Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierung - Gegenwarts- und Zukunftsbezug
Gesetze: § 99 Abs 1 S 1 BetrVG, § 101 S 1 BetrVG
Instanzenzug: Az: 14 BV 80/10 Beschlussvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 2 TaBV 7/11 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten zuletzt noch darüber, ob der Betriebsrat verlangen kann, dass die Arbeitgeberin drei Arbeitnehmer für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum umgruppiert und hierzu das Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG durchführt.
2Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein zum Deutschen Bahn (DB) Konzern gehörendes Unternehmen, das in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Sie erbringt Leistungen im Schienenpersonennahverkehr und ist in Regionen gegliedert. Die Region Südost fasst - mit verschiedenen Verkehrsbetrieben - den DB-Nahverkehr in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in einer regionalen Einheit zusammen. Im „Wahlbetrieb Leipzig“ des Verkehrsbetriebs Mitteldeutschland ist der antragstellende und zu 1. beteiligte Betriebsrat gebildet.
3Die Arbeitgeberin ist nach § 1 Abs. 1 Buchst. b iVm. der Anlage 1 des zwischen dem Arbeitgeberverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister e.V. (Agv MoVe) und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) geschlossenen Tarifvertrags für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des Agv MoVe (LfTV) ein Unternehmen, für das der LfTV gilt. Nach § 58 Abs. 1 Satz 2 des am in Kraft getretenen LfTV vom ergeben sich die - für die Eingruppierung der Arbeitnehmer maßgeblichen - Entgeltgruppen (künftig: EG) und deren Tätigkeitsmerkmale aus dem Tätigkeitsgruppenverzeichnis einer Anlage 2 zum Tarifvertrag. In der Anlage 2 zum LfTV ist auszugsweise bestimmt:
4Im Hinblick auf das Inkrafttreten des LfTV, mit dem die bis dahin geltende tarifliche Vergütungsstruktur geändert worden ist, ersuchte die Arbeitgeberin im Frühjahr 2008 den Betriebsrat um Zustimmung zu Umgruppierungen der Arbeitnehmer K, S und W jeweils in die EG LF 4 der Anlage 2 zum LfTV. Diese Arbeitnehmer sind Triebfahrzeugführer, fahren bei anderen Lokomotivführern mit und überprüfen deren Arbeitsausführungen. Der Betriebsrat, der anders als die Arbeitgeberin bei den drei Arbeitnehmern das Tätigkeitsmerkmal „prüfen“ iSd. EG LF 3 der Anlage 2 zum LfTV als erfüllt ansah, stimmte den Umgruppierungen nicht zu. Die Arbeitgeberin leitete daraufhin vor dem Arbeitsgericht Leipzig ein Zustimmungsersetzungsverfahren ein. Im Termin zur Anhörung vor dem Arbeitsgericht am nahm die Arbeitgeberin ihren Antrag auf Zustimmung zur Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu den Umgruppierungen der Arbeitnehmer K, S und W in EG LF 4 der Anlage 2 zum LfTV zurück.
5Ab Mitte Dezember 2009 führten die Tarifvertragsparteien Verhandlungen über Änderungen des LfTV. Die Verhandlungen mündeten in den Abschluss des „2. Tarifvertrags zur Änderung des Tarifvertrags für Lokomotivführer von Schienenverkehrsunternehmen des Agv MoVe vom “ vom (2. ÄTV LfTV 2009). Nach dessen § 1 Abs. 2, in Kraft getreten am , lautet die EG LF 3 der Anlage 2 zum LfTV nunmehr wie folgt:
6Eine Protokollnotiz zu § 2 Abs. 2 des 2. ÄTV LfTV 2009 lautet:
7Mit Wirkung ab dem sind die Arbeitnehmer K, S und W - unter Beteiligung des Betriebsrats, der einem entsprechenden Zustimmungsersuchen der Arbeitgeberin vom entsprochen hat - in EG LF 3 der Anlage 2 zum LfTV (in der Fassung des 2. ÄTV LfTV 2009) umgruppiert.
8Mit dem vorliegenden, am beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat zunächst in erster Linie eine Verpflichtung der Arbeitgeberin geltend gemacht, die Arbeitnehmer K, S und W mit Wirkung ab dem „in eine andere als die EG LF 4 der Anlage 2 zum LfTV“ einzureihen. Wegen der ab dem vollzogenen Umgruppierung der drei Arbeitnehmer in EG LF 3 der Anlage 2 zum LfTV (in der Fassung des 2. ÄTV LfTV 2009) hat er sein Begehren zuletzt ausdrücklich (nur noch) auf den Zeitraum vom bis bezogen.
