BGH Urteil v. - II ZR 18/12

Insolvenz einer GmbH: Erhaltung der Aufrechnungslage zwischen rückständigen Gehaltsansprüchen des Geschäftsführers und eines gegen ihn bestehenden Schadensersatzanspruchs wegen Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit

Leitsatz

Eine vor Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage zwischen rückständigen Gehaltsansprüchen des Geschäftsführers und dem gegen ihn bestehenden Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG ist nicht nach § 94 InsO geschützt, wenn die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung erworben wurde.

Gesetze: § 64 S 1 GmbHG, § 94 InsO, § 96 Abs 1 Nr 3 InsO, § 131 Abs 1 Nr 1 InsO, § 387 BGB

Instanzenzug: Az: 14 U 180/09vorgehend Az: 7 O 36/09

Tatbestand

1Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der C.                GmbH (künftig: Schuldnerin), das auf den Antrag vom am eröffnet wurde. Er nimmt den Beklagten, der bis zum Geschäftsführer der Schuldnerin war, auf Erstattung von Zahlungen der Schuldnerin im Zeitraum vom 1. bis in Höhe von 13.729,22 € mit der Begründung in Anspruch, die Schuldnerin sei zum zahlungsunfähig und überschuldet gewesen.

2Der Beklagte hat sich mit der Begründung, die Schuldnerin sei nicht zahlungsunfähig gewesen und er habe zudem hinsichtlich der Zahlungen nicht schuldhaft gehandelt, gegen die Klage verteidigt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

3In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte zunächst mit der Begründung, dem Kläger stehe entgegen der Ansicht des Landgerichts kein Anspruch aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. zu, gegen die erstinstanzliche Entscheidung gewandt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat er gegen die Klageforderung mit einem Teil seiner rückständigen Gehaltsforderungen (Januar bis März 2007 in Höhe von 11.505 €, April 2007 in Höhe von 2.224,22 €) aufgerechnet, die durch ) rechtskräftig als Insolvenzforderung gegenüber dem Kläger in einer Gesamthöhe von 30.680 € für die Zeit von Dezember 2006 bis Juli 2007 festgestellt worden sind.

4In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat der Kläger die Klage in Höhe der Nebenforderung (vorgerichtliche Anwaltskosten) mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Der Beklagte hat erklärt, sich nur noch mit der erklärten Aufrechnung gegen die Klage verteidigen zu wollen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage im Hinblick auf die erklärte Aufrechnung abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Gründe

5Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt unter Aufhebung des Berufungsurteils zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung im Umfang des vom Kläger nach Teilrücknahme noch verfolgten Klagebegehrens.

6I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7Die Aufrechnung des Beklagten gegen den Anspruch des Klägers aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG) habe Erfolg und führe zum Erlöschen der Klageforderung (§ 389 BGB). Die zwischen der Forderung des Klägers und den Ansprüchen aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. vor Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage (§ 387 BGB) habe zugunsten des Beklagten nach § 94 InsO fortbestanden. Anhaltspunkte für Aufrechnungsverbote nach § 96 Abs. 1 InsO seien dem Parteivortrag nicht zu entnehmen. Der Anspruch aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. schließe auch nicht seiner Eigenart nach jede Aufrechnung aus. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob der Geschäftsführer gegen eine Forderung aus § 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. mit vor Insolvenzeröffnung erworbenen Gehaltsforderungen aufrechnen kann.

8II. Die angefochtene Entscheidung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dabei kommt es auf die Frage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, für die Entscheidung nicht an. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung ist schon gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO insolvenzrechtlich unwirksam.

91. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen den Beklagten eine Forderung aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F., gegen die der Beklagte aufgerechnet hat, zusteht. Mit ihren insoweit erhobenen Gegenrügen kann die Revisionserwiderung nicht mehr gehört werden. Die Revisionserwiderung verkennt, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung das Bestehen der Klageforderung ohne eigene Prüfungskompetenz zu Grunde zu legen hatte, nachdem der Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nur noch mit der (Haupt-)Aufrechnung gegen die Klage verteidigt hat (vgl. , WM 2001, 2023, 2024 mwN; s. hierzu auch , WM 1996, 1153 f.).

102. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, zwischen den (aus Januar bis April 2007) rückständigen Gehaltsansprüchen des Beklagten und dem Anspruch des Klägers aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. habe vor Insolvenzeröffnung eine Aufrechnungslage bestanden, wendet sich die Revision - zu Recht - nicht.

11Eine Aufrechnungslage besteht, wenn die in § 387 BGB normierten Tatbestandsmerkmale Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Aktivforderung des Aufrechnenden und Erfüllbarkeit der Passivforderung des Aufrechnungsgegners gegeben sind (st. Rspr. siehe nur , ZIP 2011, 1271 Rn. 6 mwN; Erman/Wagner, BGB, 13. Aufl., § 387 Rn. 1). Zutreffend hat das Berufungsgericht die Merkmale der Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Durchsetzbarkeit der Gehaltsansprüche und (unter Bezugnahme auf , ZIP 2009, 956 Rn. 20; ebenso , ZIP 2010, 2107 Rn. 13 ff.) der Erfüllbarkeit der Passivforderung aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. als gegeben angesehen.

123. Das Berufungsgericht hat aber, wie die Revision zu Recht rügt, verkannt, dass die nach seinen Feststellungen vor Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage (§ 387 BGB) zwischen den rückständigen Gehaltsforderungen des Beklagten und dem Anspruch der Schuldnerin aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. nicht nach § 94 InsO geschützt ist, weil zu Lasten des Beklagten das Aufrechnungsverbot aus § 96 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO eingreift. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Aufrechnung insolvenzrechtlich unwirksam, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Dies setzt voraus, dass die Aufrechnungslage in einer von §§ 130 ff. InsO beschriebenen Weise anfechtbar erworben worden ist (, BGHZ 159, 388, 393; Urteil vom - IX ZR 56/06, ZIP 2007, 1507, 1508; Versäumnisurteil vom - IX ZR 212/06, ZIP 2008, 235 Rn. 9). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

13a) Der Beklagte hat die Aufrechnungslage durch die (verbotenen) Zahlungen in der Krise der Schuldnerin herbeigeführt. Unter einer Rechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO ist jedes von einem Willen getragene Handeln zu verstehen, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (st. Rspr., siehe nur , ZIP 2013, 1180 Rn. 6 mwN). Darauf, ob die rechtliche Wirkung auf dem Willen des Handelnden beruht oder - wie hier - kraft Gesetzes eintritt, kommt es nicht an (, ZIP 2013, 1180 Rn. 6).

14b) Die (verbotenen) Zahlungen hatten eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger zur Folge, weil sie zu einem Anspruch der Schuldnerin gegen den Beklagten und damit zu der Möglichkeit der Aufrechnung führten, welche den Erstattungsanspruch aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. der Gesamtheit der Gläubiger entzog, während der Beklagte ohne die Aufrechnung nur eine Insolvenzforderung hätte geltend machen können.

15c) Die Herstellung der Aufrechnungslage durch den Beklagten führte zu einer inkongruenten Deckung (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Der Beklagte hatte gegen die Schuldnerin keinen Anspruch auf eine Begründung gegenseitiger Forderungen (vgl. hierzu , BGHZ 159, 388, 393 f.).

164. Wegen der bereits insolvenzrechtlichen Unwirksamkeit der Aufrechnung des Beklagten kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Frage, ob die Eigenart des Anspruchs aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a.F. (= § 64 Abs. 1 GmbHG) die Aufrechnung ausschließt (bejahend: Wittkowski/Kruth in Nerlich/Römermann, InsO, 24. Erg.L. 2012, § 94 Rn. 25 und § 96 Rn. 5), nicht mehr an.

Bergmann                       Strohn                        Caliebe

                   Reichart                      Sunder

Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1 Nr. 1
DB 2013 S. 2926 Nr. 51
DB 2013 S. 8 Nr. 51
DStR 2014 S. 13 Nr. 1
DStR 2014 S. 704 Nr. 14
GmbH-StB 2014 S. 73 Nr. 3
GmbHR 2014 S. 93 Nr. 2
NJW 2014 S. 624 Nr. 9
StBW 2014 S. 199 Nr. 5
StBW 2014 S. 35 Nr. 1
WM 2014 S. 30 Nr. 1
ZIP 2013 S. 99 Nr. 51
ZIP 2014 S. 22 Nr. 1
VAAAE-51790