Bilanzierung eines unverzinslichen Sanierungszuschusses mit dem Teilwert
Leitsatz
1. Eine durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründete Forderung auf einen unverzinslichen, in Raten auszuzahlenden Sanierungszuschuss ist mit dem Nennwert und nicht mit einem abgezinsten Barwert zu bewerten. Der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts kommt grundsätzlich nicht in Betracht.
2. Die mit dem Fehlen der Fälligkeit einer unverzinslichen Zuschussforderung möglicherweise verbundene Wertminderung erweist sich unter dem zeitlichen Blickwinkel jedenfalls dann, wenn sich darin nicht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegelt, als nur vorübergehend und folglich nicht als dauerhaft i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG.
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3, EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3a, HGB § 253 Abs. 4
Instanzenzug: FG des Landes Sachsen-Anhalt Urteil vom 1 K 1303/06 (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Streitig ist, ob eine gegenüber der Stadt S bestehende Forderung auf einen Sanierungszuschuss mit dem Nennwert oder einem niedrigeren Teilwert zu bewerten ist.
2 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen gewerblichen Grundstückshandel. Am schloss sie mit der Stadt S eine Vereinbarung über die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zur Behebung von Baumängeln und Missständen i.S. von § 177 des Baugesetzbuchs bezüglich des mit einem sanierungsbedürftigen Gebäude bebauten Grundstücks A-Straße 1 in S (im Weiteren: Grundstück). Danach war die Klägerin verpflichtet, bestimmte Modernisierungsmaßnahmen auf ihre Kosten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nach Vertragsschluss durchzuführen (geschätzte Kosten: 3.991.650 DM). Im Gegenzug verpflichtete sich die Stadt S, einen Sanierungszuschuss aus Denkmalschutzmitteln in Höhe von höchstens 1.800.000 DM zu gewähren. Vereinbart war weiter, dass von dem Zuschuss im Jahr 1999 maximal 500.000 DM ausgezahlt werden konnten und die Auszahlung des Restbetrags in den Folgejahren erfolgen sollte. Nach einer weiteren Vereinbarung vom sollten vom Zuschuss im Jahr 2000 ein Betrag in Höhe von 800.000 DM und im Jahr 2001 der Restbetrag in Höhe von 500.000 DM ausgezahlt werden. Die Beträge waren jeweils am 15. März des Jahres fällig.
3 Erst im Anschluss an die Vereinbarung mit der Stadt S erwarb die Klägerin das Grundstück mit Vertrag vom und veräußerte es kurz darauf, verbunden mit der Verpflichtung der vollständigen Sanierung des aufstehenden Gebäudes, mit Vertrag vom an die GbR X (GbR). Der Kaufpreis wurde unter kalkulatorischer Berücksichtigung des Modernisierungszuschusses vereinbart. Nach Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen erfolgte im Dezember 1999 der Besitzübergang des Grundstücks an die GbR.
4 Der Sanierungszuschuss wurde wie folgt ausgezahlt: 430.000 DM im Jahr 1999, und zwar am ein Betrag in Höhe von 250.000 DM und am ein Betrag in Höhe von 180.000 DM, 870.000 DM im Jahr 2000, und zwar am ein Betrag in Höhe von 70.000 DM, am ein Betrag in Höhe von 425.500 DM und am ein Betrag in Höhe von 374.500 DM sowie 500.000 DM im Jahr 2001, und zwar am ein Betrag in Höhe von 450.000 DM, am ein Betrag in Höhe von 40.000 DM und am ein Betrag in Höhe von 10.000 DM.
5 Zur Vorfinanzierung der Modernisierungsmaßnahmen nahm die Klägerin ein Bankdarlehen von 1.800.000 DM auf, wofür ihr Zinsaufwendungen im Jahr 2000 in Höhe von 79.842,55 DM und im Jahr 2001 in Höhe von 13.179,45 DM, insgesamt 93.022 DM entstanden.
6 Die Klägerin wies die unverzinsliche Zuschussforderung gegen die Stadt S in ihrem Jahresabschluss zum nicht mit dem noch offenen Nennbetrag von 1.370.000 DM, sondern im Wege einer Pauschalwertberichtigung in Anlehnung an die Zinsaufwendungen für das Modernisierungsdarlehen mit einem um 93.022 DM niedrigeren Wert aus.
7 Letzterem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nicht und erließ am einen entsprechend geänderten Bescheid für 1999 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.
8 Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Entscheidungsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 220 veröffentlicht.