9Der Betriebsrat hat - zuletzt - beantragt,
10Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat gemeint, in der Zeit vom bis habe beim Tarifmerkmal „prüfen“ der EG LF 3 der Anlage 2 zum LfTV eine tarifliche Regelungslücke bestanden, weswegen vor dem kein „Beteiligungsverfahren“ des Betriebsrats durchzuführen gewesen sei.
11Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht ihnen entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Betriebsrat meint, die Rechtsbeschwerde sei teilweise unzulässig und verteidigt im Übrigen die angefochtene Entscheidung.
12B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht den Anträgen des Betriebsrats entsprochen und eine der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegende Verpflichtung der Arbeitgeberin im Hinblick auf eine rein vergangenheitsbezogene Maßnahme angenommen.
13I. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin (insgesamt) zulässig. Sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt (§ 92 Abs. 2 Satz 1, § 74 Abs. 1 ArbGG) sowie frist- und ordnungsgemäß begründet (§ 74 Abs. 1, § 94 Abs. 2 ArbGG). Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegründung angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Dazu hat sie den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält ( - Rn. 13, BAGE 126, 176). Dem wird das Rechtsmittel der Arbeitgeberin gerecht. Die Rechtsbeschwerde setzt sich ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinander. Sofern der Betriebsrat seine Auffassung der teilweisen Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde darauf stützt, das Vorbringen der Arbeitgeberin zu den tarifvertraglichen Regelungen sei weder erforderlich noch notwendig, weil es vorliegend allein um die Sicherung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Ein- oder Umgruppierungen nach § 101 BetrVG gehe, ist dies kein die Zulässigkeit des Rechtsmittels berührender Einwand.
14II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Anträgen zu Unrecht entsprochen.
151. Die Anträge sind zulässig, insbesondere sind sie hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist ausreichend bezeichnet, zu welchen Maßnahmen die Arbeitgeberin verpflichtet werden soll. Die Arbeitnehmer, um deren Umgruppierungen es gehen soll, sind namentlich benannt. Es kann dahinstehen, ob ein Betriebsrat, der wie hier in einem „ersten Schritt“ eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung eines Arbeitgebers und in einem „zweiten Schritt“ seine Beteiligung hieran verlangt, immer (auch) die Vergütungsordnung angeben muss, in welche die Ein- oder Umgruppierung erfolgen soll. Im Streitfall hat der Betriebsrat die Vergütungsordnung klar bezeichnet. Wie sich aus Wortlaut und Begründung des Antrags unmissverständlich ergibt, geht es dem Betriebsrat darüber hinaus darum, eine Zuordnung der benannten Arbeitnehmer zu der EG LF 4 der Anlage 2 zum LfTV auszuschließen. Außerdem hat der Betriebsrat die verlangte Maßnahme und seine Mitbestimmung hierbei zuletzt auf einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum begrenzt. Nur die so beschriebene Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Umgruppierung und zur Wahrung des Mitbestimmungsrechts ist Gegenstand des Verfahrens.
162. Die Anträge sind unbegründet.
17a) Der Betriebsrat kann in Fällen, in denen der Arbeitgeber die gebotene Ein- oder Umgruppierung eines Arbeitnehmers unterlässt, in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Ein- oder Umgruppierungsentscheidung vorzunehmen, ihn um Zustimmung zu ersuchen und im Falle der beachtlichen Zustimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen (vgl. - Rn. 16 mwN, BAGE 138, 39). Voraussetzung hierfür ist eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Ein- oder Umgruppierung (vgl. - zu B II 1 der Gründe, BAGE 112, 238). Eine solche betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung besteht nicht für Ein- oder Umgruppierungen, die einen in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum betreffen.
18aa) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Eingruppierung oder Umgruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung zu beantragen. Eine Ein- oder Umgruppierung besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls einer Vergütungsordnung zuzuordnen ist. Es handelt sich nicht - wie bei der Einstellung und Versetzung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG - um konstitutive rechtsgestaltende Akte, sondern um Akte der Rechtsanwendung verbunden mit der Kundgabe einer Rechtsansicht. Die Richtigkeit der betreffenden Beurteilung unterliegt der Mitbeurteilung des Betriebsrats (vgl. - zu B I 2 a der Gründe mwN, BAGE 107, 338). Dies setzt voraus, dass der Arbeitgeber zuvor eine entsprechende Beurteilung vorgenommen - also überhaupt eine Maßnahme getroffen - hat, die eine Ein- oder Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist ( - Rn. 13), oder er hierzu verpflichtet ist ( - zu B II 1 der Gründe, BAGE 112, 238).
