Absoluter Revisionsgrund im Strafverfahren: Fortbestehende Abwesenheit des während der Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen
Gesetze: § 238 Abs 2 StPO, § 247 StPO, § 338 Nr 5 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO
Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 2231 Js 23496/12 - 1 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf eine Verfahrensrüge und die Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.
2Die Revision macht zu Recht geltend, dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben ist.
31. Das Landgericht hat für die Dauer der Vernehmung des Zeugen I. die Entfernung des Angeklagten gemäß § 247 StPO angeordnet. Nachdem dieser den Sitzungssaal verlassen hatte, sagte der Zeuge zur Sache aus. Dessen Vernehmung konnte der Angeklagte im Wege der Videoübertragung in einem anderen Gerichtssaal verfolgen, ohne aktiv in das Geschehen eingreifen zu können.
4Nach Absehen von der Vereidigung gemäß § 60 StPO wurde der Zeuge entlassen. Erst danach wurde der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal geführt und von dem Vorsitzenden über den Inhalt der Vernehmung informiert.
52. Die Rüge ist, wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt, zulässig erhoben. Insbesondere ist es nicht Rügevoraussetzung, dass die Verteidigung die Entlassungsanordnung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 StPO beanstandet.
6Die Rüge ist auch begründet.
7Die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen gehört nicht mehr zu seiner Vernehmung im Sinne des § 247 StPO, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt und regelmäßig einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, weil der von ihr ausgeschlossene Angeklagte die Möglichkeit verliert, Fragen an den Zeugen zu stellen und das Gericht einem Antrag auf erneute Vernehmung nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachkommen müsste (, BGHSt 55, 87). Der Angeklagte hätte daher zur Verhandlung über die Entlassung des Zeugen I. wieder zugelassen werden müssen, was ausweislich des Protokolls nicht geschehen ist. Da der darin liegende Verfahrensfehler, wie vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt, nicht geheilt worden ist, muss dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
Appl Schmitt Eschelbach
Ott Zeng
Fundstelle(n):
HAAAE-52489