9 Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass zum Bilanzstichtag eine Wertberichtigung der Zuschussforderung gegenüber der Stadt S nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) vorzunehmen sei, da wegen der verzögerten Auszahlung des Zuschusses über mehrere Jahre eine Abzinsung bzw. eine Bewertung der Forderung mit dem niedrigeren Teilwert erforderlich sei. Der Zinsabschlag habe sich zutreffend an dem Zinsaufwand für das Modernisierungsdarlehen orientiert. Die Bewertung mit dem niedrigeren Teilwert gewährleiste, dass am Bilanzstichtag nur realisierte Gewinne ausgewiesen würden. Denn die Gewinne aus dem dem Zuschuss zu Grunde liegenden Leistungsgeschäft (Kauf, Sanierung und Verkauf des Grundstücks) seien erst in voller Höhe realisiert, wenn die Klägerin über die Gegenleistung, die sich aus Kaufpreis und Zuschuss zusammensetze, verfügen könne. Nur so könne ein Widerspruch zu den Bewertungsvorschriften des § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG vermieden werden. Die Zuschussforderung sei ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach dem Verkaufspreis gleichzusetzen. Auch eine am Bilanzstichtag noch offene Kaufpreisforderung sei mit dem abgezinsten Teilwert anzusetzen. Die Teilwertabschreibung folge daher aus dem Zinsverlust, der durch die Zahlung des Zuschusses in den dem Bilanzstichtag nachfolgenden Jahren entstanden sei. Das fehlende Ausfallrisiko stünde einer Teilwertabschreibung nicht entgegen. Die Zuschussforderung sei entgegen der Annahme des Finanzgerichts (FG) auch verkehrsfähig. Jedenfalls im Falle der Übertragung der Mitunternehmeranteile würde die Zuschussforderung von den Übernehmern miterworben.
10 Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 93.022 DM gemindert auf 318.477,25 DM festgestellt werden.
11 Das FA beantragt (sinngemäß), die Revision zurückzuweisen.
12 Zur Begründung folgt es im Wesentlichen den Ausführungen der Vorentscheidung.
13 II. Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
14 Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Zuschussforderung gegen die Stadt S in der Bilanz der Klägerin zum nicht abzuzinsen war.
15 a) Die Klägerin hat als bilanzierende Gewerbetreibende die Zuschussforderung aus der Vereinbarung mit der Stadt S vom zutreffend dem Umlaufvermögen ihres Unternehmens zugeordnet. Ebenfalls zutreffend sind die Beteiligten davon ausgegangen, dass die Zuschussforderung erstmals in der Bilanz der Klägerin zum anzusetzen war, da sie im Wirtschaftsjahr 1999 entstanden war. Nach der Vereinbarung mit der Stadt S war der Sanierungszuschuss an die Durchführung der im Einzelnen aufgelisteten Modernisierungsmaßnahmen gekoppelt. Der Sanierungszuschuss ist damit nicht bereits mit dem Vertragsabschluss, sondern erst mit dem Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen, die sämtlich in 1999 durchgeführt worden sind, im Wirtschaftsjahr 1999 entstanden.
16 b) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Wirtschaftsgüter —u.a. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens wie die streitgegenständliche Zuschussforderung— grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Diese entsprechen bei einer Forderung, die wie auch im Streitfall durch (öffentlich-rechtlichen) Vertrag begründet wurde, grundsätzlich deren Nennbetrag (, BFHE 90, 484, BStBl II 1968, 176, und vom X R 7/10, BFHE 237, 119). Der Zuschuss ist, anders als die Klägerin meint, am hier maßgeblichen Bilanzstichtag () nicht in Höhe des „realisierten” Barwerts anzusetzen. Denn für die Abzinsung eines Aktivpostens fehlt es im Gegensatz zu dem Abzinsungsgebot für Verbindlichkeiten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und Rückstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG) an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage.
17 c) Auch der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts scheidet im Streitfall aus. Ist der Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Für Steuerpflichtige, die, wie die Klägerin, ihren Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 EStG ermitteln, ergibt sich aufgrund des Grundsatzes der Maßgeblichkeit und des handelsrechtlichen strengen Niederstwertprinzips für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (§ 253 Abs. 4 HGB) bei gesunkenem Teilwert steuerrechtlich eine Pflicht zur Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 22, und in BFHE 237, 119). Eine solche Teilwertabschreibung macht die Klägerin im Streitfall geltend.