19bb) Eingruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die - erstmalige oder erneute - Einreihung eines Arbeitnehmers in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Umgruppierung ist jede Änderung dieser Einreihung. Eine Umgruppierung findetnicht nur statt, wenn dem Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit zugewiesen wird, die den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen Vergütungsgruppe entspricht, sondern etwa auch dann, wenn sich bei gleichbleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers die Vergütungsordnung ändert, also infolge einer Änderung der Vergütungsgruppenordnung eine „Neueingruppierung“ des Arbeitnehmers erforderlich wird (vgl. - zu B II 1 der Gründe, BAGE 74, 10).
20cc) Die Verpflichtung zur Ein- und Umgruppierung setzt eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung voraus. Vergütungsordnung iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG ist ein kollektives - und jedenfalls bei Geltung nur eines betrieblichen Vergütungssystems - mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach bestimmten generell beschriebenen Merkmalen vorsieht. Woraus sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt, ist unerheblich. Sie kann in einem Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen sein ( - Rn. 20, BAGE 138, 39; - 7 ABR 34/09 - Rn. 16 mwN, BAGE 136, 359).
21dd) Die verfahrensrechtlich durch eine entsprechende Anwendung von § 101 BetrVG gesicherte betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ein- und Umgruppierung von Arbeitnehmern unter Beteiligung des Betriebsrats betrifft allein rechtsanwendende Akte mit Gegenwarts- und Zukunftsbezug.
22(1) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht seine insoweit gegenteilige Ansicht - zutreffend - auf eine Entscheidung des Ersten Senats des gestützt (- 1 ABR 58/93 - BAGE 77, 1). In dieser Entscheidung ist ausgeführt, die Verpflichtung des Arbeitgebers, das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG bis zur Festlegung einer Entgeltgruppe durchzuführen, bestehe auch (fort), wenn sich die Maßnahme nur auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum beziehe (vgl. - zu B II 3 der Gründe, aaO).
23(2) Hieran hält der - seit dem für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten über die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen allein zuständige - Siebte Senat nicht fest.
24(a) Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 101 Satz 1 BetrVG ist die Frage, ob eine konkrete personelle Einzelmaßnahme gegenwärtig und zukünftig als endgültige Maßnahme zulässig ist. Der Aufhebungsantrag des Betriebsrats nach § 101 Satz 1 BetrVG dient der Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustandes, der dadurch eingetreten ist, dass der Arbeitgeber eine konkrete personelle Einzelmaßnahme ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durchführt oder aufrechterhält. Mit der Rechtskraft eines dem Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG stattgebenden Beschlusses wird der Arbeitgeber verpflichtet, den betriebsverfassungswidrigen Zustand durch Aufhebung der personellen Einzelmaßnahme zu beseitigen. Entscheidungen im Aufhebungsverfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG haben damit nur Wirkung für die Zukunft; es geht nicht darum, ob die Maßnahme bei ihrer Durchführung betriebsverfassungsrechtlich zulässig war. Folgerichtig wird ein Antrag nach § 101 Satz 1 BetrVG unbegründet, wenn die im Antrag bezeichnete personelle Einzelmaßnahme etwa durch Zeitablauf geendet hat ( - Rn. 33; - 1 ABR 76/09 - Rn. 22; vgl. auch bereits - 1 ABR 79/89 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 65, 105; - 1 ABR 75/76 - zu II 2 a der Gründe).
25(b) Für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ein- oder Umgruppierungen gilt nichts Abweichendes. Auch hier ist entscheidend, ob die Ein- oder Umgruppierung gegenwärtig und zukünftig als Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG aufrechterhalten werden kann. Deshalb ist die Zustimmung des Betriebsrats für die Betriebsparteien nur solange von Bedeutung, wie der von der Eingruppierung betroffene Arbeitnehmer noch im Betrieb beschäftigt oder die streitige Ein- oder Umgruppierung nicht durch eine andere Ein- oder Umgruppierung beendet worden ist (vgl. - zu II 3 der Gründe; - 1 ABR 79/89 - zu B I 4 b der Gründe, BAGE 65, 105). Ist eine Ein- oder Umgruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgt, spielt die Frage, ob der Arbeitnehmer früher zutreffend eingruppiert war, für das Verhältnis der Betriebsparteien zueinander keine Rolle mehr ( - Rn. 19 mwN; - 1 ABR 8/01 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 99, 258).
