger oder an den Vater des Klägers lehnte die Beklagte (Familienkasse) mit Bescheid vom 13. Februar 2013 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Abzweigung an den Kläger stehe entgegen, dass das Kind im Rahmen der Haushaltsaufnahme Unterhalt in ausreichender Höhe erhalte. Eine Abzweigung an den Vater des Klägers scheide aus, da dieser bei Haushaltsaufnahme oder Zahlung der höheren Unterhaltsrente als nach § 64 Abs. 2 oder Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorrangig als Kindergeldberechtigter bestimmt werden könne. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsent-scheidung vom 21. März 2013).
4 Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
5 Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der Kläger hinsichtlich der Abzweigung an sich selbst Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde.
6 Dem Antrag lag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
7 II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH wird abgelehnt.
8 1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
9 2. Das beabsichtigte Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung des Vortrags des Klägers, des Inhalts der Akten und des Urteils des FG die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
10 a) Beruht eine Klageabweisung auf mehreren, jeweils für sich tragenden Entscheidungsgründen, so hängt der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde davon ab, dass in Bezug auf jeden dieser Entscheidungsgründe Zulassungsgründe in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise bezeichnet werden und vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2006 III B 196/05, juris, m.w.N.). Beruht die Klageabweisung auf einer Haupt- und einer Hilfsbegründung, so genügt die Darlegung eines Zulassungsgrundes hinsichtlich der Hilfsbegründung nicht, wenn nicht auch die Hauptbegründung des FG in Frage gestellt wird (, BFH/NV 2003, 330).
11 b) aa) Das FG hat im vorliegenden Fall seine Entscheidung zum einen damit begründet, dass eine Abzweigung an den Kläger ausscheide, da keine Verletzung der Unterhaltspflicht i.S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG vorliege. Der Elternteil, der wie vorliegend ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreue, erfülle seine Pflicht zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—). Pflege und Erziehung würden unstreitig von der Mutter des Klägers erbracht, so dass die Mutter ihre Unterhaltspflicht nicht verletze. Ausdrücklich weist das FG in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass aus der Vorschrift des § 1612b BGB keine Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils folge.
12 Nur als Hilfsbegründung führt das FG sodann aus, dass selbst dann, wenn man aus der Bestimmung des § 1612b BGB eine Barunterhaltspflicht in Höhe der Hälfte des monatlichen Kindergeldbetrages ableiten und deshalb auf die eigenen finanziellen Aufwendungen der Mutter des Klägers abstellen würde, von Aufwendungen der Mutter in mindestens dieser Höhe auszugehen wäre.
13 bb) Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe beziehen sich indessen nur auf die vorgenannte Hilfsbegründung.
14 (1) Zum einen macht der Kläger einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend. Das FG habe unter Verletzung seiner aus § 76 Abs. 2 FGO folgenden Verpflichtungen nicht darauf hingewiesen, dass es eine konkrete Nachweisführung hinsichtlich der tatsächlich erbrachten Unterhaltszahlungen für entscheidungserheblich erachte.
15 Selbst wenn hinsichtlich der Aufklärung der Barunterhaltszahlungen der Mutter ein Verfahrensfehler vorläge, ginge dieser ins Leere, weil das FG im Rahmen seiner Hauptbegründung eine Barunterhaltspflicht verneint hat.
16 (2) Zum anderen macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend, ob es überhaupt eines weitergehenden Sachvortrags und Nachweises über die Verwendung des Kindergeldes für das Kind im Rahmen der Erfüllung der Unterhaltspflicht gemäß § 74 Abs. 1 EStG bedürfe, wenn sich aus dem schlüssigen und belegten Sachvortrag bereits ergebe, dass die Verwendung des Kindergeldes für das den Kindergeldanspruch auslösende Kind zu einem Eingriff in die für die Existenzsicherung der anderen Haushaltsangehörigen erforderlichen Mittel führe.
17 Auch insoweit wird ein Zulassungsgrund nur hinsichtlich der Hilfsbegründung des FG dargelegt. Im Rahmen seiner Hauptbegründung ist das FG gerade davon ausgegangen, dass die Mutter des Klägers ihre Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung erfülle und es deshalb nicht darauf ankomme, woher die dafür notwendigen Barmittel stammten.
18 (3) Die Hauptbegründung des FG erfassende Zulassungsgründe sind auch anderweitig nicht ersichtlich.
19 cc) Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Abzweigung des an den Kindergeldberechtigten bereits ausgezahlten Kindergeldes ausscheidet, da der Kindergeldanspruch durch die Auszahlung erlischt (s. etwa , BFHE 231, 520, BStBl II 2013, 583, und vom 27. Oktober 2011 III R 16/09, BFH/NV 2012, 720).
20 3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren sind nicht entstanden, weil das Kostenverzeichnis hierfür keinen Gebührentatbestand vorsieht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1 Teil 6 des Gerichtskostengesetzes; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 142 Rz 93).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 574 Nr. 4
XAAAE-54607