18 Der Teilwert entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Der Teilwert einer unverzinslichen oder niedrig verzinsten Forderung, mit deren Befriedigung erst in geraumer Zeit gerechnet werden kann, liegt in der Regel unterhalb ihres Nominalwerts. Sie ist weniger wert als eine nominal gleich hohe Forderung, die kurzfristig eingezogen werden kann. Das gilt nicht nur aus Sicht des Erwerbers einer Einzelforderung, sondern in gleicher Weise auch aus der des Erwerbers eines gesamten Unternehmens, zu dessen Vermögen die Forderung gehört (, BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162, m.w.N.). Die Wertminderung basiert allerdings, soweit mit ihr nicht ein Ausfallrisiko der Forderung abgebildet wird, im Wesentlichen auf der Annahme, dass die erst zu einem späteren Zeitpunkt fälligen und/oder unverzinslichen Forderungen ein (verdecktes) Zinsentgelt enthalten (vgl. u.a. , BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553; vom I R 2/06, BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469).
19 d) Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts im Streitfall nicht in Betracht. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht Einigkeit, dass die Zuschussforderung keinem Ausfallrisiko unterlag und aus diesem Grund der Ansatz eines niedrigeren Teilwerts ausschied. Allein die Unverzinslichkeit der Zuschussforderung und die vereinbarte und auch tatsächlich erfolgte ratierliche Auszahlung der Zuschüsse bis zu eineinhalb Jahre nach deren Entstehung rechtfertigt den Ansatz eines niedrigeren Teilwerts ebenso wenig. Die Zuschussforderung beinhaltet —anders als die unverzinsliche Kapitalüberlassung oder die Stundung einer Forderung— keinen verdeckten Zinsanteil. Die Fälligkeit und damit die Auszahlung des Sanierungszuschusses waren von vornherein abweichend von dem Entstehungszeitpunkt geregelt. Ein Zinsanteil war in der ratierlichen Auszahlung erkennbar nicht enthalten. Soweit die Klägerin dagegen einwendet, nur durch die „Teilwertabschreibung” sei gewährleistet, dass ausschließlich die zum Bilanzstichtag realisierten Gewinne erfasst würden, verwechselt sie die Realisierung einer Forderung (s. dazu unter II.1.b) mit deren Bewertung.
20 e) Im Übrigen dürfte ein niedrigerer Teilwert schon deshalb nicht angesetzt werden, weil selbst bei Unterstellung einer Wertminderung wegen der Unverzinslichkeit der Zuschussforderung die Wertminderung jedenfalls nicht „voraussichtlich dauernd” i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG wäre.
21 aa) Der Begriff „voraussichtlich dauernde Wertminderung” ist weder im HGB noch im Steuerrecht definiert. Er bezeichnet im Grundsatz eine Minderung des Teilwerts (handelsrechtlich: des beizulegenden Werts), die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber nicht nur vorübergehend sein darf. Ob eine Wertminderung „voraussichtlich dauernd” ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweils in Rede stehenden Wirtschaftsguts beurteilt werden (BFH-Urteil in BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162, m.w.N.).
22 bb) Selbst wenn der aktuelle Wert der unverzinslichen Zuschussforderung am hier maßgeblichen Bilanzstichtag, der vor dem Fälligkeitszeitpunkt lag, gemindert gewesen wäre, wäre er in der Folge zwangsläufig sukzessive wieder angestiegen und hätte zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt den Nominalbetrag der Zuschussforderung wieder erreicht. Die Klägerin hatte mithin stets die gesicherte Aussicht, zum Fälligkeitszeitpunkt den Nominalwert der Zuschussforderung zu erhalten. Die mit dem Fehlen der Fälligkeit der unverzinslichen Zuschussforderung möglicherwiese verbundene Wertminderung erweist sich somit unter dem zeitlichen Blickwinkel jedenfalls dann, wenn sich darin —wie im Streitfall— nicht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegelt, als nur vorübergehend und folglich als nicht dauerhaft (so zu einer unverzinslichen Darlehensforderung: BFH-Urteil in BFHE 239, 275, BStBl II 2013, 162, mit umfangreichen Nachweisen).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
Nr. 2/2014 S. 123
BB 2015 S. 46 Nr. 1
BFH/NV 2014 S. 304 Nr. 3
DB 2014 S. 12 Nr. 3
EStB 2014 S. 58 Nr. 2
KÖSDI 2014 S. 18794 Nr. 4
StBW 2014 S. 85 Nr. 3
StuB-Bilanzreport Nr. 3/2014 S. 109
UAAAE-52236