Wirksamkeit eines mithilfe automatischer Einrichtungen erstellten, nachträglich handschriftlich geänderten Verwaltungsakts
Leitsatz
Das Fehlen einer Unterschrift des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten unter einem nicht formularmäßigen oder mithilfe automatischer Einrichtungen erlassenen Steuerbescheid (Verstoß gegen § 157 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 119 Abs. 3 Satz 2 AO) führt nicht zur Nichtigkeit des Bescheids. Diese Aussage muss umso mehr für einen geringfügig ergänzten, mithilfe automatischer Einrichtungen erlassenen Steuerbescheid gelten.
Gesetze: AO § 119 Abs. 3, AO § 157, AO § 125 Abs. 1, FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, GG Art. 3, GG Art. 14, ZPO § 295
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist —bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit— zumindest unbegründet. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—), auf den der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) seine Beschwerde stützen will, ist nicht gegeben (vgl. unter 1.). Das Finanzgericht (FG) hat auch seine Pflicht zur Sachaufklärung nicht verletzt (vgl. unter 2.). Die Revision ist auch nicht wegen einer die einheitliche Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gefährdenden Divergenz (vgl. unter 3.) oder wegen Grundrechtsverletzungen zuzulassen (vgl. unter 4.).
2 1. a) Macht der Beschwerdeführer geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen. Dafür ist erforderlich, dass er die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hinreichend konkretisiert; nicht ausreichend ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Des Weiteren muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165).
3 b) Nach diesen Grundsätzen hat die Rechtsfrage, ob auch bei teilweiser Streichung und handschriftlicher Ergänzung des Tenors eines Verwaltungsakts zu dessen Wirksamkeit eine Unterschrift entbehrlich ist, keine grundsätzliche Bedeutung. Zutreffend weist der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) darauf hin, dass die Auslegung von Verwaltungsakten sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls richtet. Fragen, deren Beantwortung wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig sind, sind jedoch nicht klärungsbedürftig i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 Alternative 1 FGO (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom IX B 125/11, BFH/NV 2012, 2001, und vom I B 26/12, BFH/NV 2013, 1061). Im Übrigen handelt es sich bei den Aufhebungsbescheiden im Streitfall nach den —nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen— Feststellungen des FG um mithilfe automatischer Einrichtungen erlassene Verwaltungsakte, die nach § 119 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 der Abgabenordnung (AO) keiner Unterschrift bedürfen. Die vom Kläger in der Beschwerde gerügte handschriftliche Änderung (die Worte „wird aufgehoben” sind gestrichen und durch die Worte „in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom wird nach § 130 AO aufgehoben”) führen zu keiner so wesentlichen Änderung des Verwaltungsakts, dass die Aufhebungsbescheide aus der Sicht des Empfängers ihren prägenden Charakter als ein „mithilfe einer automatischen Einrichtung erlassene VA” verloren hätten (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 119 AO Rz 360). Zutreffend weist das FG darauf hin, dass die Einfügung der den Einspruch zurückweisenden Einspruchsentscheidung keinerlei Auswirkungen auf die verfügte Bescheidaufhebung hat.
4 Nach der Rechtsprechung führt zudem das Fehlen einer Unterschrift des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten unter einen nicht formularmäßigen oder mithilfe automatischer Einrichtungen erlassenen Steuerbescheid (Verstoß gegen § 157 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 119 Abs. 3 Satz 2 AO) nicht zur Nichtigkeit des Bescheids (vgl. , BFH/NV 1990, 345; BFH-Beschlüsse vom II B 139/91, BFH/NV 1993, 399, und II B 132/91, BFH/NV 1992, 788). Diese Aussage muss umso mehr für einen geringfügig ergänzten, mithilfe automatischer Einrichtungen erlassenen Steuerbescheid gelten.
5 Die Bedenken des Klägers, ein Finanzamt oder Finanzgericht eines anderen Bundeslandes werde einen mit unwesentlichen handschriftlichen Änderungen/Ergänzungen des Entscheidungstenors versehenen, nicht unterschriebenen Grundlagenbescheid bei der Einkommensteuerfestsetzung nicht beachten, sind nicht nachvollziehbar.
6 2. In formeller Hinsicht macht der Kläger einen Sachaufklärungsmangel geltend.
7 a) Eine schlüssige Rüge, das FG habe gegen seine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung —auch ohne entsprechenden Beweisantritt seitens des Beschwerdeführers— verstoßen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), erfordert die Darlegung, zu welchen konkreten Tatsachen weitere Ermittlungen geboten waren, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG von Amts wegen hätte erheben müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung oder einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die unterlassene Ermittlungsmaßnahme oder Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom X B 91/11, BFH/NV 2012, 1150, m.w.N.).
8 b) Den Ausführungen des Klägers ist zwar zu entnehmen, welche Beweise das FG hätte erheben müssen und dass die Beiziehung der Besteuerungsakten zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können. Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, weshalb sich dem FG die Beiziehung seiner Besteuerungsakten der Vorjahre ohne entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen.
9 c) Im Übrigen handelt es sich bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, so muss der Beschwerdeführer vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (BFH-Beschlüsse vom II B 169/91, BFH/NV 1993, 258; vom VII B 1/00, BFH/NV 2000, 1125, und vom V B 36/05, BFH/NV 2007, 69). Auch hierzu fehlt ein Vortrag des Klägers.
10 3. Der Kläger hat die Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des BFH nicht schlüssig gerügt. Er hat es versäumt, tragende, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits gegenüberzustellen, um so eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Zudem hat er nicht dargelegt, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. Senatsbeschluss vom X B 57/11, BFH/NV 2012, 1307, m.w.N.).
11 4. Die Revision kann auch nicht wegen der vom Kläger behaupteten Verletzung seiner Grundrechte zugelassen werden.
12 a) Der Kläger trägt sinngemäß vor, das FG-Urteil verletze Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil es die Schätzung seiner Umsätze in den Streitjahren durch das FA bestätigt habe, obwohl er während des Klageverfahrens berichtigte Umsatzsteuererklärungen eingereicht habe. Zudem verletze das FG-Urteil Art. 14 GG, weil ihm Erstattungsansprüche entzogen worden seien.
13 b) Mit diesem Vorbringen ist das erforderliche Allgemeininteresse an einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht ausreichend dargelegt worden. Denn wird geltend gemacht, ein einzelner staatlicher Hoheitsakt, wie z.B. ein Urteil, verletze ein Grundrecht des Beteiligten, fehlt es —im Unterschied zur substantiiert geltend gemachten Verfassungswidrigkeit einer Norm— grundsätzlich an der Breitenwirkung der mit der Revisionszulassung erstrebten obergerichtlichen Entscheidung (, BFH/NV 2013, 1573). Zudem kann mit der bloßen Behauptung, ein Urteil verletze Grundrechte, ohne eingehende Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem fraglichen Grundrecht die Revisionszulassung nicht erreicht werden.
14 5. Im Kern wendet sich der Kläger nach Art einer Revisionsbegründung gegen die (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (z.B. , BFH/NV 2008, 1510).
Fundstelle(n):
AO-StB 2014 S. 79 Nr. 3
BFH/NV 2014 S. 294 Nr. 3
LAAAE-54060