26(c) Weder Sinn und Zweck der Mitbestimmung bei Ein- und Umgruppierungen nach § 99 BetrVG noch der besondere Sicherungszweck des § 101 BetrVG im Zusammenhang mit Ein- und Umgruppierungen gebieten eine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG durchzuführen, wenn sich die Ein- oder Umgruppierung allein auf einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum bezieht.
27(aa) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG besteht bei Ein- und Umgruppierungen in einem Recht auf Mitbeurteilung der Rechtslage. Es soll dazu beitragen, hinsichtlich der Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Vergütungsgruppe eines Entgeltschemas nach Maßgabe der dafür gültigen Kriterien möglichst zutreffende Ergebnisse zu erzielen. Die Beteiligung des Betriebsrats dient folglich einer „Richtigkeitskontrolle“ im Sinn der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des Vergütungsschemas und damit der Durchsetzung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der Vergütungspraxis (vgl. - Rn. 21 mwN, BAGE 131, 1). Dem ist genügt, wenn der Betriebsrat an der gegenwarts- und zukunftsbezogenen Ein- oder Umgruppierungsentscheidung beteiligt ist oder wird.
28(bb) Die Mitbestimmungssicherung nach § 101 BetrVG ist auf die Aufhebung oder Beseitigung einer betriebsverfassungswidrigen Maßnahme - nicht auf die nachträgliche Korrektur eines nicht mehr anhaltenden betriebsverfassungswidrigen Zustandes - gerichtet. Wenngleich sich die zustimmungsbedürftige Ein- oder Umgruppierung nicht wie eine Einstellung oder Versetzung in einem tatsächlichen Handeln, sondern in der Äußerung einer Rechtsansicht vollzieht, so ist sie doch für die Betriebspartner nur solange relevant, als der von der Ein- oder Umgruppierung betroffene Arbeitnehmer noch im Betrieb beschäftigt ist oder seine gegenwärtige Ein- oder Umgruppierung betroffen ist. Gerichtliche Entscheidungen darüber, ob der Arbeitgeber früher zu einer Ein- oder Umgruppierung verpflichtet oder ob der Arbeitnehmer früher zutreffend ein- oder umgruppiert war, würden lediglich dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber bestätigen, dass er recht gehabt habe (vgl. zu all dem - zu B II der Gründe, BAGE 65, 105). Sie hätten auch allenfalls faktische Bedeutung für den individual-rechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe. Diesen Zwecken dient die Mitbestimmungssicherung nach § 101 BetrVG aber nicht. Die Regelung des Verfahrens nach § 101 BetrVG macht - im Gegenteil - gerade deutlich, dass ihr für das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis der Betriebspartner keine rückwirkende Bedeutung zukommt.
29(cc) Aus der begrenzten Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung in einem Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG gegenüber dem Arbeitnehmer, um dessen Ein- oder Umgruppierung es geht (hierzu - zu B II 2 c bb der Gründe, BAGE 77, 1), folgt nichts anderes. § 101 BetrVG zielt auf die Sicherung der Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen im Wege eines Anspruchs auf Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustandes und nicht auf die Klärung individual-rechtlicher Ansprüche.
30b) Hiervon ausgehend kann der Betriebsrat sein Begehren nicht auf § 101 BetrVG stützen. Er hat zwar nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Umgruppierung der im Antrag zu 1. benannten Arbeitnehmer. Denn in dem Unternehmen der Arbeitgeberin sind in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Auch gilt im Betrieb der Arbeitgeberin (unstreitig) eine kollektive Vergütungsordnung (der LfTV), in die die Arbeitgeberin die drei im Antrag zu 1. angeführten Arbeitnehmer einzureihen hat. Dem ist sie aber nachgekommen. Das Beteiligungsverfahren nach § 99 BetrVG hierzu ist abgeschlossen, nachdem der Betriebsrat der (aktuellen) Umgruppierung der Arbeitnehmer in EG LF 3 der Anlage 2 zum LfTV (idF des 2. ÄTV LfTV 2009) zugestimmt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Umgruppierung dieser Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2014 S. 371 Nr. 7
GAAAE-53885